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Kommentar zum DFB-TeamNagelsmanns Einsicht: Mehr ist nicht drin

Die deutsche Nationalmannschaft hat sich im Rennen um die direkte WM-Qualifikation in eine gute Ausgangsposition gebracht. Doch der Blick auf das Turnier 2026 macht trotzdem nicht mehr Mut. Ein Kommentar.

Zwei Siege, 5:0 Tore, Tabellenführung. Der Blick auf die Zahlen stimmt nach den beiden Länderspielen in der WM-Qualifikation. Nach dem Fehlstart mit der Niederlage in der Slowakei hat Deutschland das direkte Turnierticket nun wieder selbst in der Hand.

Die beiden jüngsten Siege hat die Nationalmannschaft jedoch gegen Luxemburg und Nordirland erzielt – gegen die Nummer 72 und 96 der Weltrangliste. Das ist nicht die Augenhöhe, die im kommenden Sommer über den Titel entscheidet.

Nationalmannschaft siegt gegen die Nummer 72 und 96 der Weltrangliste

Dauer-Optimisten werden entgegnen, dass Schweden wohl die WM verpassen wird. Italien droht der Umweg über die Playoffs. Frankreich erlebte seinen Island-Moment beim blamablen 2:2. Gleichwohl marschieren Nationen wie Spanien, Norwegen oder England souverän durch die Quali.

Die Leistungen auf dem Weg zum Turnier sind nicht der Gradmesser, das zeigt allein der Blick in die deutsche Geschichte mit dem Zittersieg gegen Wales in Köln vor dem Titel 1990 oder die wilden Duelle gegen Schweden (4:4 und 5:3) vor dem Triumph 2014.

Am Ende geht es für die Nationalmannschaft zunächst einfach mal um Arbeitssiege. Die Gruppe muss auf Platz eins beendet werden. Da scheint Julian Nagelsmann mit seinem Team auf dem besten Weg zu sein. Geholfen hat vor allem eine Einsicht beim Bundestrainer: Die Ästhetik der Spiele ist zunächst uninteressant – nur das Ergebnis zählt.

Da werden plötzlich die Standardsituationen – fünf der acht Tore fielen nach ruhenden Bällen – zum Trumpf. Zudem ist vorerst Schluss mit taktischen und personellen Experimenten. Zweimal agierte Deutschland im soliden 4-2-3-1-System, zweimal in gleicher Startformation. Kapitän Joshua Kimmich musste das Loch auf der rechten Problemseite stopfen.

Leidenschaft statt Leichtigkeit hieß die Devise. In der Schlussphase wurde in Nordirland auch durch die rein defensiven Wechsel das Signal gesetzt: Der 1:0-Zittersieg musste irgendwie ins Ziel gerettet werden. Mehr ist einfach nicht drin.

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Nagelsmann gefällt diese pragmatische Herangehensweise eigentlich nicht. Als Taktik-Nerd wünscht er sich immer einen besonderen Clou. Zu gerne will er in jeder Partie noch einen Extrakniff seines Könnens präsentieren. Doch auch er hat erkannt, dass die Mittel seiner Mannschaft weiterhin überschaubar sind. Entsprechend schmallippig kommentiert er nun das Geschehen.

Bundestrainer Julian Nagelsmann umarmt Nico Schlotterbeck.

Bundestrainer Julian Nagelsmann (r.) freut sich mit Nico Schlotterbeck über den Sieg gegen Nordirland.

Mit Blick auf die WM und K.o.-Duelle gegen Top-Teams bleibt nur das Prinzip Hoffnung. Jamal Musiala wird dann hoffentlich wieder ein Faktor werden. Florian Wirtz dürfte irgendwann zu seiner Form finden. Nick Woltemade könnte in der Premier League weiteres Selbstvertrauen tanken. Kai Havertz will nach langer Pause wieder in Fahrt kommen.

Doch selbst diese Personalien und die Weisheit, dass eine Mannschaft an der Qualität ihres Gegners wächst, reichen nicht, um voller Euphorie auf das Turnier im kommenden Sommer zu blicken. Wenn selbst Nordirland es schafft, das deutsche Team so ins Schwimmen zu bringen, sorgt die Aussicht auf WM-Duelle gegen Spanien oder Argentinien nicht gerade für Optimismus.