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Erdogan-Kritiker boxt in Bergisch GladbachEin T-Shirt veränderte sein ganzes Leben

Ünsal_Arik_T-Shirt

Mit diesem T-Shirt fing alles an. „Die Türkei gehört Atatürk, nicht Tayyip“, steht auf Ünsal Ariks Brust geschrieben.

von Béla Csányi (bc)

Bergisch Gladbach – Der türkische Boxer Ünsal Arik (39) ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Seine Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan machte ihn berühmt, aber auch zur Zielscheibe.

In Bergisch Gladbach boxt er am Freitag im Titelkampf gegen den Weißrussen Siarhei Huliakevich (38). EXPRESS hat ihn vorher getroffen.

Ünsal Arik spürt beim Boxen den Druck der Öffentlichkeit

In neun Jahren als Profi hat Arik schon alles erlebt. Er war Favorit, Außenseiter, hat elf Titel gewonnen. Doch unbeschwert kann er schon lange nicht mehr in den Ring steigen.

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„Ich bin mittlerweile eine Person der Öffentlichkeit, das Rampenlicht gibt einen gewissen Druck“, erklärt Arik vor seinem Kampf im Bergischen Löwen in Bergisch Gladbach am Freitag ab 18 Uhr.

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Ünsal Arik protestierte 2013 nach einem Kampf in der Türkei gegen Erdogan

Alles änderte sich schlagartig, als er 2013 nach einem Kampf in der Türkei mit einem T-Shirt gegen Erdogan protestierte. Dessen Anhänger stürzen sich seitdem auf ihn. Das Land gehöre Atatürk, nicht Tayyip, prangte damals auf seiner Brust. Ein Spruch, der sein Leben und seine Karriere veränderte.

Seine Heimat kann er jedoch seit drei Jahren nicht mehr besuchen, ein Haftbefehl liegt vor. Wie vielen Oppositionellen droht ihm der Knast. Der Boxer bedauert besonders die Distanz zur Familie: „Ich kann das Grab meiner Mutter nicht besuchen. Wenn mein Vater von uns gehen würde, könnte ich nicht zu seiner Beerdigung.“

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Ünsal Arik wird auch in Deutschland angefeindet

Doch auch das Leben in Deutschland ist hart. Jede erdenkliche Beleidigung habe er bereits zu hören bekommen, Bedrohungen auf der Straße gehören für ihn zum Alltag.

Freundschaften gingen zu Bruch, Verwandte distanzierten sich. Als Boxer ist er ein Kämpfer, doch ohne eine gesunde Angst geht es nicht: „Es wäre naiv, einfach rauszugehen und zu sagen: Hey, ich bin Boxer, ich zerlege alle.“

Arik sieht dennoch die guten Seiten seiner Aktion: In Deutschland machte er sich einen Namen, nutzte seine Popularität für den guten Zweck. Er setzt sich für herzkranke Kinder ein, als Veganer ist ihm außerdem Tierschutz ein großes Anliegen.

Ünsal Arik war vor seiner Box-Karriere obdachlos

Erst mit 27 Jahren startete er seine Box-Karriere, vorher war er drogenabhängig und obdachlos. Dass ihn heute Kinder um Selfies bitten und Referate über ihn halten, mache ihn stolz. „Ich bin der lebende Beweis: Es ist nie zu spät, um seine Ziele zu verwirklichen.“

Von Schwarz-Weiß-Malerei hält er trotz seiner klaren politischen Haltung wenig, den Militärgruß der türkischen Fußballer kann er beispielsweise nachvollziehen. Das Militär habe im Land einen hohen Stellenwert, um Krieg oder Frieden ginge es nicht vordergründig. „Wir wollen damit in der Türkei den Soldaten nur sagen: Wir sind bei euch, kommt wieder gesund nach Hause. Nicht mehr und nicht weniger.“

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Seine klare Linie kommt an, nicht nur bei Fürsprechern: „Viele Erdogan-Anhänger sagen mir sogar, und das ist einer der schönsten Sätze: ‚Ich hasse dich zwar, aber ich bewundere deine Ausdauer, dass du keinen Schritt zurückgehst.‘ Und die Anerkennung von jemandem zu bekommen, der nicht okay findet, was du machst, das ist wirklich schön.“

Veganer Ünsal Arik wird von Yavuz Ertürk provoziert

Auch wenn er betont, rückblickend alles wieder so machen zu wollen, haben ihn die letzten Jahre deutlich nachdenklicher gemacht: „Als ich die Politik nicht kannte, war ich ein glücklicher Mensch.“

Doch nicht nur politisch macht sich Arik angreifbar. Als Veganer ist er eine Ausnahme-Erscheinung in der Box-Szene, jüngst brachte er ein Buch über seinen Lebensstil heraus.

Als ihn am Mittwoch der bekennende Erdogan-Anhänger Yavuz Ertürk (31) provokant zu einem Kampf herausforderte, war Politik ausnahmsweise kein Thema. Ertürk baute sich vor Arik auf und knallte ihm ein rohes Stück Fleisch auf den Tisch. Klarer kann ein Statement nicht sein.

Ünsal Arik braucht einen Sieg für den Kampf gegen Yavuz Ertürk

Ihren Zwist wollen beide demnächst im Ring austragen, dafür muss Arik am Freitag aber erst Siarhei Huliakevich besiegen. Er wird als Außenseiter in den Kampf gehen, doch unbeschwert kann er auch dieses Mal nicht kämpfen.