EXPRESS-Reporter persönlichDas Leben in der „Horror-Stadt“ Bergisch Gladbach

ebel

EXPRESS-Redakteur Bastian Ebel lebt in Bergisch Gladbach. Nun ist seine Heimat deutschlandweit in den Schlagzeilen.

von Bastian Ebel (bas)

Bergisch Gladbach – Ich ergebe mich: Ich lebe in Bergisch Gladbach. Die Stadt, die sonst keiner auf dem Schirm hat. Außer, es geht um Heidi Klum. Oder Wolfgang Bosbach. Ansonsten leben dort aus Kölner Sicht „Bauern“, die den ganzen Tag Milch melken. Jetzt bin ich also Teil der „Stadt des Horrors“, auf die gerade ganz Deutschland schaut.

Bäcker oder Kiosk: Die Taten sind überall Thema

Zurecht: Ein Mann scheint der abscheuliche Kopf einer noch verbrecherischen Bande gewesen zu sein, die Kinderseelen zerstört haben. Ekel breitet sich aus. Beim Bäcker Lob im Stadtteil Gronau, wo ich Brötchen hole. „Haste gehört…“.

Bei der Tanke der Cramers, wo ich vom Kassierer darauf angesprochen werde, was wir heute wieder berichtet haben. Beim Bützler, der unverwechselbaren Veedelskneipe, einfach überall.

Alles zum Thema Heidi Klum

Missbrauch Bergisch Gladbach: Täter wohnte in der Nachbarschaft

Ein einzelner Mann bei etwas mehr als 110.000 Einwohnern hat uns also den Stempel aufgedrückt. Er wohnte dort, wo ich einst meine erste Freundin nach der Schule geknutscht habe. Wir haben dort Partys gefeiert, uns genau auf dem Spielplatz betrunken, wo seine Tochter gespielt hat.

Der Mann ist 42, ich 36. Bin ich ihm schon mal über den Weg gelaufen? Während ich die Zeilen schreibe, ergießt sich ein Gänsehaut-Schauer des Grauens über meinen Rücken. Die Bestie kommt wirklich aus meinem Bergisch Gladbach.

Der Stadt, die selbst auf Kölner Straßenschildern (Bergisch-Gladbacher-Straße) immer mit Bindestrich geschrieben wird. Das hast du nicht verdient, Gläbbisch. Die Stadt, die ohne Bindestrich trotzdem so viel Verbindendes hat:

Bergisch Gladbach: Köln im Herzen, das Bergische im Kopp

Menschen, die Köln im Herzen haben. Aber das Bergische manchmal im Kopp. Menschen, die stolz darauf sind, dass „GL“ die Weltstadt des Papiermachens war. Von wo aus Krüger nahezu alle Kaffee-Instant-Produkte in die Republik liefert.

Dort, wo man sich samstags auf dem Markt am Konrad-Adenauer-Platz trifft, um beim Stand vom Hühnerhof Steffens zehn Eier zu kaufen. Immer dieselben Gesichter. Aber irgendwie auch schön. Bergisch Gladbach ist wie Familie: Man sucht sich die Menschen nicht aus, aber man ist ein Leben lang mit ihnen verbunden.

Bergisch Gladbach: Die Familie, die man sich nicht aussucht

Das über Generationen: Meine Tochter ist im selben Kreißsaal geboren wie ich, meine Oma hat eine Etage drüber im Evangelischen Krankenhaus ihren letzten Atemzug gemacht.

Lesen Sie hier: Neuer, schlimmer Verdacht: Täter sollen Kinder getauscht haben

Dennoch: Bergisch Gladbach wird von Bergisch Gladbachern oft verleugnet. Cat Ballou und Klüngelköpp wollen heute als „Kölner“ Bands gesehen werden. Schon ok, so viele Gürzeniche haben wir nicht. Und von irgendetwas muss man ja leben.

Lesen Sie hier: Alles zu den Taten von Bergisch Gladbach

Aber Bergisch Gladbach hat den Bergischen Löwen. Den Veranstaltungsort, wo nahezu täglich Kultur gelebt wird. Die Villa Zanders mit Ausstellungen en Masse.

Aber Kultur ist jetzt Makulatur. Nach den Taten dieser Bestie. Wenn man nicht aus Bergisch Gladbach stammt, schaut man von außen eben so auf diese angebliche Horror-Stadt! Kommt man hinein, ist das vielleicht manchmal auch so. Zumindest, was die Wettbuden an der Hauptstraße angehen.

Bergisch Gladbach packt auch die Bestie

Aber hey Bestie, vielleicht liest du jetzt mit: Du schaffst uns nicht! Nicht Bergisch Gladbach. Denn du gehörst nicht dazu. Du bist nicht Waffeleisen vor dem Rathaus, Pfingstkirmes, Kirschblütenfest in Refrath, Decke Bunne Kirmes in Herkenrath oder Kölsch am Bock. Du bist einfach der Horror.

Nicht die Stadt, aus der du zufällig stammst. Sei stark, Gläbbisch. Das hältst du aus!