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Trotz HaushaltssperreKostenexplosion: Karneval fordert mehr Wahrnehmung

Auftakt zur Karnevalssession auf dem Heumarkt: Jecke feiern gemeinsam.

Kölns Jecke freuen sich auf den Start in die neue Session. Doch die Verantwortlichen machen sich große Sorgen um die Finanzierung des Brauchtums.

Eine aktuelle Studie hat belegt, welche hohe gesellschaftliche Relevanz der Kölner Karneval für die Gesellschaft hat. Gleichzeitig ist die Stadt Köln aufgrund einer Haushaltssperre gelähmt. Eine Debatte zum Thema.

Die Stadt Köln hat die Notbremse gezogen und aufgrund der angespannten Finanzlage eine Haushaltssperre für die Stadtverwaltung verhängt. Torsten Burmester muss zu Beginn seiner Amtszeit damit direkt die Überschuldung verhindern.

Wenige Tage vor dem Start in die neue Karnevalssession hat das Festkomitee diese Nachricht natürlich nicht gerne vernommen. Denn in den neuen Oberbürgermeister haben die Jecken große Hoffnungen gesetzt.

Kuckelkorn: „Der Karneval hat Not und braucht Unterstützung“

Im Zuge der Vorstellung der Studie über die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals hatte Präsident Christoph Kuckelkorn deutlich mehr Förderung und Unterstützung seitens der Stadt gefordert. Doch der sind die Hände gebunden.

Im Rotonda Business Club wurde am Dienstagabend (4. November 2025) bei einem Live-Podcast über das Thema „Wirtschaftsmotor Kölner Karneval“ gesprochen. Eine fachkundige Runde gewährte Moderator Björn Lindert Einblicke in die jecke Szene.

„Wir sind trotzdem optimistisch, dass wir mit unserer Studie nachweisen können, welchen großen Wert der Karneval für die Gesellschaft hat“, sagte Kuckelkorn. „Der Karneval hat Not und braucht Unterstützung. Und dafür werben wir. Ich bin auch zuversichtlich, dass wir Gehör finden“.

Es gehe nicht nur um finanzielle Dinge. „Wir vermissen auch den selbstbewussten Umgang mit dem Karneval. Warum bekennt sich die Stadt nicht klar dazu, dass wir hier fast schon weltweit ein Alleinstellungsmerkmal haben? Außenstehende verstehen nicht, dass in Köln jeden Tag in jedem Saal für zwei Monate der Ausnahmezustand herrscht.“

Michael Gerhold, Nici Kempermann, Tino Fastabend, Christoph Kuckelkorn und Björn Lindert stehen beisammen.

Michael Gerhold, Nici Kempermann, Tino Fastabend, Christoph Kuckelkorn und Björn Lindert (v.l.) diskutierten am Dienstagabend (4. November 2025) im Rotonda Business Club über die Lage des Kölner Karnevals.

Viele junge Menschen würden deshalb gerne in die Eventstadt Köln kommen und Firmen könnten den Standortvorteil für sich nutzen. „Das muss die Stadt mal nach vorne stellen. Das Bekenntnis wäre total wichtig und würde vielen Ehrenamtlern schon mehr geben als Geld. Jedes Jahr wird von der Stadt ein Ehrenamtspreis vergeben, es hat aber noch nie ein Karnevalist einen bekommen. Das zeigt doch, dass diese Arbeit gar nicht richtig wahrgenommen wird“, klagte der Festkomitee-Präsident.

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Wie schwierig die Lage für den organisierten Karneval ist, verdeutlichte auch Michael Gerhold, der als Präsident der Nippeser Bürgerwehr und als Geschäftsführer der Agentur Ahrens beide Seiten kennt. „Wir haben in den letzten fünf Jahren unsere Kartenpreise um über 30 Prozent erhöht, der Gewinn pro Karte ist trotzdem gesunken. Die Nebenkosten laufen uns weg“. Programme, Technik, GEMA, Security, Strom, Versicherung – die Preise würden auf allen Ebenen explodieren.

Der frühere Kölner Prinz sieht deshalb eine gefährliche Entwicklung. „Es sind schon Grenzen erreicht. Manche Mitglieder können sich die Teilnahme an den Zügen nicht mehr leisten. Unsere Rosenmontagstribüne macht ein Minus von 4000 Euro, obwohl die Karte 190 Euro kostet. Da fragt man sich schon, wie lange das noch gutgehen kann – auf allen Ebenen.“

Sängerin Nici Kempermann berichtete, dass sie es oft erlebt habe, dass Veranstaltungen abgesagt werden mussten, weil nicht genug Tickets verkauft wurden. „Viele können angesichts gestiegener Preise nicht mehr zu sechs Sitzungen gehen. Die picken sich nur noch drei heraus. Und dann bleiben einige Gesellschaften auf ihren Karten sitzen.“

Nici Kempermann: „Die Höhner oder die Bläck Fööss sind jünger als ich“

Zudem würden die Künstler-Slots auf den Veranstaltungen aus Kostengründen reduziert, ergänzte Gerhold. „Das geht dann zulasten der Vielfalt und der Nachwuchs-Förderung. Man stößt an Budgetgrenzen“. Eine Band wie Kempes Feinest habe es deshalb schwer, weil die etablierten Gruppen auch weiter im Geschäft bleiben. „Es wird an der Spitze kein Platz frei. Die Höhner oder die Bläck Fööss sind ja mittlerweile jünger als ich“, sagte Kempermann lachend.

Tino Fastabend brachte als Bereichsleiter Gastronomie der Brauerei zur Malzmühle auch noch den Aspekt der gestiegenen Bierpreise in die Debatte. „Wenn von der enorm gestiegenen Wirtschaftskraft gesprochen wird, ist es im Grunde nur ein Umsatzwechsel, weil die Kosten weitergeschoben werden. Wir schauen gespannt, welche Auswirkungen der steigende Mindestlohn 2026 haben wird. Jeder will fair bezahlt werden. Aber irgendwann ist die Preisgrenze erreicht, die der Gast noch gewillt ist, zu bezahlen“.

Trotz der schwierigen finanziellen Lage stellten alle Talkgäste nochmals die Kraft der fünften Jahreszeit heraus. „Der Karneval bietet diese Auszeit. Wie schön ist es, mal als Erwachsener ein Kostüm anzuziehen. Das versteht in Brandenburg doch keiner. Mal in eine andere Rolle zu schlüpfen, das ist total Seelen-reinigend. Gerade in der Zeit, wo jeder Tag neue Herausforderungen mit sich bringt, gibt dieses Ankerfest eine psychische Stabilität. Da sind wir im Rheinland reich beschenkt, dass wir Teil dieser Gruppentherapie-Sitzung sind“.

Ähnlich fiel auch Kempermanns Plädoyer aus: „Es ist und bleibt einfach beeindruckend, was diese Stadt auf die Beine stellt. Geld hin oder her: Welches Gefühl diese Stadt in die Welt sendet, ist so viel mehr wert. Dieses Fest ist ein Zeichen für Gemeinschaftlichkeit, Liebe und Frieden. Daher bin ich einfach nur stolz, Teil davon zu sein“.