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„Wir machen uns schon Sorgen“Spannende neue Zahlen zum Kölner Karneval

Enthüllung des neuen Sessionsmottos für den Kölner Karneval.

Das neue Sessionsmotto „Alaaf – Mer dun et för Kölle“ weist auf die Bedeutung des Ehrenamts im Karneval hin.

Eine neue Studie zeigt, wie sehr die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals gestiegen ist. Zudem zeigen Umfrage, dass das Fest enorm auf das Image der Stadt einzahlt. Daraus erhebt das Festkomitee Forderungen.

Pünktlich zum Start in die fünfte Jahreszeit wollte das Festkomitee Kölner Karneval wissen, wie das jecke Treiben in der Stadt von den Menschen wahrgenommen wird und welche Wirtschaftskraft das immaterielle Kulturgut erzeugt.

Zum dritten Mal nach 2009 und 2019 haben die Boston Consulting Group (BCG) und die Rheinische Hochschule Köln eine Studie zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Bedeutung des Kölner Karnevals erstellt.

Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals auf 850 Millionen Euro gestiegen

Bei der Präsentation am Donnerstag (30. Oktober 2025) gab es spannende Zahlen und deutliche Aussagen. Das Festkomitee erhielt perfekte „Munition“, um in die Gespräche mit dem neuen Oberbürgermeister Torsten Burmester (62) zu gehen. Zudem zeigt die Studie auch gefährliche Tendenzen.

Die wichtigste Kennzahl: Die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals hat sich gegenüber 2019 um 42 Prozent auf 850 Millionen Euro erhöht und sichert dadurch 6500 Arbeitsplätze in der Region.

„Wir sehen ein Mehr auf allen Gebieten – mehr Teilnehmer, mehr Formate, mehr Ausgaben“, sagte BCG-Direktor Dr. Dennis Utzerath. „Für die Konsumenten sind Erlebnisse wie Reisen und Events wichtig. Trotz Wirtschaftsflaute priorisieren viele diese nach oben“. Daher sei das „Bruttoinlandsprodukt des Karnevals“ um 250 Millionen Euro gestiegen. Deutlich gestiegene Kosten und Preise haben mit zu dieser Entwicklung geführt.

Über 500 Faktoren sind in die Kennzahl eingeflossen. Besonders deutlich wird die Wertschöpfung im Bereich „Touristik und Veranstaltungen“. Die Kölner Hotellerie verzeichnet mit 470.000 Übernachtungen einen Zuwachs von 72 Prozent. „Neben der Mehrwertsteuer fließt dort die Bettensteuer von fünf Prozent direkt an die Stadt“, verdeutlichte Utzerath.

Dr. Dennis Utzerath, Prof. Dr. Silke Schönert und Christoph Kuckelkorn halten eine Studie in die Kamera.

Dr. Dennis Utzerath, Prof. Dr. Silke Schönert und Christoph Kuckelkorn (v.l.) präsentierten die Studie zur Wirtschaftskraft und der Wahrnehmung des Kölner Karnevals.

Neben den nackten Zahlen präsentierte Professorin Silke Schönert auch die Ergebnisse, welches Image der Karneval habe. 5460 Personen gaben entweder bei einer Online-Umfrage oder bei einer Straßen-Befragung Auskunft. „Der Karneval hat eine sehr hohe gesellschaftliche Relevanz und zahlt stark auf das Image der Stadt ein, weil es ein Alleinstellungsmerkmal von Köln ist“, sagte die Studiengangsleiterin.

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Bei der letzten Studie habe der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung noch stark auf Problemen wie Müll, Alkohol und Lärm gelegen. Inzwischen sei das Brennpunktthema Zülpicher Straße nicht mehr so relevant. Der Karneval sei vielmehr ein wichtiger Anker, der Gemeinschaft, Freundschaft und Zugehörigkeit stifte. „Deshalb wurde besonders der Wunsch formuliert, dass die Stadt sich mehr beteiligen soll. Angebote statt Ausweichflächen wurden oft gefordert“, sagt Schönert.

Kölner Karneval in Zahlen

  1. Bruttowertschöpfung: 850 Millionen Euro
  2. Ehrenamtler: 30.000
  3. Besucherinnen und Besucher bei den Umzügen: 2,1 Millionen
  4. Besucherinnen und Besucher bei den Sitzungen: 1 Million
  5. Übernachtungen in der Stadt: 470.000
  6. Kostüme: 1,6 Millionen
  7. Spenden: 2 Millionen
  8. Orden: 120.000

Nur sechs Prozent der Befragten sehen das bisherige Engagement der Stadt als ausreichend an, rund 30 Prozent wünschen sich mehr Einsatz seitens der Verwaltung. Diese Kennzahlen spielen dem Festkomitee natürlich in die Karten. „Wir brauchen Förderung und Unterstützung, beispielsweise beim Bürokratieabbau bei Straßen- oder Saalveranstaltungen“, forderte Präsident Christoph Kuckelkorn (61). „Wir müssen aus der Vollkaskomentalität raus“.

Die präsentierten Zahlen sorgten beim Kölner Ober-Karnevalisten aber auch noch für eine andere Erkenntnis. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir an diesem enormen Wachstum partizipieren können. Vieles fließt am organisierten Karneval, der von mehreren Zehntausend Ehrenamtlichen getragen wird, vorbei. Bei uns landet weniger als ein Prozent dieses Umsatzes“.

Blick in den Gürzenich bei einer Karnevalssitzung.

Ein Besuch einer Karnevalssitzung, wie hier im Gürzenich, kann eine kostspielige Angelegenheit werden.

Zudem sorgen die extremen Kostensteigerungen in den Bereichen Personal, Security, Produktion und Gebühren dafür, dass die Jecken immer tiefer ins Portemonnaie greifen müssen und dadurch belastet werden. „Der Karneval darf kein elitäres Erlebnis werden. Wenn es sich keiner mehr leisten kann, dann haben wir ein großes Problem“, sagt Kuckelkorn. „Daher müssen wir genau darauf achten, was für die Menschen noch leistbar ist. Das darf nicht überreizt werden“.

Das Festkomitee hat deshalb auch das Projekt „Alaaf 2040“ aufgestellt. „Wir machen uns schon Sorgen“, sagt der Präsident. „Wo geht der Karneval hin? Wir sehen einige kommerzielle Entwicklungen mit Sorgen, auch wenn immer noch ein großer Unterschied zum Oktoberfest besteht. Diese neuen Erkenntnisse sind auf jeden Fall eine wichtige Messlatte für unsere Arbeit“.

Damit die Schere nicht noch weiter auseinander gehe, bräuchte es nun kreative Lösungsansätze. Kuckelkorn: „Wir müssen gerade das nicht-kommerzielle Brauchtum langfristig mit einer sicheren Finanzierung aufstellen. Diese Aufgabe wollen wir mit der neuen Stadtspitze in Angriff nehmen.“