Ihre Stimme kennen alle Bundesliga-FansSabine Töpperwien muss in Rente gehen

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Die Tribüne war ihr Arbeitsplatz. Sabine Töpperwien, hier im Dezember 2019 in Köln beim Spiel gegen Leverkusen, hört vorzeitig auf.

Köln – „Toooooor in Leverkusen“! Ihre Rufe in der Bundesliga-Konferenz sind markant. Sabine Töpperwien (60) ist seit Jahrzenten eine der bekanntesten Radiostimmen der Bundesliga. Doch nun legt sie das Mikro zur Seite. Nach über 700 kommentierten Fußballspielen und 34 Jahren im Livesport ist für die Sportjournalistin am 1. Februar überraschend Schluss.

  • Sabine Töpperwien muss aus gesundheitlichen Gründen in den vorgezogenen Ruhestand gehen
  • Die Reporterin des WDR übertrug über 700 Fußballspiele
  • Die Schwester von Rolf Töpperwien erzählt von den Anfängen in der Männerdomäne

Im WDR-Podcast „Einfach Fußball“ ließ Töpperwien am Donnerstag (21. Januar) die Überraschung raus, dass sie in den vorgezogenen Ruhestand gehen muss. „Der Zeitpunkt ist reif und gekommen. Mein Körper hat gesprochen. Meine Seele und mein Geist sind immer noch willig und verlangen nach weiteren geilen Fußballspielen. Aber mein Körper hat seit Frühjahr 2020 einige Handbremsen angezogen“, erzählte Töpperwien ihrem Kollegen Sven Pistor (48).

Gesundheitliche Gründe zwingen Sabine Töpperwien zum Aufhören

„Ich habe eine chronische Nerven- und Sehnenentzündung in beiden Armen. Die Ursache soll die immer mehr zunehmende Computerarbeit sein. Bei uns werden 80 Prozent der täglichen Arbeit am Computer abgewickelt, dem kann ich nicht mehr gerecht werden. Daher höre ich lieber jetzt auf.“

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Töpperwien hat eine durch und durch sportliche Karriere hinter sich. Als Tischtennisspielerin spielte sie mit dem ASC 1846 Göttingen Anfang der 1980er-Jahre in der 2. Bundesliga. Doch ihr Herz hing schon immer am Fußball. Als 13-Jährige kommentierte sie mit dem Ende eines Springseils Spiele wie Eintracht Braunschweig gegen Bayern München.

Zum Sportjournalismus kam sie durch ihre Familie; ihr Bruder Rolf Töpperwien (70) war bereits Fußballreporter beim ZDF. „Ich bin mit ihm zu den Spielen gefahren, habe die Ecken gezählt, ihn beobachtet. Ich wusste, dass ich auch in diesen Beruf möchte. Allerdings fand ich die Live-Berichterstattung weitaus spannender als die Zusammenfassung von Spielen, bei denen man abends um 23 Uhr auf Spannung macht, nach dem Motto: ,Mal sehen, was jetzt passiert.´ Dabei erfolgte der Abpfiff in Wirklichkeit schon um 17.18 Uhr. Wir sind im Radio die Kamera für unsere Hörer und zudem das Stimmungsbarometer. Dann wollen die Hörer, dass ich emotional werde.“

Der Start als Sportreporterin in einer Männerdomäne war 1985 allerdings schwierig. „Ich hatte ein abgeschlossenes Studium in Sportwissenschaften und ein Praktikum absolviert. Beim Vorstellungsgespräch beim NDR sagte ich, dass ich mich am besten im Fußball auskenne. Die Chefs schauten mich aber ungläubig an und sagten mir, ich solle lieber rhythmische Sportgymnastik übertragen.“

Otto Rehhagel und Christoph Daum ließen Sabine Töpperwien abblitzen

Mit Vorurteilen musste Sabine Töpperwien – trotz ihres berühmten Bruders – oft kämpfen. „Ich habe einmal Otto Rehhagel am Trainingsplatz angesprochen. Er erwiderte nur: Sie wollen sich mit mir über Fußball unterhalten? Sie haben doch noch nie den Schweiß einer Kabine gerochen. Da habe ich gesagt: Sie können mich ja gerne mal einladen. Drei Jahre später hat er dann mit mir gesprochen, nachdem seine Frau Beate mich im Radio gehört hatte. Auch Christoph Daum sagte bei einem Gesprächsversuch lediglich: Schicken sie mir lieber ihren Bruder.“

Bruder Rolf Töpperwien half ihr beim Start in der Männerdomäne

Die ZDF-Reporter-Legende gab seiner Schwester die entscheidenden Hinweise. „Mein Bruder sagte: Wenn du zartbesaitet an den Job gehst, suche dir was anderes. Das ist eine Schlangengrube. Sie achten auf jedes falsche Wort und jeden Fehler. Ein Mini-Fehler einer Frau ist schlimmer als ein großer von einem männlichen Kollegen.“

1989 wurde Töpperwien vom WDR fest eingestellt und war die erste Frau, die regelmäßig in der ARD-Bundesligakonferenz berichtete. Seit 2001 ist sie Sportchefin von WDR 2, dem Radiosender, der federführend für die Bundesligaübertragung ist. „Die Kritik der Hörer war anfangs meist auch nur polemisch. Es ging nicht um sachliche Fehler, sondern eher darum, dass ich zurück in die Küche gehen solle“, gesteht sie. „Ich glaube auch weiterhin, dass deshalb in den nächsten 20 Jahren nie eine Frau ein WM- oder EM-Finale kommentieren darf.“

Doch das hat sie bald nicht mehr zu interessieren. „Ab dem 1. Februar bin ich Rentnerin: Ich gehe mit einem weinenden und lachenden Auge. Die Radioredaktion ist zu meiner zweiten Familie geworden. Aber ich konnte mir alle Träume erfüllen. Ich habe die Welt entdeckt, fantastische Fußballspiele übertragen, war bei zwölf Olympischen Spielen. Jetzt ist meine Mission erfüllt.“

Sabine Töpperwien ist Anhängerin des FC Bayern München

Als Anhängerin des FC Bayern zählt der Einsatz beim Champions-League-Finale im Mai 2013 gegen Dortmund in Wembley zu ihren Highlights. „Das war eine absolute Perle. Ein deutsch-deutsches Finale in diesem Stadion – das war die Erfüllung meines Fußball-Herzens. Ich bin mit der Ära Maier, Müller, Beckenbauer aufgewachsen. Wenn man ein Fußball-Fan ist, wechselt man im Leben nie seinen Klub.“   

Aber die Journalistin hat auch andere Momente „on air“ meistern müssen. „Ich habe auch die Schattenseiten kennen gelernt, als ich in Dortmund eingesetzt war zum Spiel gegen Monaco, dass nicht angepfiffen wurde aufgrund des Anschlags auf den BVB-Bus. Ich fühlte mich wie eine Kriegsreporterin. Keiner wusste, was dahintersteckt, ob es Tote gegeben hat. Ich wusste nur, dass ich live für Millionen kommentieren musste, ohne genau zu wissen, was passiert ist.“

Doch jetzt ist sie „nur“ noch Zuhörerin. „Fußball ist und bleibt meine Leidenschaft. Einen Samstag ohne Bundesliga im Radio kann ich mir nicht vorstellen. Ansonsten bleibt nun endlich Zeit für meine Hobbys wie meinen Garten oder das Reisen – nach Corona. Und das Wichtigste: Meine Vorbereitungen zum 95. Geburtstag meiner Mutter in gut zwei Jahren können jetzt in aller Ruhe beginnen.“