KommentarBerlin-Jubel in der Relegation: Vorsicht, Hertha! Das war der letzte Warnschuss

Fredi Bobic steht im Berliner Olympia-Stadion

Auf Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic kommt bei Hertha BSC viel Arbeit zu. Hier ist der Sport-Boss der Berliner am 19. Mai 2022 beim Relegations-Hinspiel gegen den HSV zu sehen.

Hertha BSC hat die letzte Chance auf den Bundesliga-Verbleib in der Relegation gegen den HSV genutzt. Doch die Rettung sollte für Klub und Management ein allerletzter Warnschuss gewesen sein. Ein Kommentar.

von Anton Kostudis (kos)

Hertha BSC spielt auch in der kommenden Saison im deutschen Fußball-Oberhaus. Mit einem 2:0-Erfolg beim HSV zogen Felix Magath (68) und sein Team am Montagabend (23. Mai 2022) den Kopf doch noch aus der Schlinge, feierten über die Relegation den Bundesliga-Verbleib. Doch bei aller Freude über die Rettung: Sie sollte für Klub und Management ein allerletzter Warnschuss gewesen sein, findet unser Autor. Ein Kommentar.

Jubel, Freude, vor allem aber riesige Erleichterung – den meisten Hertha-Fans dürften am späten Montagabend gleich kiloweise Steine vom Herzen gefallen sein. Mit einer abgebrühten Vorstellung beim HSV hatten sich die Berliner um Coach Felix Magath doch noch den Bundesliga-Verbleib gesichert, ein 2:0 im Rückspiel machte das 0:1 aus dem ersten Duell vergessen. Entsprechend gelöst war die Stimmung in der Hauptstadt.

Allerdings: Ein „Weiter so“ darf es bei der Hertha nach der Relegations-Rettung nicht geben, unzählige Probleme müssen die Berliner schleunigst in den Griff bekommen. Ansonsten droht auch in der kommenden Spielzeit wieder Abstiegskampf.

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Viele Probleme bei Hertha BSC nach Relegations-Rettung

Insbesondere auf Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic (50) wartet viel Arbeit. Nicht nur braucht die Hertha nach dem bereits fixen Abschied des Retter-Trainers Magath einen neuen Coach, auch der Kader benötigt dringend eine Runderneuerung. Dabei besteht in allen Mannschaftsteilen Handlungsbedarf: In der Offensive fehlt ein Stürmer, der zuverlässig und zweistellig trifft. Ein Kriterium, das Profis wie Davie Selke (27, fünf Saisontore), Marco Richter (24, sechs), Ishak Belfodil (30, sechs), aber auch „Top-Torjäger“ Stevan Jovetic (32, sieben Treffer) in der abgelaufenen Saison nicht erfüllen konnten.

Herthas Cheftrainer Felix Magath gibt Kevin-Prince Boateng am Spielfeldrand Anweisungen

Felix Magath (l.) im Gespräch mit Kevin-Prince Boateng während des Relegations-Rückspiels von Hertha BSC beim Hamburger SV am Montag (23. Mai 2022).

Die Zukunft von Magaths „Führungsspieler“ Kevin-Prince Boateng ist zudem noch unklar. Der exzentrische Profi würde wohl gerne bleiben, ist aber bereits 35 Jahre alt – und war nach seiner Rückkehr nach Berlin oft nur fit für sporadische Einsätze. Hinten wiederum strahlte Kapitän Dedryck Boyata (31) in der Innenverteidigung nur selten die nötige Ruhe und Stabilität aus. Fakt ist somit: Bobic muss auf dem Transfermarkt liefern!

Den eigenen sportlichen Ansprüchen hinkt der Klub ohnehin schon länger meilenweit hinterher. Die Vormachtstellung in der Hauptstadt musste Hertha BSC längst an Lokal-Rivale Union abtreten, der in dieser Saison den Sprung in die Europa League schaffte. Und großes Spektakel gibt es bei der Hertha auf dem Platz sowieso nicht mehr zu sehen. Vielmehr steht der selbst ernannte „Big City Club“ seit Jahren für biederen Rumpel-Fußball.

In der Schlussphase der Saison brachen die Fans dann sogar offen mit dem Team, zwangen die Spieler nach der 1:4-Schlappe im Derby gegen Union, ihre Trikots auszuziehen. Eine Demütigung! Und ein Riss, der so einfach nicht zu kitten sein dürfte – erfolgreiche Relegation hin oder her.

Hertha BSC: Führungs-Chaos und Investoren-Zoff

Doch auch neben dem Platz brennt es bei den Berlinern immer wieder lichterloh. Vor allem der Einstieg des Investors Lars Windhorst (45) vor drei Jahren scheint immer mehr zum teuren Missverständnis zu werden. Mehr als 370 Millionen Euro hat der Unternehmer seit 2019 in die Hertha gepumpt. Das Geld sei jedoch schlichtweg „verbrannt“ worden, motzte Windhorst zuletzt – und zoffte sich ordentlich mit Klub-Präsident Werner Gegenbauer (71). Letzterer soll dann Stunden nach der Bundesliga-Rettung die Reißleine gezogen haben und zurückgetreten sein. Hertha dementierte das. Allerdings droht Gegenbauer auf der anstehenden Mitgliederversammlung am kommenden Sonntag (29. Mai) sowieso die Abwahl. Mehrere entsprechende Anträge wurden eingereicht.

Auch Finanzchef Ingo Schiller (56) soll hingeschmissen haben. Im vergangenen Jahr war bereits CEO Carsten Schmidt (58) aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Bobic wäre damit einzig verbliebener Geschäftsführer bei der Hertha. Wer künftig die Geschicke des Vereins an vorderster Front leitet, ist daher völlig ungewiss.

Klar ist unterdessen: Ob Management oder Mannschaft – Hertha BSC steht vor einem Neuanfang. Dabei muss der Klub zwingend und endlich die richtigen Entscheidungen treffen. Die geglückte Rettung in der Relegation war diesbezüglich der wirklich allerletzte Warnschuss.