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Trainer Preußer im Exklusiv-Interview„Fortunas Größe ist schon beachtlich!“

Fühlt sich im August 2021 sichtlich wohl bei Fortuna Düsseldorf: Trainer Christian Preußer (37).

Fühlt sich im August 2021 sichtlich wohl bei Fortuna Düsseldorf: Trainer Christian Preußer (37).

Seit fast genau zwei Monaten ist Christian Preußer (37) Trainer von Fortuna Düsseldorf. Im Interview mit EXPRESS verrät er, was ihn beim Fußball-Zweitligisten überrascht hat, warum Systeme im Fußball überschätzt werden und dass er auch emotional ausrasten kann – positiv wie negativ.

von Patrick Scherer ()

Düsseldorf. Vor dem Auswärtsspiel beim 1. FC Nürnberg am Samstag (13.30 Uhr) traf sich Christian Preußer (37) mit EXPRESS in einer Arena-Loge zum persönlichen Gespräch.

Herr Preußer, Sie haben aus Freiburger Zeiten ein gutes Verhältnis zu Christian Streich. Wie oft mussten Sie ihn denn zuletzt schon um Rat fragen? Preußer (lacht) Wir tauschen uns schon noch aus und werden uns auch verbunden bleiben, weil wir eine echt gute Zeit hatten. Aber es gab jetzt keinen Anruf bei ihm, um einen Ratschlag zu bekommen. Ich verfolge natürlich auch noch was die Freiburger Teams machen. Cool wäre, wenn wir irgendwann mal gegeneinander spielen. Bald kommt ja die Pokal-Auslosung…

Christian Preußer findet Union Berlin cool

Sie verfolgen also noch Freiburg. Haben Sie eigentlich einen echten Lieblingsklub, den Sie noch aus Ihrer Jugend mitschleppen? Preußer Ich komme ja aus Berlin. Da ist die Gretchenfrage: Hertha oder Union? Ich finde Union schon cool. Ich war da auch öfter an der Alten Försterei, als noch Tafeln das Ergebnis anzeigten. Dann war ich noch mit ein paar Kumpels einige Male in England, um Premier-League-Spiele zu gucken. Everton ist mir da ein bisschen hängengeblieben. Aber einen echten Lieblingsverein habe ich nicht.

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Also nach einem Fortuna-Spiel schauen Sie zuerst aufs Freiburg-Ergebnis? Preußer Ja, aber das dreht sich jetzt! Unsere Fortuna II startet am Samstag in die Saison - mittlerweile ist also die Regionalliga West bei meiner App weiter oben (lacht).

Klaus Allofs und Uwe Klein hatten bei der Trainersuche einige Namen auf ihrem Zettel. Die Shortlist war am Ende: Miroslav Klose, Mark van Bommel und Christian Preußer. Wie fühlt es sich an, dass aus diesem Trio jetzt Sie hier sitzen? Preußer Unabhängig von den Namen fühlt sich das richtig gut an, Trainer von Fortuna Düsseldorf zu sein. Klar hat sich der Klub nicht nur mit Christian Preußer beschäftigt. Es sind viele Trainer auf dem Markt, hier kamen bestimmt auch eine Menge Bewerbungen rein. Aber im Laufe der Gesprächs-Serie hatte ich schon das Gefühl, dass das zwischen Fortuna und mir gut zusammenpassen würde, und am Ende sitze ich jetzt hier.

Sie sind jetzt fast genau zwei Monate hier. Welchen Eindruck macht Fortuna als Klub auf Sie? Preußer Man merkt an allen Ecken und Enden, dass es ein Traditionsverein ist. Man sieht so viele Fortuna-Flaggen am Straßenrand, Aufkleber auf den Autos, eine Straßenbahn mit Fortuna-Logo. Es ist schon toll, dass der Klub in der Stadt so präsent ist. Fortuna ist ein echter Traditionsverein – mit allem, was dazu gehört. Die Emotionen gegen Bremen waren beeindruckend. Wir müssen gucken, dass wir diese Emotionen zulassen, sie aber auch austarieren. Die Ausschläge dürfen in beide Richtungen nicht zu extrem werden. Wenn wir ein bisschen die Mitte halten, können wir hier gut arbeiten.

Erfurt, Freiburg, Fortuna - nur Erfahrungen mit Traditionsklubs

Diese heftigen Ausschläge sind ja eines der klassischen Phänomene bei Traditionsklubs. Erfurt, Freiburg, Fortuna – das sind alles Klubs mit Geschichte. Können Sie überhaupt etwas mit einem Retortenverein anfangen? Preußer Ich habe ja bisher nur Erfahrungen mit Traditionsklubs gemacht. Und die waren durchaus gut.

Wie bewerten Sie denn die Arbeitsmöglichkeiten bei Fortuna? Preußer Es macht wirklich Spaß. Wir können in Ruhe arbeiten, ich bin sehr glücklich mit meinem Trainer- und Funktionsteam und fühle mich sicher in dem, was ich mache. Das habe ich aber auch so erwartet. Ich hatte mich bereit gefühlt für den nächsten Schritt. Das hat sich in den ersten Wochen bestätigt.

Fortuna ist einfach ein großer Verein
Christian Preußer

Was hat Sie bei Fortuna bisher überrascht? Preußer Die Größe des Vereins ist schon beachtlich. Gucken Sie sich das Stadion an. Hier laufe ich jeden Tag durch, sehe die Kabine, die Gänge. Fortuna ist einfach ein großer Verein. Es gibt so viele Abteilungen - ich konnte noch gar nicht alle Mitarbeiter kennenlernen. Das war in Freiburg doch anders. Und das mediale Interesse ist hier sehr hoch, es wird viel bewertet. Gegen Bremen musste ich während des Aufwärmens zwei TV-Interviews geben. Das ist tatsächlich neu für mich, gehört aber dazu und macht Spaß. Ansonsten war ich wirklich sehr gut auf den Verein vorbereitet. Ich ziehe ein positives Mini-Fazit.

Haben Sie die Interviews vor dem Spiel etwa aus ihrem Ablauf herausgebracht? Preußer (lacht) Nein, es ist genau andersrum: Ich als Trainer habe zu diesem Zeitpunkt meinen Job, was die Spielvorbereitung angeht, erstmal erledigt, dann hat man beim Aufwärmen eher Leerlauf. Die Interviews haben also geholfen, die Zeit bis zum Anpfiff gut zu überbrücken.

Sie wirken in Gesprächen eher sachlich. Es gibt aber dieses tolle emotionale Foto von Ihnen beim 2:2-Treffer gegen Bremen. Können Sie also auch – positiv wie negativ – ausrasten? Preußer Wenn ich von Spielern Emotion erwarte, muss ich das vorleben. Zum Beispiel bei der Kabinenansprache vor dem Spiel. Ich bin schon ein emotionaler Typ. Übrigens: Es gibt noch ein gutes Bild von dieser Szene von der Gegenseite. Da sieht man, dass die ganze Bank nach vorne rennt, inklusive der Spieler, die nicht gespielt haben. Wenn wir das dauerhaft hinbekommen, haben wir schon viel gewonnen.

Wenn Sie dann negative Emotionen ausleben: Wie sieht das aus? Schreien Sie, werfen Sie Dinge an die Wand? Preußer (lacht) Die Spieler erkennen schon, wenn mir Dinge nicht gefallen. Das kam in den vergangenen Wochen auch mal vor. Da habe ich dann automatisch eine andere Körpersprache. Ich kann dann auch lauter werden. (lacht)

Christian Preußer steht auf Gegenpressing

Was halten Sie eigentlich von Matchplänen? Wie starr dürfen die sein? Preußer Allein das Wort hört sich schon falsch an. Als müsste man diesen Plan dann auf Biegen und Brechen durchziehen. Wir haben natürlich auch eine Vorstellung, aber am Ende geht es darum: Wie kommen wir am besten in die Zweikämpfe, und wie gewinnen wir sie dann? Das kann von Gegner zu Gegner unterschiedlich sein. Und dann müssen wir noch wissen, wie wir es im Spielaufbau machen wollen. Aber meine generelle Idee des Gegenpressings ist unabhängig von Systemen: Wenn wir den Ball verlieren, wollen wir ihn möglichst schnell wiederhaben. Die Spieler treffen dann die Entscheidungen auf dem Platz. Ich kann als Trainer nur Hilfestellungen geben, wo es vielleicht Räume gibt. Aber wenn es der Gegner anders macht als erwartet, darf nicht alles wie in einem Kartenhaus zusammenfallen und die Spieler gucken mich dann an: „Was machen wir jetzt, Trainer?!“ Die Spieler sind für ihre Leistung verantwortlich. Ich ermutige sie darin, ihre Entscheidungen eigenständig zu treffen. Wir geben ihnen natürlich Lösungsmöglichkeiten für verschiedene Szenarien mit, aber das dürfen nie starre Vorgaben sein.

Ist für Sie dann bei Transfers besonders wichtig, dass Spieler flexibel sind und gute, eigene Entscheidungen treffen können? Preußer Ja, aber diese Qualitäten sind schwer im Video zu erkennen, weil wir nicht wissen, welche Aufgabe der jeweilige Trainer dem Spieler mitgegeben hat. Man muss also den Spieler persönlich kennenlernen, wissen, wo er herkommt, was er will. Darauf kommt es in der Kaderplanung an. Es gibt aber auch klare Profile für Spieler, die dann nur eine Position spielen können.

Sie haben jetzt in drei Spielen 4-3-3, 4-4-2, 4-2-3-1 gespielt. Welche Bedeutung haben Grundordnungen ganz generell für Sie? Preußer Sie sind nicht so wichtig. Bei TV-Übertragungen sieht man Grafiken mit einer Grundordnung und deshalb verstehe ich natürlich, dass man darüber diskutiert. Es ist doch auch cool, wenn Leute sagen: „Boah, hätten wir mal lieber mit zwei Stürmern gespielt“. Aber: Man kann mit zwei Stürmern zurückgezogen defensiv spielen und mit einem Stürmer super-offensiv. Deshalb sehe ich persönlich diese Verknüpfung zwischen System und Spielweise nicht.

Sie sind mit einer offensiven Spielidee gekommen. Wie starr darf die sein? Können Sie Ihre Spielidee mit jeder Mannschaft der Welt umsetzen? Preußer Ich will schon, dass wir mutig sind und nach vorne spielen. Bisher kann sich die Anzahl der geschossenen Tore auch sehen lassen. Die Spielidee hat ein paar Grundsätze: Gegenpressing, Innenverteidiger, die das Spiel antreiben, einen Torhüter, der Spielqualität mitbringt, die Sechser sollen mehr nach vorne spielen. Aber: Wenn man mal ein paar Spiele hintereinander verlieren sollte, ist es auch eine Frage des Selbstvertrauens, ob man so weiterspielen kann. Deshalb kann ich nicht versprechen, dass wir die ganze Saison voll pressen werden. Wenn Mannschaften wie Schalke kommen, müssen wir auch aufpassen, dass wir nicht ins offene Messer laufen. Das haben wir schon auf dem Schirm. Auch da braucht es Flexibilität.

Beim SC Freiburg gerne im 3-4-3 spielen lassen

Was haben Sie gedacht, als Sie sich den Fortuna-Kader vor ihrem Start angeschaut haben? Preußer Gut, dass das Team zum Großteil schon lange zusammenspielt. Es gab keinen großen Umbruch. Das ist ein Vorteil. Das merkt man auch im Training, es ist ein guter Teamgeist zu spüren. Sie sagen sich auch klar die Meinung, es gibt Reibung, das ist wichtig. Dazu kamen Verstärkungen, die wir wirklich gebraucht haben. Letztes Jahr in Freiburg habe ich 3-4-3 spielen lassen, hier fehlt dazu momentan ein Innenverteidiger. Später können wir das auch spielen. Der Kader ist flexibel.

Wie würden Sie den Charakter des Kaders beschreiben? Preußer Aufgeschlossen. Die Mannschaft ist lernbereit. Und die Spieler können sich gegenseitig etwas gönnen. Wir haben schon Konflikte aufgrund der Konkurrenzsituation, aber das ist alles im Rahmen. Es gibt keinen Neid. Obwohl das manchmal sicher schwerfällt.

Wenn wir bei Talenten sind: Wie groß ist die Chance, Daniel Bunk (17) oder David Savic (16) schon in dieser Saison in einem Profi-Pflichtspiel zu sehen? Preußer Das ist möglich. Ich will das nicht ausschließen. Wir müssen nur aufpassen, dass wir die Jungs nicht überladen. Es sind gute talentierte Jungs, die ich gerne ein wenig mehr von der Öffentlichkeit weghalten möchte – was hier aber kaum möglich ist (lacht). Das ist vielleicht noch etwas, was mich bei Fortuna überrascht hat. Wenn in Freiburg mal ein U17- oder U19-Spieler bei den Profis mittrainiert hat, war das nicht so ein großes Thema. Das ist schon anders in Düsseldorf.

Das liegt vielleicht an der Sehnsucht hier, dass eigene Talente den Sprung zu den Profis schaffen… Preußer Das ist ein interessanter Punkt. Wir müssen solche Talente nur gut behüten und sensibel sein. Klar, kann es sein, dass die beiden Jungs in dieser Saison schon mal einen Einsatz bekommen, oder zumindest mal auf der Bank sitzen. Aber: Wenn das nicht passieren sollte, ist dennoch alles in Ordnung! Dann passiert es eben nächste oder übernächste Saison. Da bitte ich dann schon um Ruhe und Besonnenheit.

Christian Preußer geht gerne in Kaiserswerth essen

Abschließend: Sie haben gesagt, Sie wollen nicht viel Privates preisgeben. Trotzdem gehört das ja irgendwie zum Geschäft dazu. Also: Was machen Sie denn, wenn Sie nicht gerade an Fortuna denken? Preußer (lacht) Ich bleibe dabei, dass ich mein Privatleben aus der Öffentlichkeit heraushalten möchte. Aber natürlich gehe ich mal in Kaiserswerth spazieren oder etwas essen. Und bei einem Buch oder einer Serie im TV kann ich mich auch sehr gut entspannen. Nichts Spektakuläres also – und dabei würde ich es auch gerne belassen (lacht).