Nöte der Bundesliga-Manager vor dem Deadline DayEinzige Hoffnung: Der Mangel der anderen

Sasa Kalajdzic gelang der Ausgleich zum 1:1 für den VfB Stuttgart gegen Bayer Leverkusen.

Sasa Kalajdzic wird dem VfB Stuttgart künftig fehlen, er wechselt vor dem 1. September 2022 in die Premier League.

Viele Bundesliga-Klubs müssen ihre Stars ziehen lassen. Wirtschaftlich haben sie keine Alternative. Darunter leidet auch die Qualität der Bundesliga. Eine Analyse.

von Alexander Haubrichs (ach)

Immer weniger Spannung vor dem Deadline Day, stattdessen viel Mut zur Lücke. Die Qualität der Bundesliga leidet unter der wirtschaftlich angespannten Situation vieler Klubs.

Ob beim 1. FC Köln, Schalke 04 oder dem VfB Stuttgart. Ob in Bremen, Bochum oder Berlin. Überall diskutieren die Fans heiß: Deckt sich unser Kader mit den anvisierten Zielen? Kann er die Belastungen dieser ungewöhnlichen Saison mit vielen englischen Wochen bis zur WM-Pause überstehen? Und warum werden wir nicht aktiv?

1. FC Köln reagiert auf Notsituation in der Abwehr

Bis zu den Serien-Verletzungen beim 1. FC Köln am vergangenen Sonntag galt zum Beispiel die Devise von Sportchef Christian Keller (43), dass man mit den vorhandenen Spielern in die Conference League-Saison gehen wollte. Ein Satz von Trainer Steffen Baumgart (50), der seinen Top-Stürmer Anthony Modeste (34) ziehen lassen musste, vor dem Spiel gegen Stuttgart ließ da allerdings aufhorchen. „Wir vertrauen diesen Spielern und dann schauen wir, wie lange das reicht.“

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Eine Partie später war die Not schon groß, wären die Verletzungen einen Spieltag später passiert, hätte man nicht mehr reagieren können. Das zeigt, wie groß die Not bei vielen Bundesligisten ist. Immer noch leiden Klubs wie Schalke, Köln, Berlin oder Bremen und wirtschaftlichen Fehlentscheidungen, sportlichem Misserfolg aus Vorjahren und den Belastungen der Corona-Pandemie.

So lässt der VfB Stuttgart kurz vor Transferschluss seinen Sturm-Star Sasa Kalajdzic (25) nach England ziehen, steht nach der Roten Karte von Luca Pfeiffer (26, drei Spiele Sperre) erst mal ohne Stürmer da – und könnte auch noch Außenbahn-Mann Borna Sosa (24) verlieren. Dabei sah man schon in Köln, welche Probleme die Mannschaft vor dem gegnerischen Tor hat.

Auch der 1. FC Köln hat nach dem Abgang von Anthony Modeste (34) mit Steffen Tigges (24) und Florian Dietz (24) zwar zwei Hoffnungsträger, ob die aber dauerhaft Bundesliga-Qualität haben, muss sich erst zeigen. Der FC Schalke 04 verliert mit 1:6 gegen Union Berlin – und kann trotzdem nicht anders, als mit Malick Thiaw (21) den besten Abwehrspieler zur AC Mailand ziehen zu lassen.

Auch bei anderen Klubs ist klar: Kommt eine lukrative Offerte, sind bis auf wenige Ausnahmen kaum Bundesliga-Vereine in der Lage, Transfereinnahmen abzulehnen. Das zeigt auch ein Blick auf die Transferbilanzen: Nur der FC Bayern München, Dortmund und Europa-League-Sieger Eintracht Frankfurt sowie die „Plastik-Klubs“ Augsburg, Wolfsburg und Leverkusen können sich eine negative Transferbilanz wirklich leisten. Viele andere sind auf Einnahmen angewiesen.

Bundesliga international kaum konkurrenzfähig

International konkurrenzfähig ist man so nicht. Vor allem die Premier League bricht wieder alle Rekorde, mit 1,8 Milliarden Euro Transferausgaben gaben die Klubs mehr aus als je zuvor in einem Sommer-Transferfenster. Das zieht Stars wie Erling Haaland (22) und Darwin Nunez (23) an, aber auch viele andere Klasse-Spieler sorgen für eine breite Qualität im englischen Spitzenfußball bis runter in die zweitkassige Championship.

Die Bundesliga ist da chancenlos, muss andere Lösungen finden. Einigen Managern bleibt aber auf dem Weg wirtschaftlicher Genesung nur der Mut zur Lücke. Die größte Hoffnung der Klubs sind dabei die Mängel der anderen. Denn bei allen Unzulänglichkeiten wird bei einem Blick nach rechts und links deutlich: Es gibt durchaus Anlass zur Hoffnung, dass man irgendwie durchkommen und mindestens drei Mannschaften hinter sich lassen kann – trotz quantitativ und qualitativ dünner Besetzung.

So überstand der 1. FC Köln bereits vier Spieltage ohne eigene Niederlage, verschaffte sich schon einen Puffer nach unten. Mit geringen Mitteln kommt das Team von Steffen Baumgart zu Erfolgen, wirtschaftlich kann der FC so gesunden. Andere Klubs verfolgen eine ähnliche Strategie. Für wen die aufgeht, werden erst die kommenden Monate zeigen.