„Panflöten-Spieler unserer Zeit“Kommentar zur neuen Stadion-Unsitte: Weg mit den Trikot-Bettlern

Fans fordern mit Plakaten nach dem Spiel die Trikots ihrer Lieblingsspieler.

Leider inzwischen Alltag in den Arenen. Wenn die Spieler, wie hier am 26. März 2022 nach dem Israel-Spiel auf ihre Ehrenrunde gehen, betteln die Fans um Trikots.

Es gibt einen neuen nervigen Trend in den Fußballstadien. Inzwischen nehmen zahlreiche Fans Kartons mit, auf denen sie ihre Lieblingsspieler um Trikots anbetteln. Ein Kommentar zu dieser Unsitte.

von Marcel Schwamborn (msw)

Ausdauer hatten die jungen deutschen Fans durchaus. Bis kurz nach Mitternacht warteten zahlreiche von ihnen an der Ausfahrt der Sinsheimer Arena, um den beiden deutschen Bussen zuzujubeln, mit denen die Nationalmannschaft zurück nach Frankfurt fuhr.

Da war sie zu sehen und zu spüren: die neue Begeisterung rund um die DFB-Elf unter Hansi Flick (57). Bei den 90 Minuten zuvor war stimmungstechnisch noch viel Luft nach oben. Zunächst schwiegen die Fans, dann waren leise Pfiffe zu hören. Erst als das Spiel Richtung Heimsieg entschieden war, setzte das Publikum zur „La Ola“ an. Mit dem Schlusspfiff nach dem 2:0 gegen Israel trat dann wieder eine neue Unsitte in deutschen Stadien zum Vorschein: die Trikot-Bettelei.

Seit der Corona-Pandemie bleiben viele organisierte Fans den Stadien fern. Das führt dazu, dass die vorderen Reihen in den Arenen aktuell vor allen von penetrant vielen Trikot-Schnorrern belagert werden. Erst waren es zehn Schilder in den Stadien, inzwischen hunderte. Sobald der Abpfiff ertönt, rast die Bettler-Gemeinschaft an die Brüstung. Zur Standardausrüstung beim Stadionbesuch scheint neben Schal, Wurst und Bier inzwischen ein großes Pappschild zu gehören.

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Bei der Ehrenrunde blicken die Spieler nur noch in den Schilder-Urwald

„Jamal, schenkst du mir dein Trikot?“ oder „Kai, kann ich dein Trikot haben?“ war auch in Sinsheim dutzendfach zu lesen. Wenn die Spieler nach Abpfiff auf ihre Ehrenrunde gehen, blicken sie kaum mehr in glückliche Fan-Gesichter, sondern in einen Urwald an Bettel-Schildern. Die meisten übrigens ohne höflichen „Bitte“-Zusatz. Sie hängen über der Brüstung, kreischen und rufen plump „Ey, Timo, gib’ mal Trikot“.

Anfangs waren es vor allem die ganz jungen Fans, die mit ihren selbst gemalten Papp-Kartons in die Arenen gingen. Mit dem einen oder anderen geworfenen Original-Trikot wurde die Mühe auch belohnt. Doch inzwischen sind sich auch viele Erwachsene nicht zu blöd, per Schild nach einem wertvollen Erinnerungsstück zu flehen.

Es gibt genug Gründe, sich über diesen Trend unter dem Stadion-Publikum aufzuregen. Oder man findet den treffenden Vergleich wie ein Twitter-User: „Trikot-Bettler – die Panflöten-Spieler unserer Zeit.“