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„Kessler hat gekocht“Das große Transfer-Zeugnis des FC-Bosses

Der 1. FC Köln hat mit über 30 Kaderbewegungen eine intensive Transfer-Phase hinter sich. Für Thomas Kessler war es die erste in Eigenregie. So hat sich der neue Sportdirektor geschlagen. 

Was war das für ein irrer Transfer-Sommer beim 1. FC Köln? Nachdem der Klub vergangenen Sommer wegen der Transfersperre zum Zuschauen verdammt war und der Winter eher holprig verlief, hat sich Thomas Kessler in den letzten Monaten so richtig ausgetobt. Der neue Sportdirektor hat den Kader einmal komplett auf links gedreht und der Mannschaft auch hierarchisch eine neue Struktur verliehen.

Schluss mit Kellers Sparzwang, Kessler hat die Schatulle aufgemacht. Im Netz wurde er dafür ausgiebig gefeiert, die Phrase „Kessler kocht“ hat sich unter den Fans längst verselbstständigt.

Kessler greift für Neuzugänge tief in die Tasche

Der Ex-Torhüter hat satte 23 Millionen Euro für elf Neuzugänge ausgegeben. Mit Ragnar Ache (3,5 Millionen Euro) und Isak Johannesson (5,5 Millionen Euro) wurden zwei der prägendsten Spieler der abgelaufenen Zweitliga-Saison geholt.

Marius Bülter kommt mit der Erfahrung von knapp 150 Bundesliga-Spielen ans Geißbockheim und wurde bereits vor seinem ersten Spiel von Ex-Publikumsliebling Mark Uth als „Königstransfer“ geadelt.

Dass Kessler den Routinier für nicht mal eine Million Euro aus Hoffenheim loseisen konnte, ist gar nicht hoch genug zu bewerten. Ein Top-Transfer zum Schnäppchenpreis! Seine Klasse deutete der Offensiv-Allrounder schon in den ersten beiden Ligaspielen mit vier Tor-Beteiligungen an.

Bei Rav van den Berg ist das Verhältnis genau andersrum: wenig Erfahrung, hoher Preis (acht Millionen Euro). Doch auch dieser Transfer ist wohldurchdacht. Der junge Verteidiger besitzt – ähnlich wie sein Bruder Sepp – herausragendes Potenzial. Nicht umsonst waren im Sommer einige europäische Spitzenklubs (darunter Chelsea) an dem U21-Verteidiger der Niederlande dran.

Kessler boxte sich durch, zeigte dem Talent den besten Entwicklungsplan auf und erhofft sich eines Tages eine Mega-Ablöse für van den Berg. Denn der Holländer macht keinen Hehl daraus, dass der FC für ihn nur ein Sprungbrett in die Premier League ist.

Der Nächste in der Riege der Neuen ist Jakub Kaminski. Einst als Wunderkind in Polen gefeiert, kam er zuletzt in Wolfsburg von seinem Weg ab. Die FC-Verantwortlichen erkannten aber das enorme Potenzial und trauen sich zu, Kaminski wieder in die Spur zu bringen.

Das hat bislang eindrucksvoll geklappt, Kaminski war der Gewinner der Vorbereitung und konnte auch in den drei ersten Pflichtspielen überzeugen, traf gegen den SC Freiburg zum wichtigen 1:0.

Thomas Kessler legte spät noch mal nach

Insgesamt hat der Sportdirektor die Baustellen früh erkannt und allesamt geschlossen. Selbst als zum Schluss noch einmal Hektik aufkam, weil mit Raphael Obermair der Wunschtransfer von Lukas Kwasniok platzte, wurde sofort reagiert und Alessio Castro-Montes aus dem Hut gezaubert.

Bei ihm – genauso wie bei Özkacar, Lund und Sebulonsen – muss man natürlich erstmal abwarten, da allesamt unbeschriebene Blätter in der Bundesliga sind. Doch alle bringen spannende Profile mit.

Der Konkurrenzkampf hat sich durch jeden einzelnen deutlich verschärft. Das Bild wird auch dadurch nicht getrübt, dass viele Dinge, die man sich am Geißbockheim vorgenommen hatte, nicht geklappt haben. Es wurde nicht gehadert, sondern Alternativen ausgelotet.

Zu Kessler Errungenschaften gehören aber nicht nur die Einkäufe, er kann sich auch auf die Fahne schreiben, dass er die Verträge von Jan Thielmann und Said El Mala frühzeitig verlängert hat und da aus den Fehlern der jüngeren Vergangenheit gelernt hat. Wenn man Eric Martel bis Winter auch noch überredet bekommt, wäre das eine Eins mit Sternchen.

Vor allem El Mala drängte, da aus England schon das erste unmoralische Angebot reinflatterte, bevor der Junge ein einziges Bundesliga-Spiel absolviert hatte. „Dass Thomas Kessler in Köln mit Said El Mala verlängert hat, wird sich für beide Klubs sportlich und vermutlich in Zukunft wirtschaftlich extrem auszahlen“ adelt Branchenkenner Michael Reschke den FC-Sportdirektor.

Kessler korrigiert Fehler der Vergangenheit

Doch nicht nur auf der Zugangsseite hat Kessler massiv aufgerüstet, auch auf der Abgangsseite hat er notwendige Lösungen gefunden. Mit Florian Dietz und Steffen Tigges ist er zwei Stürmer ohne Perspektive losgeworden. Unglaublich: Mit dem Verkauf von „Tiggi“ hat er sogar die Ablöse von Kwasniok nach Paderborn wieder reingeholt.

Mit Jacob Christensen, Leart Pacarada und Imad Rondic hat er das Trio, das von Kwasniok aussortiert wurde, von der Gehaltsliste bekommen. Fehlt von der geplanten Streichliste eigentlich nur noch Sargis Adamyan, der aber partout nicht auf Geld verzichten wollte und daher lieber seinen Vertrag beim FC aussitzt und ein Karriereende im kommenden Sommer in Kauf nimmt.

Die Abgänge, die sportlich wehtun, sind ebenfalls zu erklären: Bei Lemperle war er chancenlos, weil bereits seit Herbst Einigkeit mit Hoffenheim bestand. Finkgräfe fühlte sich vor allem von Keller ungerecht behandelt, die entstandenen Risse waren daher nicht mehr zu kitten. Downs erklärte er zwar früh zur Chefsache, streckte sich letztlich aber vergeblich bis an die Decke.

Mit Pauli und Potocnik wurden zwei Youngster verliehen, die Spielpraxis sammeln und gestärkt zurückkommen sollen. Dass sich für Neo Telle und Emin Kujovic keine neuen Klubs finden ließen, trübt den Gesamteindruck nicht.

Kessler hat in seiner allerersten Transfer-Phase in Eigenregie abgeliefert und die To-do-Liste eindrucksvoll abgearbeitet. Er hat (finanziellen) Mut bewiesen, den Kader mit einem spannenden Mix qualitativ aufgewertet und ist gleichzeitig viele Altlasten losgeworden. So geht Kader-Management …

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