Köln-Boss im InterviewKeller über FC-Krise und Fan-Vorwürfe: „Muss mir die Kritik gefallen lassen“

Steffen Baumgart und Christian Keller beobachten das FC-Training.

Steffen Baumgart und Christian Keller beobachten gemeinsam das Training des 1. FC Köln vor dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach (18. Oktober 2023).

Christian Keller steht beim 1. FC Köln derzeit in der Kritik. Die Fans suchen die Schuld für den gravierenden Fehlstart vor allem beim Sportboss. Bei EXPRESS.de beantwortet er nun die dringendsten Fragen.

„Er spart den FC kaputt“, lautet aktuell der häufigste Vorwurf an Christian Keller (44). Vor dem Derby gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntag (22. Oktober 2023, 15.30 Uhr, DAZN und im Liveticker auf EXPRESS.de) stellt sich der Sportboss des 1. FC Köln diesem Vorwurf und beantwortet die dringendsten in der Krise.

Im zweiten des großen EXPRESS.de-Interview spricht Keller über die erfolglose Stürmer-Suche, mögliche Winter-Transfers und das schwebende CAS-Verfahren.

Christian Keller: „Verantwortlich, die Existenz des Klubs zu sichern“

Christian Keller, nicht wenige suchen die Schuld für die Krise auch bei Ihnen. Der Vorwurf lautet meist, dass Sie den FC „kaputt sparen“. Was entgegnen Sie dem?

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Keller: Zunächst habe ich ein anderes Verständnis von sparen. Sparen bedeutet, etwas auf die hohe Kante zu legen. Wir können aber nichts auf die hohe Kante legen, weil wir gar nichts haben. Wir mussten die Aufwendungen in allen Bereichen enorm reduzieren, um den FC wirtschaftlich am Leben zu halten. Natürlich weiß ich, dass ich in meiner Funktion unter dem Strich an der Tabelle gemessen werde. Dennoch sehe ich mich gemeinsam mit den anderen FC-Verantwortlichen zunächst einmal in der Gesamtverantwortung, die Existenz des Klubs zu sichern.

Vier Tore nach sieben Spielen. Glauben Sie immer noch, dass es richtig war, keinen neuen Stürmer zu holen?

Keller: Schon nach der Verpflichtung von Davie Selke habe ich klar gesagt, dass wir noch einen weiteren Stürmer brauchen. Wir haben uns bis zum Ende der Transferphase im Sommer intensiv mit dem Markt beschäftigt. Dabei war die Frage: Ist ein Stürmer, der uns überdurchschnittliche Qualität liefert mit unseren wirtschaftlichen Mitteln verfügbar? Das kann ich mit ‚nein‘ beantworten. Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, eine Verpflichtung zu tätigen, nur um externe Erwartungen zu erfüllen. Das ist nicht zielführend und wir hätten Geld verbrannt, das wir gar nicht haben.

Wollen oder können Sie im Winter auf dem Transfermarkt aktiv werden?

Keller: Wir werden sicher schauen, ob der Markt etwas für uns hergibt. Es ist jedoch klar, dass die finanziellen Mittel im Winter nicht plötzlich vom Himmel fallen werden. Dass uns ein zusätzlicher Stürmer, ein Sechser und ein Innenverteidiger mit überdurchschnittlicher Bundesliga-Qualität und Erfahrung guttun würden, das wissen wir. Gleichzeitig sind wir aber auch davon überzeugt, dass sich unser Kader noch entwickeln wird. Der Kader hat im Ligavergleich ausreichend Qualität um am Saisonende einen Tabellenplatz zwischen 11 und 15 zu erreichen.

Wie bewerten Sie ihre Sommer-Neuzugänge?

Keller: Zunächst einmal zu Jacob Christensen, der zuletzt oft Thema war. Ich möchte damit aufräumen, dass er als Nachfolger von Ellyes Skhiri geholt wurde. Jacob ist ein junger, hoch veranlagter Spieler, der allerdings noch Entwicklungszeit braucht. Das war uns bewusst. Ich hatte angekündigt, dass wir einen Spieler holen wollen, der Ellyes sofort ersetzen und gutes Bundesliga-Niveau spielen kann. Das ist uns nicht gelungen. Daher muss ich mir die Kritik, was die Sechs angeht, gefallen lassen. Und vielleicht noch ein Wort zu Luca Waldschmidt, über den auch viel geschrieben wird: Bei Luca ist es wichtig, dass wir eine klare Position für ihn finden, auf der er seine Stärken wie in der Vorbereitung einbringen kann.

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Ein Thema, das den FC seit geraumer Zeit beschäftigt ist das CAS-Verfahren. Wann rechnen Sie mit einem Urteil?

Keller: Wir haben vom CAS kein genaues Datum bekommen, wann das Urteil gesprochen wird. Die Anwälte und Experten erwarten aber, dass es dieses Jahr noch fallen könnte. Ich kann aber nicht sagen, wann das genau sein wird.

Carsten Wettich war bei der Mitgliederversammlung äußerst optimistisch, dass zugunsten der FC entschieden wird. Auf der anderen Seite sollen die Anwälte der FIFA die Argumentation des FC für unglaubwürdig gehalten haben. Was ist da dran?

Keller: Es geht in erster Linie um die Frage: Hat der Spieler seinen Vertrag rechtswirksam gekündigt oder hat er Vertragsbruch begangen? Wenn der CAS bei dieser Frage zum Ergebnis kommt, dass der Vertrag rechtswirksam gekündigt wurde, dann ist die Frage der Anstiftung obsolet.

Wäre es mit dem heutigen Wissen nicht besser gewesen, sich außergerichtlich mit Ljubljana zu einigen?

Keller: Dazu können wir aktuell aufgrund des laufenden Verfahrens nichts sagen. Ich will nur festhalten, dass wir nicht so naiv waren, wie es in der Öffentlichkeit mitunter dargestellt wurde.

Wie geht es dem Jaka Cuber Potocnik bei der ganzen Sache und warum hat er bisher bei den Profis noch keine Chance bekommen?

Keller: Jaka weiß, dass wir einen klaren Entwicklungsplan für ihn haben. Wenn er den Schritt für Schritt geht, dann kann er es ganz nach oben schaffen. Man muss auch klar sagen, dass ihn die Sache schon sehr mitgenommen hat. Das Hauptthema für ihn ist dabei aber nicht seine Angst vor einer erneuten Sperre. Er denkt, er sei schuld, falls der FC bestraft werden würde. Das ist natürlich völliger Quatsch, den Jungen trifft überhaupt keine Schuld.

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Ein anderer Youngster, der oben keine Rolle spielt, ist Justin Diehl. Sehen Sie noch eine Chance, dass er beim FC bleibt?

Keller: Die Tür steht für jedes Talent offen. Justin ist herzlich eingeladen, den Weg mit uns zu gehen. Wir würden uns alle freuen, wenn er es macht.

Abschließend noch mal zurück zum Derby: Wie wichtig wird das Spiel im Hinblick auf die Stimmung. Haben Sie Sorge, dass die kippen könnte, sollte das am Sonntag in die Hose gehen?

Keller: Ich verstehe jeden, der kritisch auf unsere aktuellen Ergebnisse und einzelne Entscheidungen blickt. Aus Fan-Sicht blutet einem bei nur einem Punkt aus sieben Spielen natürlich das Herz. Ich kann die Unruhe verstehen, wenn der FC, der vielen Menschen sehr viel bedeutet und zentraler Bestandteil des Lebens ist, nicht wie gewünscht abliefert. Deshalb respektiere ich jegliche Kritik und stelle mich dieser auch. Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass der Gegenwind heftiger wird, wenn wir weiter keine Punkte holen. Darum sollten wir am besten im Derby schon damit anfangen zu punkten.