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„Wunder, was hier geleistet wird“Ruthenbeck über FC-Stars von morgen – krasse Geißbockheim-Einblicke

U19-Trainer Stefan Ruthenbeck beim Viertelfinale des DFB-Pokals.

Stefan Ruthenbeck führt mit der U19 des 1. FC Köln die Tabelle in der A-Jugend-Bundesliga an und steht nach dem Sieg gegen Holstein Kiel (10. Dezember 2022) im Halbfinale des DFB-Pokals.

Stefan Ruthenbeck hat mit der U19 des 1. FC Köln in dieser Saison gleich zwei Titel-Chancen. Im Interview verrät der Trainer, wie das trotz desolater Zustände am Geißbockheim möglich ist. 

von Jürgen Kemper (kem)Martin Zenge (mze)

Stefan Ruthenbeck (50) führt mit der U19 des 1. FC Köln sensationell die Tabelle in der Bundesliga West an. Zudem stehen die A-Junioren nach dem Sieg gegen Holstein Kiel im Halbfinale des DFB-Pokals.

Obwohl die FC-Talente angesichts desolater Zustände am Geißbockheim einen klaren Wettbewerbs-Nachteil gegenüber der Konkurrenz haben, lebt der Traum vom ersten Jugend-Titel seit der U17-Meisterschaft 2019. Im Interview mit EXPRESS.de spricht Trainer Ruthenbeck über die Stars von morgen und erklärt, was ihm noch viel wichtiger als jede Trophäe ist.

U19-Trainer Stefan Ruthenbeck: „Dann ist alles möglich“

Stefan Ruthenbeck, die U19 überwintert als Spitzenreiter der Bundesliga West und steht im Pokal-Halbfinale. Haben Sie mit so einer starken Saison gerechnet? Ruthenbeck: Dass etwas gehen kann, hat sich in der Vorbereitung schon angebahnt, als wir Stuttgart, Leipzig und Hoffenheim geschlagen haben. Die entscheidenden Duelle kommen aber erst im neuen Jahr gegen direkte Konkurrenten wie Dortmund. Aufgrund der kurzen Saison (keine Rückrunde, Anm. d. Red.) ist vieles möglich – man hat aber auch wenige Möglichkeiten, Ausrutscher zu korrigieren. Bedeutet: Wenn man zwei Spiele hintereinander nicht gewinnt, kann man im schlimmsten Fall raus sein aus dem Meisterkampf.

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Hat der FC das Potenzial, einen U19-Titel holen? Ruthenbeck: Wenn wir die direkten Duelle gewinnen, ist alles möglich. Es muss aber schon vieles für uns laufen. Wobei ich mir gar keine Gedanken darüber mache, ob wir DFB-Pokalsieger oder Meister werden. Klar, ich will so weit wie möglich kommen – weil jedes zusätzliche Spiel den Jungs in ihrer Entwicklung hilft. Dieser Ausbildungs-Gedanke hat für uns absolute Priorität. Den Jungs selbst ist die Tabelle natürlich wichtig, aber auch sie haben in dem Alter noch ganz andere Themen. Es geht bei vielen um die Verwirklichung ihres Traumes und die Frage: Schaffe ich es in den Profi-Fußball oder muss ich mich umorientieren? Die Gedanken um die Existenz spielen eine große Rolle, das darf man nicht unterschätzen.

Ist die Qualität Ihrer U19 mit jener der U17-Meister von 2019 vergleichbar? Ruthenbeck: Ich würde sagen, dass es damals mehr Individualisten gab. Von der individuellen Klasse her war die U17 stärker. Wir funktionieren als Gruppe und erreichen sehr viel über die mannschaftliche Geschlossenheit.

2008 war der FC zum bislang letzten Mal bei der Endrunde um die U19-Meisterschaft dabei. Was würde eine erneute Teilnahme für den Klub bedeuten? Ruthenbeck: Jede Teilnahme an einer Endrunde und jeder Titel, den wir im Jugendbereich gewinnen, ist wichtig für unsere Historie. Wir können damit werben, wenn es darum geht, neue Spieler oder auch Trainer zu holen. …und damit von den Zuständen am Geißbockheim ablenken? Ruthenbeck: Für eine schlechte Infrastruktur gibt es keinen Ausgleich. Wenn man bei uns durch die Räume geht, hat man sofort einen unangenehmen Geruch in der Nase. Das muss man so hart sagen. Wenn wir einem Spieler nur unsere Räumlichkeiten zeigen, kommt er ganz sicher nicht zum 1. FC Köln. Wir können nur mit unseren exzellenten Trainern, den Perspektiven, die wir den jungen Spielern bieten, und unseren Erfolgen, die wir vorzuweisen haben, punkten. Nehmen Sie hier an unserer EXPRESS.de-Umfrage teil:

Sportchef Christian Keller sagte während der USA-Reise der Profis: „Nicht die Infrastruktur ist dafür ausschlaggebend, ob man gut oder schlecht ist. Der Geist in den Räumen ist entscheidend.“ Schweißen solche Bedingungen sogar zusammen? Ruthenbeck: Ich teile diese Meinung, aber wir alle wissen, dass es Optimierungsbedarf gibt. Wenn ich nur einen halben Platz habe, um zu trainieren, ist das kein akzeptabler Zustand. Wir haben seit Wochen nicht auf richtigem Rasen trainiert, müssen immer wieder auf Kunstrasen ausweichen.

Wie reagieren die Jungs auf solche Zustände? Ruthenbeck: Meine aktuellen beiden Jahrgänge sind äußerst demütig. Das sind keine verwöhnten Pänz. Die Jungs arbeiten Fußball, das sieht man auch auf dem Platz. Da sind sie dreckig und können einem auch mal wehtun.

Wie schafft es der FC trotz der miserablen Bedingungen, im Nachwuchsbereich konstant oben dabei zu sein? Ruthenbeck: Es ist ein Wunder, was hier geleistet wird. Denn nicht nur die großen Klubs wie Borussia Mönchengladbach oder Borussia Dortmund haben deutlich bessere Bedingungen als wir, auch kleinere Vereine wie Rot-Weiss Essen sind uns meilenweit voraus. Aber viele Jungs sehen, dass sie bei uns eine Perspektive aufgezeigt bekommen. Ein Beispiel: Auch der 2003er-Jahrgang, der letzte Saison nur Fünfter geworden ist, hat bei uns eine Plattform bekommen – das ist bei anderen Vereinen nicht so. Sieben Jungs sind fester Bestandteil der U21 in der Regionalliga, Jens Castrop ist Stammspieler beim 1. FC Nürnberg, Jonas Urbig hat es zu den Profis geschafft und über Florian Wirtz brauchen wir nicht reden. Das ist alles nicht selbstverständlich und wird natürlich registriert. Anzeige: Jetzt Gutschein für den Fanshop des 1. FC Köln gleich hier im EXPRESS-Gutscheinportal sichern!

Wie viele von Ihren Jungs sehen wir bald in der Bundesliga? Ruthenbeck: Das ist eine Frage, die lässt sich nicht so einfach beantworten. Viele Spieler, die in der U19 Bundesliga spielen, denken, warum soll ich später nur U21 oder 3. Liga spielen. Dass es alle in die Bundesliga schaffen, ist allerdings utopisch. Wir haben genug Beispiele aus den vergangenen Jahrgängen, die heute noch auf Klub-Suche oder in der Oberliga unterwegs sind. In meiner Mannschaft haben einige das Potenzial, auf höchster Ebene stattzufinden.

FC-Eigengewächs Jakobs bei der WM: „Erfüllt mich mit großem Stolz“

Steffen Baumgart hat angekündigt, dass einige U19-Jungs ab Januar bei den Profis trainieren. Ruthenbeck: Wir haben besprochen, dass der eine oder andere am 2. Januar oben aufschlagen wird. Bei den Profis zu bleiben, müssen sie sich dann erarbeiten. Und wir müssen in dem Alter auch immer das Schulische berücksichtigen. Im Frühjahr kommt bei einigen der Abi-Stress dazu, da muss man genau abwägen. Ich bin diesbezüglich immer in einem sehr guten Austausch mit André Pawlak.

Hat die Ungeduld der jungen Spieler in den vergangenen Jahren zugenommen? Ruthenbeck: Das würde ich schon sagen. Ich war zuletzt beim Internationalen Trainer-Kongress in Freiburg und habe dort aus einer Präsentation des Sport-Clubs sehr viel mitgenommen. Die wichtigste Erkenntnis war, dass dieser Klub nicht getrieben ist. Die Freiburger machen vieles mit einer beachtlichen Ruhe und geben ihren Jungs einige Jahre in der U21, um sich zu entwickeln. Da spielen jetzt Talente bei den Profis in der Bundesliga, die waren damals in der U-Nationalmannschaft nicht besser als unsere, die heute in der 3. Liga spielen. Ein behutsamer Aufbau, den die Spieler natürlich erst mal mitgehen müssen, zahlt sich dann doch aus.

Christian Keller hat angekündigt, dass es beim FC künftig eine einheitliche Spielidee für alle Teams geben soll. Wie beurteilen Sie das? Ruthenbeck: Mein Verständnis eines Jugendtrainers war schon immer so, dass es nicht darum geht, mich selbst zu verwirklichen. Ich fühle mich ohnehin in der Verantwortung, es den Spielern so einfach wie möglich zu machen, oben bei den Profis zu funktionieren. Heißt: Wenn Steffen Baumgart viele Flanken schlagen lässt, mache ich das auch. Wenn er nicht mit Dreierkette spielt, tun wir das auch nicht. Nun sollen diese Prinzipien, die wir als Jugendtrainer mitentwickeln, verschriftlicht werden, damit alle künftig den gleichen Leitfaden haben. Das halte ich für eine gute Idee.

Fühlen Sie sich in nicht in Ihrer Arbeit beschnitten? Ruthenbeck: Im Gegenteil. Ich kann bessere Arbeit leisten, weil ich gezielt ausbilden kann. Nehmen wir das Beispiel des Achters bei Steffen Baumgart. Das ist nicht der klassische Außenspieler, der hat ein eigenes Profil. Ich muss meinen Jungs beibringen, was von oben für diese Position verlangt wird. Das ist eine spannende Herausforderung.

Mit Lukas Berg gibt es zudem einen neuen NLZ-Leiter. Wie bewerten Sie diese Personalie? Ruthenbeck: Ich kenne Lukas seit ein paar Jahren, wir hatten immer einen guten Austausch. Er ist ein junger, ehrgeiziger NLZ-Leiter, der neue Ideen einbringen wird. Wir Trainer sind offen für Neues und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm.

Abschließend: Mit Ismail Jakobs hat es einer Ihrer Ex-Schützlinge sogar zur WM geschafft. Macht Sie das besonders stolz? Ruthenbeck: Er war vor dem Turnier hier in Köln und hat mir erzählt, dass er mit Senegal zur WM fahren wird. Das wusste ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Es war ein sehr emotionaler Moment für mich. Ich hatte ein besonders Verhältnis zu Iso und denke, ich habe auch meinen Beitrag geleistet, dass er den FC nicht frühzeitig verlassen hat – wenngleich sein größter Förderer wohl André Pawlak war. Wenn ich sehe, wie weit er jetzt gekommen ist, erfüllt mich das schon mit großem Stolz. Das ist etwas ganz Besonderes.