Krebserregendes HalbmetallEXPRESS klärt auf: Das steckt hinter Antimon

Calmund Schumacher Matratze

Reiner Calmund und Toni Schumacher schwören auf die Antimon-freie Matratze „sleeep“.

von Arno Schmitz (schmi)

Köln – In der Kölner Messe präsentierten Reiner Calmund (68) und Toni Schumacher (63) vor kurzem eine Matratze, auf der nicht nur „auch ein kleiner Elefant wie ich hervorragend schläft“, wie Calmund versicherte.

Und die obendrein so konfigurierbar ist, „dass nicht Toni oben und ich unten liegen würde, wenn wir ein Verhältnis hätten“.

Nein, der eigentliche Clou: Die „sleeep“ des Kölner Matratzen-Königs Gaetano di Napoli kommt mit Antimon-freien Bezügen daher. Anti was?

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Das natürlich vorkommende Halbmetall gilt als krebserregend – das „Alltagsrisiko“ des Stoffes ist aber noch umstritten. EXPRESS klärt auf.

Wo kommt Antimon vor?

Trinkwasser und Nahrung können Antimon enthalten.

Antimontrioxid wird bei der Polyester-Herstellung als Katalysator verwendet, steckt in eigentlich allen Polyester-Textilien wie Sportshirts oder Matratzenbezügen. Eine Antimon-freie Herstellung ist technisch möglich, aber etwas kostenintensiver.

Zudem enthalten PET-Flaschen, eigentlich alle Plastikverpackungen von Lebensmitteln und viele Kinderspielzeuge Antimon.

Auch bei der Herstellung von Reifen und Bremsen wird mit  Antimon-Verbindungen gearbeitet.

Wie kann Antimon in den Körper kommen?

Oral über Trinkwasser und Nahrung.

Über die Atemwege beim Inhalieren von Abrieb.

Über die Haut beim Schwitzen in oder auf Polyestertextilien.

Was wissen wir über die Gefährlichkeit von Antimon?

Im Jahr 2003 stufte die WHO das Element als krebserregend ein, die EU einige Antimon-Verbindungen als giftig oder ätzend.

Die Belastung mit hohen Antimon-Konzentrationen  über eine lange Zeitspanne kann Augen, Haut und Lunge reizen. Es können Schäden wie Lungenkrankheiten, Herzprobleme, Durchfall, heftiges Erbrechen, Magengeschwüre oder Unfruchtbarkeit auftreten.

Früher wurde Antimon sogar in der Medizin verwendet, etwa als Brechweinstein (gereinigter Weinstein und Antimonoxid) oder Antimon-Pille (Abführmittel) – davon hat man aber Abstand genommen.

Am schädlichsten ist das Einatmen von Antimon, das sich in der Gasphase an Sauerstoff gebunden hat – etwa beim Gebrauch von Schusswaffen mit Antimon-haltiger Munition. Hohe Wellen schlug 2016 ein Streik von Schießlehrern der Berliner Polizei, nachdem Beamte wegen schlecht gewarteter Abluftanlagen mit Antimon vergiftet wurden, was zu  Lungen- und Schilddrüsenschäden führte.

Wie bewerten Experten das Alltags-Risiko?

„Verbraucher sind über gesetzliche Grenzwerte vor einer zu hohen oralen Aufnahme von Antimon über Trinkwasser, Lebensmittelverpackungen und Getränkeflaschen sowie Spielzeug geschützt“, beruhigt das  Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf EXPRESS-Anfrage.

Des weiteren hätten Untersuchungen zur Antimon-Freisetzung aus PET-haltigen Textilien 2011 keine Überschreitung des im OEKO-TEX Standard 100 festgelegten Grenzwerts ergeben. „Somit existieren auch für dermalen (=Haut) Kontakt mit Polyester-Textilien keine Hinweise auf ein gesundheitliches Risiko.“

Professor Dr. Michael Braungart, wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts HUI und seit über 30 Jahren bei Greenpeace Leiter des Bereichs Chemie, sieht das komplett anders und fordert schnellstmöglich ein EU-Verbot: „Antimon ist sehr stark krebserzeugend – von daher ist jeder Kontakt und jede Aufnahme gesundheitsschädlich. Das ist gar keine Frage. Die Frage ist nur, wann das Fass zum überlaufen kommt.“

Man werde sich nun langsam einem Verbot annähern, fürchtet Braungart: „Zunächst sagt man: Nein, das ist kein Risiko. Dann sagt man: Ja, aber nur ein geringes Risiko. Und dann wird es verboten – das war bei Asbest genauso…“

Antimon könne sehr wohl über den Schweiß in die Haut gelangen, meint Braungart: „Natürlich! Wir haben schon vor über 20 Jahren den Fußballern der SG Wattenscheid in der Halbzeitpause Schweiß abgenommen und Antimon nachgewiesen.“

Weil die Fußballtrikots der Bundesliga „nach wie vor antimonhaltig“ wären, fordert Braungart von den Big Playern „endlich antimonfreie Trikots“ zu produzieren.

In Richtung EU sagt er: „Es ist unglaublich, dass es überhaupt immer noch verwendet wird.“

Wie kann man unnötigem Kontakt vorbeugen?

Wasser aus Glas- statt PET-Flaschen trinken, in Plastik verpackte Nahrung reduzieren. Beim Sport auch mal wieder das gute alte Baumwoll-Shirt tragen statt Polyester. Und: auf den Matratzenbezug achten!

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