Die Theaterproduktion „Millowitsch. Endlich wieder Lachen“ blickt auf das Phänomen des berühmten Volksschauspielers Willy Millowitsch. Der Geschäftsmann und Mensch wird aber auch kritisch beleuchtet.
Es gibt noch RestkartenStars verkörpern Kölner Legende

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Die Familie Millowitsch in der Theaterversion. Henning Krautmacher (2.v.r.) spielt Ehefrau Gerda, Annette Frier (M.) den Willy, Susanne Pätzold (r.) Sohn Peter.
Aktualisiert
„Wenn ich die noch einmal zurückkriegen könnte – die gute alte Zeit“. Seufzend blickt Willy Millowitsch in den vollbesetzten Saal und setzt zum „Reflexe-Test“ an: „Schnaps!“ Sofort stimmt die Menge ein: „…das war sein letztes Wort“.
Die Kölner Ikone ist auch über 25 Jahre nach ihrem Tod immer noch präsent. Das Theaterstück „Millowitsch. Endlich wieder lachen“ präsentiert den Werdegang, die Strahlkraft und auch die Schattenseiten des Schauspiel-Lieblings eindrucksvoll.
„Millowitsch. Endlich wieder lachen“: Restkarten wieder erhältlich
Am Samstagabend (27. September 2025) fand in der Volksbühne am Rudolfplatz, dem früheren Millowitsch-Theater, die umjubelte Premiere statt. Fast alle 18 Vorstellungen sind bereits restlos ausverkauft, die Vorbereitungen für weitere Shows im kommenden Jahr laufen. Durch einen Systemfehler konnten nur für die Vorstellungen am 3. Oktober noch je 50 Tickets freigeschaltet werden.
Sohn Peter Millowitsch (76) war Augenzeuge des Stücks. „Mir hat es sehr gut gefallen. Ich fand es sehr auf den Punkt inszeniert“, sagte er nachher zu EXPRESS.de.
Die Stärke der Inszenierung liegt darin, dass keine bloße Schönmalerei betrieben wird. Willys Ego und sein hart geführtes Patriarchat, in dem er niemanden auf Augenhöhe neben sich geduldet hat, wird sehr deutlich.
Susanne Pätzold (58) verkörpert Peter. „Er ist der harte Chef. Hinter ihm verschwindet man“, beschreibt er im Stück das Verhältnis zum Vater. „Das gehört auf jeden Fall dazu, ansonsten wäre das Stück nicht so authentisch gewesen. Es war für mich auf jeden Fall ein schöner Abend“, lobte der echte Peter. Auch die EXPRESS-Schlagzeile „Papa, geh‘ in Rente“ spielt eine wichtige Rolle.

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Peter Millowitsch (Susanne Pätzhold) präsentiert die EXPRESS-Schlagzeile vom 6. Dezember 1995.
Das Ensemble hatte im Vorfeld viele Gespräche mit der Familie Millowitsch und weiteren Zeitzeugen geführt, um das Lebenswerk möglichst authentisch abzubilden. Und so ist keine bloße Heldenverehrung entstanden. Zu sehen gibt es eine Mischung aus dokumentarischen Szenen und einer Neufassung des historischen Schwanks „Das Glücksmädel“.
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Laurenz Leky führt als Lachlotse durch den Abend. „Pro Vorstellung wurde bei Willy im Schnitt zwischen 20 und 25 Minuten gelacht. Das macht bei rund 200 Auftritten im Jahr eine Netto-Lachzeit von drei Monaten und elf bis zwölf Tagen“, sagt er einführend. Es kommt aber auch die Frage auf, was beim „Etappenhasen“, bei dem nur etwa alle zehn Minuten ein Gag enthalten war, so lustig war.

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Henning Krautmacher (r.) gab in der Rolle als Konrad Adenauer den Auftrag, das Millowitsch-Theater wieder zu öffnen.
Als Willy agiert Annette Frier (51) – und das höchst überzeugend. Mit grauer Perücke, Schnäuzer, dicken Wangen, Wohlstandsbauch und weißem Dinner-Jacket trifft sie Gestik und Tonfall perfekt. „Ich habe ihn wochenlang studiert und zahlreiche YouTube-Videos angeschaut“, sagt sie. Nach zehnjähriger Abstinenz steht die Schauspielerin mal wieder in einem Ensemblestück auf der Theaterbühne.

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Annette Frier überzeugte in der Rolle von Willy Millowitsch mit vollem Einsatz im ganzen Theater.
Ähnlich viel Jubel gibt es für Henning Krautmacher (68). Der Ex-Höhner-Frontmann übernimmt gleich vier Rollen, auch die von Willys Ehefrau Gerda. Als Gott macht er Willy mehrmals deutlich, dass sich die Zeiten geändert haben. „Es gibt doch Netflix, wenn die Leute unterhalten werden wollen“, sagt er.
Und zu den klassischen Rollenbildern in den Millowitsch-Stücken entgegnet der Sänger: „Sparkassenangestellter? Die Filialen haben doch alle zu. Fabrikarbeiter? Das macht inzwischen alles die KI. Klempner? Hast du je versucht, in Köln einen Handwerker zu kriegen?“

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Henning Krautmacher in der Rolle als Gott.
Krautmacher tritt auch als Konrad Adenauer auf. Der erteilte Millowitsch nach dem Krieg vor 80 Jahren den Auftrag, das Theater möglichst schnell wiederzueröffnen. „Bauen’se so schnell wie möglich, dass de Leute wieder was zu lachen haben“, sagte der Kölner Oberbürgermeister am 4. Mai 1945. Am 16. Oktober ging es an der Aachener Straße wieder los.
Das Programm bestand damals aus einem melancholischen Lied, einem rheinischen Liederstrauß („Trizonesien-Song“, „Es ist noch Suppe da“, „Heidewitzka, Herr Kapitän“) und nach der Pause aus dem Schwank „Das Glücksmädel“. Willys treffender Kommentar: „Wir hatten damals noch Zeit an so einem Abend und nicht einen dusseligen Mieter nebenan, der uns um 22 Uhr von der Bühne gejagt hat“.

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Peter Millowitsch war begeistert von dem Stück über seine Familie.
Die spitzen Gags sitzen, die Mitsing-Momente („Schau nicht auf die Uhr“, „Ich be ene kölsche Jung“) funktionieren, die nachdenklichen Töne kommen an. Das Ensemble – eine Kooperation aus Theater im Bauturm, Verein Freie Volksbühne und Volksbühne am Rudolfplatz – hat es geschafft, die Gründe für die Beliebtheit des heiteren Onkels als auch die des strengen Tyrannen zu beleuchten.
Willy Millowitsch gab seinem Publikum ein Gefühl der Nahbarkeit, kämpfte aber auch mit allen Mitteln um seinen Erfolg. Und sei es nur der Parkplatz direkt vor dem Theater. Auch sein Betteln beim WDR um TV-Übertragungen wird schonungslos gezeigt. Ebenso die Weigerung, trotz gesundheitlicher Probleme endlich von seinem Lebenswerk loszulassen.

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Zum Finale sang Henning Krautmacher zusammen mit dem Ensemble seinen für das Stück geschrieben Song „Willy, Willy, Willy“.
Wie sehr die Millowitsch-Stücke aus heutiger Sicht aus der Zeit gefallen sind, wird ebenfalls beleuchtet. „Damals war die komische Alte immer dabei, weil Frausein schon Witz war“, erklärt der Lachlotse. Ein „Glücksmädel“ wäre heute höchstens eine „Glücksperson“. Und Witze über Menschen, die schielen, auch nicht mehr tragbar.
Dennoch schafft das gut zweistündige Stück das magische Gefühl, in schwierigen Zeiten einfach mal wieder herzlich zu lachen und sich fallenzulassen. „Kaum gehst du hier raus, fliegt dir die Scheiße wieder in die Fresse“, sagt Annette Frier schonungslos offen.
Die Premierengäste gingen vor allem mit einem neuen Ohrwurm heim. Das von Krautmacher geschriebene „Willy, Willy, Willy“ wird in den kölschen Liederschatz eingehen.