Zeitenwende ohne AusredenDeutschland gefordert: Lahm verlangt Großes für die EM 2024

Turnierdirektor Philipp Lahm, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (v.l.n.r) posieren für ein Foto.

Turnierdirektor Philipp Lahm, Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (v.l.n.r) bei einem Pressetermin am 14. Juni 2023.

Turnierdirektor Philipp Lahm sieht die Fußball-EM im kommenden Jahr in Deutschland als Chance für einen Einschnitt – sportlich wie gesellschaftlich.

Die Nationalmannschaft soll den deutschen Fußball retten, die EM gleich ganz Europa. Mit einer bemerkenswerten „Zeitenwende“-Mahnschrift hat Philipp Lahm (39) dem neuen Bundestrainer Julian Nagelsmann (36) und der Endrunde im kommenden Jahr einen Rucksack umgeschnallt, der schwerer kaum sein könnte.

Der Turnierdirektor peilt für den kommenden Sommer nicht weniger als den Aufbruch in eine bessere Welt an.

Lahm: „Es gibt jetzt keine Ausreden mehr“

„Es ist Zeit für eine Zeitenwende im deutschen Fußball. Und in der Gesellschaft“, schrieb der Weltmeister-Kapitän von 2014 in einem Gastbeitrag für den kicker mit Blick auf die EM in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli). Das Turnier müsse laut Lahm als „Wendepunkt“ begriffen werden, „für Europa, für die Gesellschaft, für uns alle“.

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Höhere Ansprüche als Lahm hat wohl kaum jemand je an ein Sportfest gestellt. „Dieses Turnier ist ein Aufruf für Solidarität und Fürsorge sowie für ein Wiedererstarken des europäischen Gedankens“, schrieb der 39-Jährige: „Europa und seine wichtigen Werte wie Demokratie und Freiheit, Vielfalt und Toleranz, Integration und Inklusion sollen dabei gestärkt und gefeiert werden. Denn ein Ausgrenzen ist nicht das Modell des 21. Jahrhunderts in Europa.“

Vor dem Start des EM-Ticketverkaufs am Dienstag verfolgt Lahm nicht „nur“ gesellschaftspolitische Ziele. Er formulierte zudem einen klaren sportlichen Auftrag an Nagelsmann, der am Freitag (6. September 2023) seinen ersten Kader nominieren wird.

Demnach solle die „Sehnsucht nach einer Nationalmannschaft, die sich vor eigenem Publikum leidenschaftlich und kämpferisch zeigt und ein erfolgreiches Turnier spielt“, gestillt werden. Nach den zuletzt enttäuschenden Turnieren wünschten sich die Fans schließlich „eine Nationalmannschaft (...), mit der sie sich voll identifizieren können“.

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Laut Lahm zähle nun nur „Klarheit und Konzentration auf den gemeinsamen Erfolg“. Nach der Neubesetzung des Bundestrainerpostens sowie der Berufung von Andreas Rettig (60) als neuem Geschäftsführer des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) könne nun „Ruhe rund um die Nationalmannschaft einkehren, und jeder kann sich voll auf seine Rolle fokussieren“, schrieb der 113-malige Nationalspieler und fügte an: „Es gibt jetzt keine Ausreden mehr!“

Druck: Lahm tut das, was Völler vermeiden wollte

Lahm hat damit den Druck auf den Nachfolger von Hansi Flick (58), Sportchef Rudi Völler (63) und die Spieler noch einmal erhöht. Genau das wollte Völler im Vorfeld der am kommenden Montag startenden USA-Reise der Nationalmannschaft mit Partien gegen den Gastgeber und Mexiko eigentlich vermeiden.

„Der Wunsch, dass wir eine gute EM spielen, in der wir vom ersten Spiel an den Heimvorteil nutzen wollen, darf nicht zu einer Belastung für sie werden“, sagte Völler in der Welt am Sonntag: „Die Spieler brauchen keinen zusätzlichen Druck. Wir dürfen nicht dahin kommen, dass sie in den Spielen Angst haben, Fehler zu machen.“

Vor der Premiere des neuen Bundestrainers, der sich seiner Verantwortung aufgrund des „nationalen Interesses“ bewusst ist, warb Völler erneut um Vertrauen in Nagelsmann. „Er ist jung, dynamisch und brennt total“, bekräftigte der Weltmeister von 1990: „Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Europameisterschaft spielen werden.“ Für Lahm ein Muss. (sid)