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Frauenfußball-KolumneTradition bricht weg: Wie sah die Bundesliga der Frauen zur Gründung aus?

Viktoria Schwalm von Turbine Potsdam sitzt verletzt am Boden.

Turbine Potsdam steigt aus der Frauen-Bundesliga ab. Damit verschwindet ein weiterer Traditionsklub von der Bildfläche. Das Foto entstand am 15. Oktober 2022.

Die Frauen-Bundesliga wurde 1990 ins Leben gerufen. Von den 20 Gründungsmitgliedern ist nur noch ein Verein in der höchsten deutschen Spielklasse.

von Annika Becker  (abe)

Mit Turbine Potsdam verabschiedet sich ein weiterer Traditionsklub und reiner Frauenfußballverein nach fast 30 Jahren Erstligazugehörigkeit aus dem Oberhaus.

Sollte die gute Ausgangsposition zum Klassenerhalt ausreichen, wäre damit ab nächster Saison aller Voraussicht nach die SGS Essen der einzige Verein ohne Anschluss an einen Lizenzklub oder mit – im Fall des SV Meppen – Männerteam in der 3. Liga. Das war mal sehr anders.

1955 wollte der DFB noch nichts vom Frauenfußball wissen

Fußballspielende Frauen gibt es auch in Deutschland seit über 100 Jahren, Lotte Specht gründete im Jahr 1930 mit dem 1. DDFC Frankfurt den ersten deutschen Frauenfußballverein, der DFB lehnte einen Aufnahmeantrag ab und der Verein musste sich nach nur knapp einem Jahr wieder auflösen.

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1955 entschied der DFB dann formell, dass der Fußball der Frauen im eigenen Verband nichts zu suchen habe. Vereine innerhalb des DFB durften keine Frauenabteilungen mehr haben, gründen oder aber Frauen auch nur ihre Plätze zum Austragen von Partien überlassen. Vereine waren gezwungen, ihre Abteilungen zu schließen, mancherorts gründeten sich daraus unabhängige Vereine.

Denn den Fußball der Frauen gab es weiterhin, nur eben nicht unter dem Dach des DFB, sondern in eigenen Verbänden. Das war so erfolgreich, dass der DFB sich 1970 dann dazu entschied, den Ausschluss wieder aufzuheben, schließlich lässt sich leichter regulieren, was man selbst kontrollieren kann. Das geschah über Sonderregeln und Auflagen, unter anderem mussten die Spiele kürzer sein und Stollenschuhe waren verboten.

Die erste Meisterschaft ausgerichtet vom DFB fand 1974 statt, ausgetragenen in wechselnden Modi mit Gruppen- oder K.o.-Phase. Unnötig kompliziert im Vergleich zu dem, was die Fußballöffentlichkeit zu dem Zeitpunkt bereits gewohnt war. Bis zur Einführung einer richtigen Liga dauerte es weitere 16 Jahre, denn die Bundesliga der Frauen ging erst 1990 an den Start und auch hier gab es wieder einen Sonderfall, weil die Liga in zwei Staffeln Nord und Süd mit jeweils zehn Vereinen aufgeteilt wurde. Die Ersten und Zweiten der beiden Staffeln trafen dann in einer Endrunde bestehend aus Halbfinale mit Hin- und Rückspiel sowie einem Finale aufeinander.

Schaut man sich die Liste der Gründungsmitglieder der Bundesliga 1990 an, fällt sofort auf, dass die meisten davon heute nicht in den ersten beiden Ligen zu finden sind. Gleich geblieben ist mit Blick auf die aktuelle Zusammensetzung der Bundesliga nur der FC Bayern München, allerdings sind einige der Gründungsvereine in Lizenzklubs aufgegangen und so auch heute noch Teil der Bundesliga. Am offensichtlichsten ist das bei VfR Eintracht Wolfsburg, 1997 gewechselt zum WSV Wolfsburg-Wendschott und ab 2003 dann, man kann es sich denken, als VfL Wolfsburg unterwegs.

Wer die Zeit nicht aktiv miterlebt hat, muss bei den anderen beiden schon genauer hinschauen. Die Frauenabteilung der SG Praunheim gründete 1999 mit dem 1. FFC Frankfurt einen neuen, selbstständigen Frauenverein, bekanntlich gab es hier 2020 die Fusion mit Eintracht Frankfurt.

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Dann wäre da noch die berühmte SSG 09 Bergisch Gladbach, die 1981 und 1984 die inoffiziellen Fußball-Weltmeisterschaften der Frauen gewann, weil der DFB kein Nationalteam der Frauen betrieb. Vor der Einführung der Bundesliga holte der Verein neun Meisterschaften – in der Bundesliga haben Wolfsburg und Frankfurt gerade jeweils sieben Titel. 1996 wechselte Bergisch Gladbach zum TuS Köln Rheine, im Jahr 2008 wechselte die Abteilung wiederum dann zu Bayer 04 Leverkusen.

Die meisten der Bundesliga-Gründungsvereine von 1990 findet man, durch Fusionen und Vereinswechsel der Abteilungen teils unter anderen Namen, in den Regionalligen wieder. Die erste Meisterschaft holte sich der TSV Siegen, der vor der Einführung der Bundesliga bereits sechs Meisterschaften geholt hatte. Zu den Torschützinnen im Bundesliga-Finale von 1991 gehörten eine gewisse Silvia Neid und Martina Voss, die heutige Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. Die Frauenabteilung des TSV wechselte 1996 den Verein, ist nun zugehörig zu den Sportfreunden Siegen und aktuell in der Regionalliga West.

Den ersten selbstständigen Frauenverein unter dem Dach des DFB gründete im Jahr 1998 der FFC Eintracht Rheine, der Verein löste sich im Jahr 2016 auf.

Die 20 Gründungsmitglieder der Frauen-Bundesliga im Überblick:

  1. Fortuna Sachsenross Hannover
  2. SC Poppenbüttel
  3. Schmalfelder SV
  4. SV Wilhelmshaven
  5. VfR Eintracht Wolfsburg
  6. SSG Bergisch Gladbach
  7. KBC Duisburg
  8. VfB Rheine
  9. TSV Siegen
  10. 1. FC Neukölln
  11. FSV Frankfurt
  12. SG Praunheim
  13. SC 07 Bad Neuenahr
  14. VfR 09 Saarbrücken
  15. TuS Niederkirchen
  16. SC Klinge Seckach
  17. TuS Binzen
  18. VfL Sindelfingen
  19. VfL Ulm/Neu-Ulm
  20. FC Bayern München

Annika Becker ist freie Autorin bei EXPRESS.de und kümmert sich in ihren Kolumnen um das Thema Frauenfußball. Sie ist Mitglied von FRÜF - Frauen reden über Fußball.


Schade, dass so viel Geschichte so versteckt ist. Denn der DFB tut nicht viel dafür, die Geschichten dieser Vereine zu erzählen. Auf der Website des Verbandes werden zudem die Spiele und Tore immer nur dem aktuellen Verein zugeordnet, wenn dieser mehrere Wechsel durchlaufen hat.

Dadurch „verschwinden“ die ehemaligen Vereine, zumal dann die Zahlen oft noch fraglich oder schlicht falsch sind. Von der ganzen Zeit vor der Bundesliga ganz zu Schweigen. Zur Aufarbeitung der Rolle des Verbandes, was den Entwicklungsstand des Fußballs der Frauen in Deutschland betrifft, sollte es gehören, diese Lücken und Fehler in der Geschichtsschreibung zu schließen und zu korrigieren. Alleine schon aus Respekt vor denen, die trotz aller struktureller Widerstände über Jahrzehnte diesen Sport vorangebracht haben.