Gegen Nordirland drohte die nächste Blamage in der WM-Quali. Die Fans in Köln äußerten ihren Unmut hörbar. Der Bundestrainer hat eine klare Meinung dazu – und zieht eine Parallele zur Gesellschaft.
„Wie die Hyänen im Busch“Nagelsmann sauer nach Pfiffen in Köln
Aktualisiert08.09.2025, 06:11
„Et hätt noch immer jot jejange“. Artikel drei des kölschen Grundgesetzes traf am Sonntagabend (7. September 2025) einmal mehr zu. Die Nationalmannschaft gewann ihr WM-Quali-Spiel gegen Nordirland am Ende doch noch verdient mit 3:1.
Plötzlich sieht die Lage nach der Auftakt-Blamage gegen die Slowakei (0:2) wieder gar nicht so dramatisch aus. Das direkte WM-Ticket ist weiter aus eigener Kraft zu erreichen. Aber zwischenzeitlich drohte der ganz große Knall. Nachdem Isaac Price in der 34. Minute den trägen und fehleranfälligen Auftritt der Gastgeber mit dem 1:1 bestraft hatte, taumelte der Favorit bedenklich.
WM-Quali: Fans in Köln pfiffen ihr Team lautstark aus
Mit dem Gegentreffer war die Verunsicherung bei den DFB-Akteuren sichtlich spürbar. Das Publikum reagierte äußerst ungehalten. Mit lautstarken Pfiffen verabschiedeten die Fans die Mannschaft zur Pause in die Kabine. Auch nach dem Wechsel ertönten immer wieder Pfiffe – beispielsweise bei der Auswechslung des schwachen Nick Woltemade.
Doch ein Doppelschlag von Joker Nadiem Amiri (69.) und Florian Wirtz (72.) bescherte dann doch den dringend benötigten Sieg. Außerdem sorgten die beiden Tore für einen Stimmungsumschwung in Müngersdorf. Statt Pfiffen gab es nun Jubel und am Ende Applaus bei der Ehrenrunde.
Das Kölner Stadion ist normalerweise der Tempel der guten Laune. Doch am Sonntag entlud sich unter den 43.169 Fans einiges an Frust. Das wiederum konnte Julian Nagelsmann – bei aller berechtigten Kritik an der Leistung – nicht verstehen.
„Die Tickets für das Spiel sind teuer. Die Zuschauer erwarten von den Fußballern, dass dann eine gute Performance stattfindet, und gehen ins Stadion mit einer gewissen Erwartungshaltung, die dann offensichtlich – so war es zu hören – ein 1:1 nicht ist. Das kann ich auch nachvollziehen“, sagte der Bundestrainer.
„Auf der anderen Seite schaue ich mir auch ein paar Spiele an und bin auch nicht immer super zufrieden, trotzdem pfeife ich nicht. Weil ich glaube, dass es den Menschen da unten nichts bringt.“
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Für den Coach war die Stimmung ein Spiegelbild der Gesellschaft. „Wenn wir alle im Land eine Energie haben, dann wird es einfach besser. Wenn wir alle wie Hyänen im Busch sitzen und warten, bis ich endlich wieder einen beißen kann und sagen kann, wie schlecht jemand ist und dass er alles beschissen macht – ich glaube nicht, dass man sich dann so super entwickelt als Land.“
Einmal im Redefluss holte der 38-Jährige noch mal aus. „Ich habe auf der einen Seite Verständnis, dass die Leute pfeifen. Trotzdem wäre es besser, wenn die Menschen sagen: ,Okay, das war jetzt nicht top in der ersten Halbzeit, aber macht weiter und glaubt an euch‘. Wenn es nach dem Spiel immer noch beschissen ist, kann man immer noch drüber sprechen.“

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Florian Wirtz signalisierte nach seinem Freistoßtreffer zum 3:1, dass er die Pfiffe nun nicht mehr im Stadion höre.
Er verstehe, „wenn jemand unzufrieden ist, ich hätte am Donnerstag auch fast gepfiffen in der Kabine. Es ist halt manchmal so.“ Dennoch versuchte er die Negativstimmung in der Halbzeitpause aus den Köpfen zu bekommen. „Was ist jetzt passiert? Wir haben den Ausgleich gekriegt. Wow! Das passiert öfter im Fußball. Die Fans haben gepfiffen. Auch wow! Wichtig ist jetzt, wie wir darauf reagieren“, sagte Nagelsmann dort.
Vor allem die Spieler, die im zweiten Durchgang auf das Feld kamen, gaben die passende Antwort auf die angespannte Atmosphäre. Leon Goretzka behauptete nachher zwar, die Pfiffe nicht gehört zu haben.

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Nick Woltemade agierte gegen Nordirland unglücklich und musste sich auch Pfiffe gefallen lassen.
Florian Wirtz hielt sich nach seinem Tor aber demonstrativ den Finger ans Ohr. „Wir wissen alle, dass das letzte Spiel eine Katastrophe war. Wir wollten es besser machen. Wir wussten, dass wir zu wenig Energie auf den Platz gebracht haben. Das haben wir besser gemacht“, sagte der Torschütze.
Pfiffe gegen Woltemade: Mitspieler springen Stürmer zur Seite
Dass das Publikum auch gezielt Stürmer Woltemade bei der Auswechslung auspfiff, stieß im Team sauer auf. „Das finde ich nicht gut. Er ist einer von uns, der alles gibt, der die deutschen Farben vertritt. Dann sollten wir alle dahinter stehen“, sagte Waldemar Anton. „Als Fußballer gibt es so Tage, wo du nicht deinen besten Tag hast. Aber da sind Pfiffe nicht gut.“
Auch Matchwinner Nadiem Amiri sprang seinem Mitspieler zur Seite. „Ich halte nichts davon. Er ist ein junger Spieler, der gerade eine schwierige Phase durchgemacht hat. Mit vielen Wechselthemen, hin und her“, sagte er. „Man muss sich in seine Lage versetzen, das machen nicht viele. Ich finde es schade – aber so ist der Fußball.“