Kommentar zum Hertha-FiaskoDiese Trikot-Demütigung ist ein Eigentor im Abstiegskampf

Die Fans von Hertha BSC verlangen, dass die Spieler symbolisch ihre Trikots ausziehen.

Die Spieler von Hertha BSC mussten nach der Derby-Niederlage im Bundesliga-Spiel gegen Union Berlin am Samstagabend (9. April 2022) ihre Trikots vor der Fankurve niederlegen.

Hertha BSC blamiert sich im Berlin-Derby, doch der eigene Anhang macht mit einer geschmacklosen Aktion alles noch schlimmer. Hier wurde eine Grenze überschritten, meint unser Autor in seinem Kommentar.

von Béla Csányi (bc)

Sie sind der oft zitierte zwölfte Mann, in knappen Spielen das Zünglein an der Waage. Wie viel eine volle und leidenschaftliche Fankurve bewirken kann, zeigte sich am Samstag (9. April 2022) beim wilden 3:2 des 1. FC Köln gegen Mainz 05, als die Gastgeber nach 0:2-Rückstand alle drei Treffer vor der stimmungsvollen Südtribüne erzielten.

Wie es aussieht, wenn die Leidenschaft in die andere Richtung kippt, wird derzeit allerdings bei Hertha BSC deutlich. Auch wenn der Frust des Anhangs wegen einer erneuten Katastrophen-Saison und drei in Folge verlorener Hauptstadt-Derbys verständlich ist: Was sich vereinzelte Hertha-Fans da geleistet haben, geht gar nicht!

Hertha BSC: Angst vor neuer Eskalations-Stufe?

Wenn aus kernigen Ansagen die Demütigung der eigenen Mannschaft wird, aus Appellen an die Ehre plötzlich Drohungen, die Spieler unterwürfig ihre Trikots ausziehen und vor dem Anhang ausbreiten müssen, dann ist ohne jeden Zweifel eine Grenze überschritten.

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In Berlin kommt hinzu: Es ist binnen weniger Monate bereits das zweite Mal. Schon Mitte Januar hatten 80 Chaoten das nicht-öffentliche Training gestürmt und den Spielern sowie dem damaligen Trainer Tayfun Korkut (48) gedroht. „Ihr kriegt noch mal die Ansage, aber ihr wisst, dass es auch davon noch eine Steigerungsform gibt“, war auf Video-Aufnahmen aus dem Mund eines Rädelsführers zu hören.

Dieser Punkt war nach dem fraglos peinlichen 1:4 gegen Stadtrivale Union am Samstagabend offenbar erreicht. Und es bleibt die Frage: Gibt es, wie im vergangenen Jahr bei Schalke 04, als einige Fans die eigenen Spieler attackierten und ums Stadion jagten, noch eine nächste Eskalationsstufe? Ein Gedanke, der auch die Mannschaft beschäftigen und weiter belasten dürfte.

Hertha BSC: Profis wollen Konflikt mit Fans vermeiden

Dass die Spieler nicht aus Scham oder Demut ihre Trikots niederlegten, sondern um einen „Konflikt zu vermeiden“, wie es Eigengewächs Maximilian Mittelstädt (25) bei Sky formulierte, sprach Bände: Die Profis fürchten sich vor einem kleinen Teil des eigenen Anhangs.

Kaum vorstellbar, wie in den verbleibenden fünf Saisonspielen so noch einmal der Schulterschluss gelingen soll, um den drohenden Bundesliga-Abstieg irgendwie gemeinsam abzuwenden. So bleibt nur ein Schluss: Der im Abstiegskampf so wichtige zwölfte Mann hat gestern nicht für, sondern gegen Hertha BSC gespielt.