Aussprache mit Uli HoeneßChristoph Daum: Darum wurde ich zum Lautsprecher der Liga

Christoph Daum zusammen mit Uli Hoeneß am Tisch.

Christoph Daum traf sich im August 2023 mit seinem früheren Erzfeind Uli Hoeneß am Tegernsee, um sich auszusprechen.

Trainer-Legende Christoph Daum hat sich im Vorfeld seines 70. Geburtstages mit seinem früheren Erzfeind Uli Hoeneß getroffen. Auch mit anderen Personen ist er im Reinen – bis auf einen Kollegen.

Am kommenden Dienstag (24. Oktober 2023) wird Christoph Daum 70 Jahre alt. Am Freitag darauf veröffentlicht der TV-Sender Sky eine Dokumentation über sein Leben. „Daum – Triumphe & Skandale“ berichtet von seinen Anfängen als Jugendtrainer des 1. FC Köln, den Titeln und dem Kokain-Skandal, der sein Engagement als Bundestrainer im Jahr 2001 verhindert hat.

„Klar, einige Dinge hätte ich natürlich gerne ausgelassen. Aber sie gehören zu meiner Vita mit dazu, und dat' nennt man dann Leben“, sagt Daum lächelnd. „Ich habe mir sicherlich nicht nur Freunde gemacht, ich habe aber mit allen meinen Frieden geschlossen – auch mit Uli Hoeneß.“

Christoph Daum: „Habe mit allen meinen Frieden geschlossen“

Der Ehrenpräsident des FC Bayern traf sich mit Daum unweit seines Wohnhauses am Tegernsee. „Auseinandersetzen kann man sich nur mit Starken, nicht mit Schwachen. Ich bin ein Mensch, der lange braucht, um sowas zu vergessen. Wenn’s dann vorbei ist, dann vergebe ich auch und dann ist es erledigt“, sagt Hoeneß. Im großen EXPRESS.de-Gespräch blickt Daum auf seine turbulente Karriere zurück.

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Was hat Ihnen das Treffen mit Ihrem früheren Erzfeind bedeutet?

Christoph Daum: Das hat mir sehr viel bedeutet. Ich hatte immer schon eine große Wertschätzung ihm gegenüber. Er hat sich in München nicht in ein gemachtes Nest gesetzt. 1979 befand sich der FC Bayern in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation. Da hat Uli den Verein durch viele gute Entscheidungen zu dieser Lokomotive des deutschen Fußballs gemacht.

Christoph Daum sitzt im Büro.

Christoph Daum beim Interview mit EXPRESS.de in seinem Kölner Büro.

Und nun sind Sie sogar Freunde?

Christoph Daum: Für eine Freundschaft braucht es mehr Intensität. Nach einigen Telefonaten haben wir uns im August am Tegernsee getroffen. Das ist doch ein gutes Zeichen, dass sich Rivalen, die Differenzen hatten, zusammen an einen Tisch setzen und miteinander statt übereinander sprechen. Wir haben uns umarmt, da bleibt keine Frage mehr offen. Wir gehen respektvoll miteinander um. Das heißt nicht, dass wir zusammen den nächsten Urlaub geplant haben.

Könnte durch das gemeinsame Bild auch unter das Drogenkapitel, dass Hoeneß mitentscheidend ins Rollen gebracht hatte, ein endgültiger Schlussstrich gezogen werden?

Christoph Daum: Das wird nie passieren. Diese Affäre ist wie eine Narbe, die du mit dir rumträgst. Sie verheilt zwar, bleibt aber für dich sichtbar. Ich habe das damals vereinzelt und in überschaubaren, kleinen Mengen konsumiert. Während der DFB mit dem Slogan „Keine Macht den Drogen“ warb, kokste ich im Hotelbadezimmer. Das würde ich gerne ungeschehen machen.

Christoph Daum mit seiner Haarprobe.

Christoph Daum gab eine Haarprobe ab, um seine Unschuld in der Kokain-Affäre zu beweisen.

Sicherlich auch die Haarprobe, um zu beweisen, dass Sie keine Drogen genommen hatten?

Christoph Daum: Natürlich war auch dies ein Fehler. Mein letzter Konsum lag zuvor über sechs Monate zurück. Daher meinte ich nichts zu befürchten zu haben. Reiner Calmund riet mir von der Probe ab. Ich müsste als Angeklagter nicht meine Unschuld belegen. Aber ich fühlte mich wie ein Getriebener und wollte einen Befreiungsschlag.

Ihr früherer Manager Michael Meier sagt, dass Sie in Ihrer ersten FC-Zeit auf das Lautsprecher-Dasein umgeschaltet hätten, obwohl das aber eigentlich nicht Ihrem Wesen entsprach. Hat er recht?

Christoph Daum: Eigentlich wollte ich mich nur über den Fußball definieren. Ich war ja eigentlich nur ein Co-Trainer und eine Übergangslösung bei den Profis. Durch einige Zufälle bin ich in die mediale Rolle hineingewachsen. In den ersten Schlagzeilen wurde ich noch als der „Einsilbige“ bezeichnet.

Wie hat sich das geändert?

Christoph Daum: In der Zusammenarbeit mit Sportdirektor Udo Lattek habe ich gelernt, dass man ein Spiel nicht nur auf dem Platz, sondern auch außerhalb gewinnen kann. Udo hat die Medienklaviatur perfekt beherrscht und hat auch mir gezeigt, wie man Gegner provozieren und verunsichern kann. Heute weiß ich, dass ich während meiner Karriere durchaus auch rücksichtslos war und überzogen habe. Ich habe verbale Attacken gefahren, die andere verletzt haben. Das habe ich aber in Kauf genommen.

Christoph Daum als Co-Trainer.

Christoph Daum fing als Co-Trainer des 1. FC Köln seine große Karriere an.

Wieso?

Christoph Daum: Ich bin in einer Zeit in den Job gekommen, als die Fernsehrechte erstmals zu den Privaten gegangen sind. Der Fußball entwickelte sich gerade zu einem Medienspektakel, die Öffentlichkeit interessierte sich plötzlich stark. Eine Unterhaltungsbranche braucht auch Unterhalter. Ich wurde einer davon. Aber das hatte seinen Preis.

Inwiefern?

Christoph Daum: Dass ich die Unverschämtheit hatte, als Köln-Trainer Bayern München den Fehdehandschuh hinzuwerfen, war für viele ein Unding. Viele Medien haben mich erst dafür gefeiert, dass Leben in der Liga war. Danach, als Bayern wieder Meister wurde, wurde ich durch den Kakao gezogen. Viele Provokationen von mir sind auch als Bumerang zurückgekommen. Mein Motto war aber schon immer: Wer austeilt, muss auch einstecken können.

Sie deuten in der Doku an, dass das Verhältnis zu dem damaligen Bayern-Trainer Jupp Heynckes, mit dem Sie sich im ZDF-Sportstudio gezofft haben, immer noch etwas belastet ist.

Christoph Daum: Wir haben uns mehrfach ausgesprochen und gesagt: Was auf dem Spielfeld passiert, ist nach dem Schlusspfiff vergessen. Gewisse Dinge sind aber nicht auf dem Platz passiert. Daher habe ich nie das Gefühl gehabt, dass der Jupp mir vergeben oder verziehen hat, obwohl ich mich mehrfach bei ihm entschuldigt habe. Ich bin mit ihm im Reinen, glaube aber, dass er das nicht vergessen hat.

Angelica Camm-Daum im Garten des Hauses.

Wichtige Stütze: Ehefrau Angelica Camm-Daum im Garten ihres Kölner Hauses.

Gab es weitere schwierige Verhältnisse in Ihrer Karriere?

Christoph Daum: Mit Franz Beckenbauer bin ich bei der EM 1988 aneinandergeraten. Nach der Halbfinal-Niederlage kritisierte er als Teamchef das deutsche Zweikampfverhalten. Dabei war gerade das in meinen Augen unsere Stärke. Ich stand da, umringt von Journalisten, und fragte mich, ob er ein anderes Spiel gesehen habe. Daraus entstanden mehrere Schlagzeilen. Vor dem Finale in München wollte ich mich bei Franz entschuldigen. Er entgegnete: „Das ist ja so, als würde der Hund den Mond anbellen“.

Wie haben Sie reagiert?

Christoph Daum: Ich war erst schockiert, weil er mich im VIP-Raum so bloßgestellt hatte und fühlte mich sehr verletzt. Aber auf den Mund gefallen war ich nie. Mit meiner Rest-Ironie habe ich gesagt: „Okay, Franz. Du musst nur wissen, ob es ein zunehmender oder abnehmender Mond ist“. Damit war das Tischtuch zerschnitten. Bei der nächsten Trainertagung haben wir aber zusammen ein Bier getrunken und plötzlich war alles vergessen.

Christoph Daum: Nach Drogen-Affäre blieben nur wenige Freunde

Wen würden Sie nach dieser turbulenten Karriere noch als Freund bezeichnen?

Christoph Daum: Ich habe noch zwei enge Freunde: Thomas Jenner und Rolf Lövenich. Die könnte ich jederzeit anrufen, sie würden immer kommen. Sonst hat sich vieles in Wohlgefallen aufgelöst. Nach der Drogen-Affäre hat sich doch sehr die Spreu vom Weizen getrennt. Auf die Unterstützung von Reiner Calmund kann ich natürlich auch immer zählen, der hilft auch, wo er kann.

Würden Sie sich als glücklichen Menschen bezeichnen?

Christoph Daum: Absolut. Die letzten 70 Jahre haben sich zwar wie eine Achterbahnfahrt angefühlt, bei der ich oft dachte, ich fliege gleich aus der Kurve. Aber es war nie langweilig. Ich bin mit mir im Reinen, habe vier tolle Kinder und eine wunderbare Familie.