Nach der Blamage von Bratislava folgte die kollektive Erleichterung in Köln. Julian Nagelsmann siegte mit der Nationalmannschaft gegen Nordirland. Ein Kommentar zur Situation, neun Monate vor der WM.
Böses Erwachen aus TitelträumenNagelsmann muss Kurs korrigieren

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Nachdem Florian Wirtz den Freistoß zum 3:1 im Tor versenkt hatte, feierten die Spieler der Nationalmannschaft am Sonntagabend (7. September 2025) die Erlösung.
08.09.2025, 10:06
20 Minuten voller Energie reichten der deutschen Nationalmannschaft, um in Köln den fußballerischen Totalschaden zu verhindern. Matchwinner Nadiem Amiri stellte gegen Nordirland die Weichen dann doch auf Sieg.
Der 3:1-Erfolg am Sonntagabend (7. September 2025) hat die Wogen wieder etwas geglättet. Die Anspannung war im DFB-Lager nämlich durchaus groß. Demonstrativ hatte die Führungsspitze des Verbands am Morgen noch mit Julian Nagelsmann im Hotel gefrühstückt.
Julian Nagelsmann: Bilanz beim 1:1 identisch zu Hansi Flick
Er sei absolut der richtige Mann für die Aufgabe – diese Botschaft wollten die Bosse aussenden. Nach gut einer Stunde drohte die Trainerdiskussion weiter rasant Fahrt aufzunehmen. In den sozialen Netzwerken wurde bereits mit einem Augenzwinkern FC-Retter Friedhelm Funkel als Notnagel genannt. Passenderweise saß der beim Länderspiel sogar auf der Tribüne.
Auch der Blick auf die Statistik zeigte beim Stand von 1:1 ein interessantes Detail. Zu dem Zeitpunkt hatte Nagelsmann mit zwölf Siegen, sieben Unentschieden und sechs Niederlagen in 25 Spielen die gleiche Ausbeute wie Vorgänger Hansi Flick. Der wurde im September 2023 nach einer Niederlage gegen Japan entlassen.
Zwei Jahre später wird es nicht erneut zu solch einer Situation kommen. Nicht nur der späte und dennoch verdiente Erfolg gegen Nordirland sorgte für eine Beruhigung der Lage. Der Bundestrainer sei in vielen Bereichen einfach Leidtragender der Situation, heißt es bei der Bewertung seiner Arbeit.
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Die personellen Ausfälle – allen voran in der Offensive – seien nicht aufzufangen. Dem Team fehlt einfach ein Jamal Musiala. Wenn dann noch Akteure wie Nick Woltemade und Florian Wirtz noch nicht auf Touren kommen, herrscht schnell Ebbe. Dass am Ende Amiri in seinem erst neunten Länderspiel die Sache regeln musste, zeigte, wie rar die Alternativen im Kader gesät waren.

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Julian Nagelsmann jubelte völlig losgelöst nach dem Tor zum 3:1. Der Druck, der auf dem Bundestrainer lastete, war schon enorm.
Was dem Bundestrainer aber durchaus angekreidet werden kann, ist die weiterhin fehlende Stabilität. Spiel für Spiel wird in Sachen Aufstellung und Grundausrichtung experimentiert. Gegen Nordirland versuchte es Nagelsmann mit einer Dreierkette. Aber auch die wirkte gegen den 71. der Weltrangliste nicht sattelfest.
Man mag sich nicht vorstellen, was bei der WM im kommenden Sommer passiert, wenn die Teams von Spanien, Frankreich, England, Argentinien oder Brasilien auf diese Defensive zurollen. Antonio Rüdiger ist bei weitem kein Anführer mehr. Die Nebenleute – ob Jonathan Tah, Waldemar Anton oder Robin Koch – wackeln ebenfalls. Stabile Außenverteidiger sind zudem nicht in Sicht.
Daher sollte der Bundestrainer neun Monate vor Turnierbeginn nicht weiter unrealistische Titelträume im Land wecken. Auch sein lautstark verkündeter Plan, dominant durch die WM-Quali zu marschieren, ist bereits krachend gescheitert. Wie brutal dann das Erwachen bei den Fans ist, zeigte sich an den Reaktionen in Köln.
Deutschland wird sich möglicherweise das WM-Ticket sichern. Zum ernstzunehmenden Kreis der Favoriten gehört diese Mannschaft dann aber trotzdem nicht. Dafür sind die Qualitäten doch zu beschränkt. Angesichts dieser ernüchternden Erkenntnis sollte Nagelsmann seinen Kurs korrigieren.