„Für 1. FC Köln ist Europa drin“Weltmeister Kohler über Baumgart, Bayern und Dortmunds Titelchance

Jürgen Kohler am Sportpark Höhenberg.

Jürgen Kohler, hier am 5. Oktober 2019, vor dem Spiel von Viktoria Köln gegen Ex-Klub Waldhof Mannheim.

Jürgen Kohler spielte für den 1. FC Köln, Borussia Dortmund und die Bayern. Vor dem Duell des FC gegen den BVB schaut er auf das Saisonfinale in der Bundesliga.

von Alexander Haubrichs (ach)

Ausfälle und Lewandowski-Wirbel bei den Bayern, Dortmund mit einem Last-Minute-Sieg in Mainz – wird aus dem „Titelkämpfchen“ noch ein spannendes Meisterrennen im Saison-Finale? „Der nächste Spieltag kann darauf schon eine Antwort geben“, glaubt Jürgen Kohler (56), bis zum Sommer U19-Trainer bei Viktoria Köln.

Der Weltmeister von 1990 spielte in der Bundesliga neben Waldhof Mannheim auch für den 1. FC Köln, Borussia Dortmund und den FC Bayern München. Während der FC den BVB erwartet, müssen die Bayern gegen Union Berlin ran.

Jürgen Kohler glaubt, dass es vor allem in Müngersdorf hoch hergeht. „Für beide Teams geht es um sehr viel“, sagt der frühere Weltklasse-Verteidiger im Interview mit EXPRESS.de vor dem Duell am Sonntag (19.30 Uhr, live auf DAZN) vor möglicherweise erstmals wieder 50.000 Zuschauer. „Die Fans dürfen auf ein spektakuläres Spiel hoffen!“

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Jürgen Kohler, seit Mittwoch ist der BVB auf vier Punkte ran an die Bayern und die Fußball-Fans hoffen wieder auf Spannung im Titelkampf. Berechtigt?

Kohler: Naja, zumindest verspricht die Tabelle das nun doch wieder. Vier Punkte, dazu das direkte Duell im April in München. Plötzlich könnte für Borussia Dortmund wieder was gehen. Aber das hängt auch viel vom kommenden Wochenende ab.

Eigentlich schien die Meisterschaft ja wieder für die Bayern entschieden. Wie konnte es wieder knapp werden?

Kohler: Die Münchner haben ein bisschen mit Verletzungen und Corona-Ausfällen zu kämpfen. Vielleicht haben sie sich auch schon zu sicher gefühlt. Mal sehen, wie sie jetzt darauf reagieren, wenn sie den BVB wieder im Nacken spüren.

Wie schwer wiegt die Verletzung von Niklas Süle?

Kohler: Süle allein müsste der Kader auffangen können. Aber da ist immer noch die Lücke durch den Abgang von David Alaba, der im Vorjahr gemeinsam mit Manuel Neuer alles nahezu im Alleingang abgeräumt hat – und auch immer wieder wichtige Tore erzielt hat. Auch Jerome Boateng fehlt als Spieler und als Typ. Dazu kommt der Ausfall von Leon Goretzka.

Münchens Robert Lewandowski bejubelt sein Tor zum 3:0.

Robert Lewandowski jubelt nach seinem Dreierpack am 8.3.2022 gegen RB Salzburg.

Und die Diskussion um Robert Lewandowski.

Kohler: Robert hat den Bayern in den vergangenen Jahren herausragende Dienste geleistet, vorher auch in Dortmund immer abgeliefert. Klar, dass er das gewürdigt sehen will. Ich hoffe, dass er den Bayern mindestens noch zwei Jahre erhalten bleibt – dann kann er immer noch einen Tapetenwechsel anstreben.

Lewandowski ist 33. Hätte Bayern nicht viel ernsthafter in das Bieten um Erling Haaland einsteigen sollen?

Kohler: Bei den Summen, die da gehandelt werden, bekommen selbst die Bayern kalte Füße. Auch musst du auf deine Gehaltsstruktur aufpassen. Wenn einer ein, zwei Millionen mehr verdient – okay. Aber wenn er gleich das Doppelte oder mehr bekommt, dann ist das natürlich schwierig. Es war schon bei Giovane Elber so und wird auch bei Robert Lewandowski so sein: Irgendwo werden die Bayern jemanden finden, der wie die Faust aufs Auge passt.

Trotzdem ist Dortmund wieder dran. Wird ihre Leistung in dieser Bundesliga-Saison nicht genügend gewürdigt?

Kohler: Aus Pokal und dem internationalen Geschäft sind sie ja viel zu früh raus. In der Bundesliga sind sie dran, aber ohne wirklich gut zu spielen. Das war auch im vergangenen Jahr unter Edin Terzic so. Aber vielleicht platzt mit steigendem Selbstvertrauen der Knoten. Da bin ich auf Sonntag gespannt.

Jürgen Kohler im Ibrox Park gegen die Glasgow Rangers.

Jurgen Kohler am 25. November 1999 im Trikot von Borussia Dortmund gegen Rod Wallace von den Glasgow Rangers.

Da wartet der 1. FC Köln auf sie. Überrascht von der Leistung der Mannschaft?

Kohler: Ich habe schon vor Saisonbeginn gesagt, dass ich der Mannschaft Platz acht bis zwölf zutraue. Aber Steffen Baumgart hat nochmal mehr rausgeholt. Der hart erkämpfte Klassenerhalt hat das Team zusammengeschweißt. Dazu kommt Anthony Modeste, der die Hälfte der Tore schießt.

Und dazu Baumgart, der voll auf Offensive setzt.

Kohler: Damit ist er in Paderborn allerdings auch auf die Nase gefallen. Aber in Köln hat er sicher die besseren Einzelspieler. Er weiß, dass die Gegner in der Bundesliga unter Druck Probleme bekommen. Und das nutzt er aus. Wenn sich dann der Erfolg gleich am Anfang einstellt, dann ergibt eins das andere.

Ist Europa für den 1. FC Köln drin?

Kohler: Selbstverständlich! Sie sollten das Momentum genießen und daraus Stärke schöpfen, dann können sie ins internationale Geschäft kommen. Was dann mit der Doppelbelastung im nächsten Jahr ist, muss man sehen. Aber angesichts der wirtschaftlichen Probleme durch Corona könnte ein Einzug in die Europa League natürlich helfen.

Wer hat am Sonntag aus Ihrer Sicht die Nase vorn?

Kohler: Ich habe bei allen Vereinen meine Geschichte und bin mit ihnen verbunden. Wenn also alle unentschieden spielen würden, wäre ich wohl fein raus (lacht).