Früher Gladbach-Profi, heute Spielerberater. Havard Nordtveit hat die Seiten gewechselt und betreut heute unter anderem Sebastian Sebulonsen vom 1. FC Köln. Für ihn steht daher am Samstag ein besonderes Derby an.
„Mehr als ein Spiel“Derby-Faszination: FC-Berater hat Gladbach-Herz

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Havard Nordtveit im Derby gegen den 1. FC Köln für Borussia Mönchengladbach im Einsatz.
Aktualisiert
Er ist ein Urgestein bei Borussia Mönchengladbach. Havard Nordtveit (35) schnürte zwischen 2011 und 2016 insgesamt fünfeinhalb Jahre die Schuhe für die Fohlen. Der Norweger absolvierte 187 Spiele, so viele wie für keinen anderen Verein in seiner Karriere, kam dabei sowohl in der Champions League als auch in der Europa League zum Einsatz.
Seine aggressive und kämpferische Spielweise brachte ihm am Niederrhein den Spitznamen „NordtFight“ ein. Inzwischen hat der Abräumer seine Karriere beendet und ist als Spielerberater tätig. Das führt vor dem Derby des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag (18.30 Uhr, Sky und im Liveticker auf EXPRESS.de) zu einer besonderen Konstellation.
Nordtveit schwärmt vom FC: „Ein geiler Klub“
Denn auf der einen Seite trägt „Howie“ Nordtveit noch immer die Raute im Herzen, auf der anderen Seite drückt er als Berater von Sebastian Sebulonsen (25) natürlich auch seinem Schützling die Daumen. Im Interview mit EXPRESS.de spricht Nordveit über die Faszination Derby, seine eigenen Erfahrungen und seinen Rat an „SebSeb“.
Havard Nordtveit, Sie haben als Gladbacher einen FC-Transfer eingefädelt. Kommt auch nicht alle Tage vor, oder?
Havard Nordtveit: Das kann man so sagen (lacht). Ich muss auch zugeben, dass ich vorher etwas nervös war, weil ich nicht abschätzen konnte, wie die Reaktionen sein werden. Aber ich habe mir umsonst Gedanken gemacht. Wir sind von allen super empfangen worden beim FC. Es ist natürlich eine besondere Konstellation und Thomas Kessler und ich haben auch viele Scherze vor der Vertragsunterzeichnung drüber gemacht. Er wollte mir beispielsweise ein FC-Trikot mit Nordveit hintendrauf schicken. Wir konnten beide drüber lachen und am Ende war alles kein Problem. Ich bin sehr froh, dass Seb nun beim FC ist.
Wie sehen Sie seine bisherigen Leistungen?
Nordtveit: Ich finde, er hat einen super Start in der Bundesliga hingelegt. Ich bin sehr zufrieden mit ihm und freue mich, dass er in Köln eine Chance bekommt. Er hatte im Sommer viele andere Optionen, aber ich habe ihm klar zum FC geraten. Ich habe ihm gesagt: ,Wenn du die Chance hast, bei einem der größten Traditionsvereine in Deutschland zu spielen, dann ergreife sie.‘
Nun wartet das erste Derby auf ihn. Was werden Sie ihm für dieses besondere Spiel mit auf den Weg geben?
Nordtveit: Ich habe ihm gesagt: ,Freu‘ dich auf das Spiel und genieß es‘. Er ist als Schachfigur auf dem Brett Teil einer wahnsinnigen Show. Es wird die Hölle los sein in Gladbach, das wird richtig knallen auf dem Platz. Das Derby zwischen Gladbach und Köln gehört für mich zu den besten und intensivsten in Deutschland, wenn nicht in ganz Europa. So etwas erlebt man in seinem Fußballer-Leben nicht alle Tage.
Sie haben solche Spiele mehrfach erlebt. Welche Derby-Erinnerungen haben Sie?
Nordtveit: Es ist so, dass man diese Spiele nie vergisst, die brennen sich in dein Gedächtnis ein. Es gibt normale Bundesliga-Spiele und es gibt Derbys. Da gelten andere Gesetze. Besondere Erinnerungen habe ich natürlich an mein allererstes Spiel gegen die Roten. Ich habe damals beim 5:1-Sieg (Anm. d. Red.: am 10. April 2011) mein allererstes Tor für die Borussia geschossen. Das war schon ein sehr besonderer Moment in meiner Karriere.
Wussten Sie, als sie 2011 nach Gladbach kamen, um die enorme Bedeutung des Derbys in der Region?
Nordtveit: Nein, vor meinem ersten Derby war mir die Wichtigkeit nicht bewusst. Es wurde mir aber spätestens klar, als unser damaliger Trainer Michael Frontzeck vor dem Spiel gegen die Bayern eine Woche vor dem Derby zu uns gesagt hat: ,Scheißegal, was heute passiert. Wichtig ist nächste Woche gegen Köln.‘ Die ganze Dimension wurde mir aber erst nach einem besonderen Vorfall bewusst.

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Spielerberater und Ex-Profi Havard Nordtveit postete dieses Bild von sich und FC-Neuzugang Sebastian Sebulonsen bei der Vertragsunterschrift in Köln.
Erzählen Sie …
Nordtveit: Das war ein Schlüsselmoment für mich. Ich erinnere mich daran, dass wir einmal im Bus saßen und plötzlich ein Fan-Bus vom FC neben uns angehalten hat. Ich war in meinem eigenen Film und habe Musik gehört. Als ich rübergeguckt habe, hingen die Insassen an der Scheibe und haben die Kopf-ab-Geste in unsere Richtung gemacht. Da wusste ich: Das ist für die Menschen in der Region mehr als nur ein gewöhnliches Spiel.
Haben Sie nach verlorenen Derbys auch mal den Ärger der eigenen Fans zu spüren bekommen?
Nordtveit: Das ist sicher vorgekommen, aber ich erinnere mich an eine ganz andere Situation. Wir hatten mit Lucien Favre mehrere Spiele hintereinander verloren. Dann kam das Derby in Köln, das wir dann auch noch verloren haben. Als wir nach dem Spiel zurück am Borussia Park angekommen sind, haben dort rund 5000 Fans auf uns gewartet. Niemand wollte aus dem Bus aussteigen, bis der Trainer nach ein paar Minuten gesagt hat: ,Jungs, wir müssen jetzt raus.‘ Wir waren auf das Schlimmste vorbereitet, dabei waren alle nur gekommen, um zu signalisieren, dass sie geschlossen hinter uns stehen. Ich hatte Gänsehaut, als sie dann auch noch für uns gesungen haben. Das war echt heftig. So etwas vergisst man nicht. Und was ist danach passiert: Wir haben das nächste Spiel gewonnen.
Genießen Sie als Derby-Torschütze immer noch einen besonderen Stellenwert in Gladbach?
Nordtveit: Ich denke schon, dass sich die allermeisten Gladbach-Fans daran erinnern werden, dass ich gegen Köln getroffen habe. Wenn man als Spieler jahrelang alles für den Verein gegeben hat und ein guter Junge war, dann vergessen einen die Leute vor Ort nicht. Wenn ich heutzutage in den Borussia-Park zurückkomme, fühlt es sich so an, als ob ich immer noch einen Schlüssel für jede Tür hätte. Ich kenne noch so viele Leute von früher und wenn es heißt, „Howie“ kommt zu Besuch, dann wissen alle Bescheid. Sie sehen mich immer noch eher als Spieler und nicht als Berater.
Haben Sie auch noch Verbindungen zur aktuellen Mannschaft?
Nordtveit: Ich habe mit Eugen Polanski bei der TSG Hoffenheim zusammengespielt. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, dass er am Wochenende die drei Punkte gegen St. Pauli eingefahren hat. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Ich habe ihn zuletzt angerufen, um ihn zu fragen, ob ich mir ein Training anschauen darf. Er hat mich daraufhin sofort eingeladen.
Wie bewerten Sie die Ausgangslage vor dem Spiel? Der FC sorgt als Aufsteiger für Furore, Gladbach steckt trotz des Sieges auf St. Pauli tief unten drin.
Nordtveit: Ich glaube, es ist auf gut Deutsch gesagt ,scheißegal‘, was vorher war und wie die Tabellenkonstellation ist. Das Derby hat seine eigenen Gesetze. Da spielt es keine Rolle, ob eine Mannschaft grade gut drauf ist oder die andere unten drinsteht. Wenn das Derby angepfiffen wird, stehen die Uhren auf null. Da kann alles passieren. Ich habe es selbst erlebt, dass wir in schlechten Phasen ein Derby gespielt haben und ein Erfolg in diesem Spiel eine Initialzündung war. Alle 22 Spieler auf dem Feld wissen, was die Stunde geschlagen hat. Ich würde also keine Wette auf den FC abschließen, obwohl sie sich derzeit so stark präsentieren. Ich glaube, es wird ein enges Spiel. Es wird darauf ankommen, wer den Sieg an diesem Tag mehr will.
Abschließend die Frage: Für wen schlägt ihr Herz am Samstag?
Nordtveit: Sorry Seb, aber immer für Borussia. Mein Wunsch-Szenario wäre, dass er einen Assist macht, ein gutes Spiel zeigt, aber Borussia am Ende gewinnt. Ich freue mich nach dem Spiel schon auf das Gespräch mit ihm. Ich bin gespannt, ob er diese Wucht, die ich damals gespürt habe, auch so erlebt hat.


