Denkwürdiger Doppelpass-AuftrittFC-Boss Keller über Fehler – Effenberg wird deutlich, Freund entsetzt

FC-Geschäftsführer Christian Keller im Doppelpass.

Christian Keller, Geschäftsführer des 1. FC Köln, war am 21. April 2024 zu Gast im Sport1-Doppelpass.

Der 1. FC Köln hat am Samstag gegen Schlusslicht Darmstadt eine klägliche Leistung auf den Platz gebracht. Am Sonntag war Sportchef Christian Keller zu Gast im Doppelpass.

von Uwe Bödeker (ubo)

War’s das für den 1. FC Köln? Am Sonntag (21. April 2024) wurde im Sport1-Doppelpass über den 1. FC Köln diskutiert. Nach dem 0:2 gegen Schlusslicht Darmstadt 98 war auch FC-Geschäftsführer Christian Keller (45) in der Talk-Runde zu Gast. Es wurde ein denkwürdiger Auftritt.

Denn Keller gestand zahlreiche Fehler ein, finanziell wurde der Klub unter seiner Führung saniert, sportlich kam es zu einem bitterbösen Absturz. Keller räumte ein: „Die Fakten sind tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Im Fußball zählt am Schluss das Ergebnis.“ Raunen im Publikum, denn Keller musste dafür natürlich ins Phrasenschwein einzahlen. Er lächelte das weg: „Ich habe genug Geld da!“

Christian Keller: Optimismus ist da, aber gering

Keller wurde dann wieder ernst: „Es ist einfach so, das Ergebnis ist nicht ausreichend. Aber es gibt keine Alternative zum Optimismus. Wir haben noch vier Spiele.“

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Wie klein dieser Optimismus ist, wurde wenig später deutlich. Keller meinte: „Wir waren ja wirklich in den Basics schwach, sehr schwach sogar. Wir waren total verängstigt. Das ist der komplett falsche Ansatz. Eigentlich muss dich die Freude antreiben, etwas gewinnen zu können. Wenn du Angst hast, dann sieht es so aus, wie es ausgesehen hat am Samstag.“

Dann wurde Keller deutlich: „Gestern haben wir ein Muss-Spiel hergeschenkt. Mit dieser Leistung wird es nicht reichen, wenn wir keinen Quantensprung machen.“

Sport1-Experte Stefan Effenberg (55) sieht auch kaum noch Hoffnung: „Wenn du Hochleistungssportler bist und Angst hast, ein Spiel zu verlieren, obwohl es noch nicht mal angepfiffen wurde, dann wird es natürlich eng, die Klasse zu halten. Das ist ja klar. Köln hat verdammt viele Schwächen. Wenn du im Abstiegskampf die Heimspiele nicht auf deine Seite ziehst, dann wird es schwierig. Wie sie sich da präsentieren – es kommt der Tabellenletzte, das Stadion ist voll – und du kannst nicht liefern, dann hat das ja nichts mehr mit den Beinen zu tun. Das spielt sich dann alles im Kopf ab. Und da bezweifle ich, dass das rausgeht in den letzten vier Spielen beim 1. FC Köln.“

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Keller zu Trainer Timo Schultz (46): „Er macht es sehr, sehr gut. Er arbeitet sehr systematisch. Ist sicherlich nicht immer so ruhig, wie er sich nach außen gibt. Am Trainer liegt es sicherlich nicht.“

Der Köln-Boss ging dann erneut mit den Spielern hart ins Gericht. Vor allem die Schwäche bei gegnerischen Standards – Darmstadt traf zum 1:0 nach einer Ecke – regte ihn auf. Die Kölner Zuordnung im Strafraum war schwach: „Bei uns fängt es da schon an, dass wir einfach nicht richtig im Raum stehen. Da hängen immer schön viele Bilder in der Kabine aus, wer wo stehen soll bei welcher Variante. Aber so da so zustehen, da hing kein einziges Bild aus in der Kabine. Das ist das, was bitter ist: Du musst die Basics richtig machen.“

1. FC Köln in der Einzelkritik

Die Noten der FC-Profis im Bundesliga-Spiel gegen Darmstadt 98

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Die Frage kam auf: Sind die Spieler einfach zu schlecht? Keller: „Bei einem Standard den absoluten Willen zu haben, das Tor zu verteidigen, das hat nichts mit Qualität zu tun. Das ist dann schon eine Kopfsache. Wir haben eine Mannschaft, bei der vor Saisonbeginn klar war, dass wir um den Klassenerhalt spielen werden. Wir haben aber auch eine Mannschaft, die es besser kann als zuletzt gezeigt.“

Ex-Profi Steffen Freund meinte zum FC generell: „Man ist schon in der Lage mitzuhalten. Aber gegen Darmstadt, die schlechtestes Mannschaft der Liga – wenn du da nicht das Spiel irgendwie gewinnen kannst. Du musst ja noch nicht mal gut spielen. Im Ballbesitz ist Köln für mich im Moment die schlechteste Mannschaft der Liga. Ich habe das Gefühl, beim FC ist gar keine Philosophie mehr erkennbar, dann steigst du ab.“

Zwei Trainer, Steffen Baumgart (52) und Timo Schultz, haben das Potenzial der Spieler in dieser Spielzeit nicht abrufen können. Effenberg meinte: „Es ist eine Frage der Qualität. Ich frage mich: Wo sind die Führungsspieler?“ Kellers Antwort: „Der Kader hat schon ein paar Spieler, die Qualität haben: Waldschmidt, Uth, Kainz, Ljubicic, auch Chabot und Schwäbe. Aber etliche, die den Kader ziehen könnten, kriegen es nicht hin.“

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Traut er es den Spielern selber noch zu? Keller: „Was soll ich denn sagen? Ich kann ja nicht sagen, wir haben gut gespielt. Es war halt nicht so. Am Schluss glaube ich aber an unsere Mannschaft, denn es ist meine Mannschaft, also ist es meine Verantwortung. Wir kritisieren hier eine Spielleistung. Bevor eine Mannschaft kritisiert wird, muss ich kritisiert werden, weil ich bin am Schluss hauptverantwortlich.“

Effenberg: „Da ist Timo Schultz nicht“

Dann ging es weiter um Schultz, hat er die Erfahrung für den Abstiegskampf? Effenberg meinte: „Du brauchst in der extrem schwierigen Situation Abstiegskampf einen Trainer, der vorangeht, der das ganze Umfeld mitnimmt. Wie in Mainz. Das ist wichtig, dass du einen Trainer hast, der das lebt an der Seitenlinie 90 Minuten und auch vor und nach dem Spiel. Das ist jetzt Timo Schultz nicht. Er ist genau ein Gegenpol dazu. Das war jetzt eure Entscheidung. Ob sie aufgeht, werden wir nächste Woche wissen.“

Über die Pfiffe gegen seine Person und die lauten „Keller raus“-Rufe meine der FC-Boss: „Ich verstehe den Frust. Mir ist das lieber, sie schreien meinen Namen als den der Spieler oder des Trainers, denn sie müssen am nächsten Wochenende wieder auf dem Platz stehen. Und das müssen sie besser tun.“

Er räumte weitere Fehler ein: „Mir ist es nicht gelungen, die Abgänge von Hector und Skhiri zu kompensieren. An ihnen hing die Stabilität der Mannschaft. Auf der Sechser-Position tun wir uns schwer. Ich möchte aber nicht in den Rechtfertigungsmodus kommen. Aber Gründe sind da. Der FC war in einer Situation, wo wir das wirtschaftliche Überleben sichern mussten. Ich muss mich dennoch der Frage stellen, ob man bessere Personalentscheidungen hätte treffen können.“

Abstieg trifft Köln hart: über 40 Millionen Euro an Einbußen

In der Runde wurde dann heftig diskutiert: War der Sanierungsplan zu radikal, ging es nur auf Kosten der sportlichen Qualität? Der Abstieg würde den FC jedenfalls teuer zu stehen kommen: 29 Millionen Euro weniger TV-Geld, Sponsoring-Einnahmen würden um bis zu 15 Millionen Euro sinken. Keller gestand: „Die Zahlen stimmen von den Größenordnungen ungefähr. Die 2. Liga würde mit einem erheblichen Umsatzeinbruch einhergehen. Um die 40 Millionen Euro weniger Umsatz. Es sinken aber auch die Stadionpacht. Die ist weitaus geringer. Es ist entscheidend, was an Aufwandsreduktion gegenübersteht. Die Botschaft ist klar: Der FC kann sich auch in der 2. Liga aus eigener Kraft tragen und kann ein positives Jahresergebnis erwirtschaften.“

Doch sportlich droht der weitere Absturz. Mark Uth und Davie Selke haben keinen Vertrag für 2. Liga. Einige andere können mit Klauseln im Abstiegsfall gehen: Marvin Schwäbe, Jeff Chabot, Timo Hübers. Keller meinte: „Es ist tatsächlich so. Man muss schauen, was nach der Saison passiert. Es kommen aber sechs Leihspieler zurück.“

Steffen Freund war regelrecht entsetzt: „Wenn die fünf Spieler weggehen, dann gute Nacht, 1. FC Köln. Wir haben keine Führungsspieler beim FC. Schultz zu holen, war ein Fehler, nur 0,9 Punkte hat er im Schnitt. So wie es aussieht, wird der FC ein Durchschnittsverein in der 2. Liga. Das ist eine katastrophale Message an die Fans.“

Freund nannte einige Beispiele von abgestürzten Klubs: Hamburg, Hertha, Schalke, Hannover, Düsseldorf. „Schade, der FC gehört eigentlich in die Bundesliga. Diese gute Stimmung rund um den FC ist völlig weg.“