EM 2021 im ZDFVierfache Europameisterin komplettiert Kommentatoren-Duo

Ariane Hingst EM 2021

Die vierfache Europameisterin Ariane Hingst ist bei der EM 2021 für das ZDF als Co-Kommentatorin von Claudia Neumann im Einsatz.

Köln – Insgesamt 15 Jahre lief Ariane Hingst (41) für die deutsche Frauen-Nationalmannschaft auf und gewann einen Titel nach dem anderen. Sie ist nicht nur zweifache Weltmeisterin, sondern gewann die Europameisterschaft ganze viermal und damit jedes Mal, wenn Sie im Kader stand. 

  • EM 2021 live im ZDF 
  • Ariane Hingst bei der EM 2021 im ZDF
  • Ariane Hingst als Co-Kommentatorin von Claudia Neumann

Bei der EM 2021 wird Sie erstmals in einer neuer Rolle auftauchen. Hingst wird die ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann (57) als Co-Kommentatorin unterstützen.

EM 2021 im ZDF: Vierfache Europameisterin Ariane Hingst als Co-Kommentatorin

Bis 2013 war die gebürtige Berlin noch als Spielerin aktiv. In ihrer Karriere spielte Sie unter anderem für Turbine Potsdam, den 1. FFC Frankfurt, aber auch im Ausland bei Djurgårdens IF, Newcastle United Jets oder Canberra United. Mit 174 Einsätzen ist Hingst zudem auf Platz 3 der Liste der Rekordnationalspielerinnen.

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Hingst Potsdam Meister

2006 gewann Ariane Hingst (m.) mit dem 1. FFC Potsdam das Double aus Meisterschaft und Pokal.

Seit 2016 ist Hingst Co-Trainerin bei den Frauen des VfL Wolfsburg und feierte mit ihrem Team am 30. Mai den DFB-Pokalsieg (1:0 n.V. gegen Eintracht Frankfurt). Im EXPRESS-Interview erklärt die vierfache Europameisterin, was es braucht, um bei großen Turnieren erfolgreich zu sein, auf welche Teams sie sich bei der EM freut und warum eine Frauenquote im deutschen Fußball notwendig ist.

Frau Hingst, Sie sind zwar nicht mehr als Spielerin aktiv, haben aber trotzdem einen Anruf erhalten, dass Sie bei einer Europameisterschaft gebraucht werden. Sie werden bei der EM 2021 im ZDF als Co-Kommentatorin an der Seite von Claudia Neumann arbeiten. Wann haben Sie davon erfahren und was haben Sie in dem Moment gedacht?

Ich bin ein Mensch, der auch immer wieder offen für Neues ist, wobei man auch sagen muss, dass ich außerhalb von Deutschland schon für Fernsehsender gearbeitet habe. Ich kannte Claudia Neumann schon über Jahre und fand es eine spannende und coole Aufgabe und freue mich, dass es jetzt so geklappt hat. Claudia Neumann hat uns auch damals bei der Nationalmannschaft begleitet, von daher kannten wir uns verhältnismäßig gut. Von ihr kam dann vor etwa eineinhalb Jahren auch der erste Anruf und sie hatte mir von ihrer Idee erzählt und, dass sie dem Sender ein Modell mit mir als Co-Kommentatorin vorgeschlagen hatte.

Inwiefern unterscheidet sich die Vorbereitung als Co-Kommentatorin im Vergleich zur Vorbereitung als Spielerin? Kennen Sie die Mannschaften und einzelnen Spieler vielleicht so sogar etwas besser?

Als Spielerin habe ich mich selbst nie auf andere Mannschaften vorbereiten müssen, da wurde das vom Trainerteam vorbereitet und präsentiert. Da hat man sich mehr auf das eigene Spiel konzentriert. Auf der Trainerposition ist das jetzt natürlich was anderes, da setzt man sich schon deutlich mehr mit den Gegnern auseinander und als Kommentatorin genauso. Da sollte man schon etwas über die Spielidee und die Schlüsselspieler Bescheid wissen.

Claudia Neumann Ariane Hingst EM 2021

Die zweifache Weltmeisterin Ariane Hingst wird Claudia Neumann im ZDF als Co-Kommentatorin unterstützen.

Sie sind nicht nur im TV EM-Expertin, sondern waren es auch in Ihrer Karriere. Sie sind vierfache Europameisterin und haben alle Europameisterschaften gewonnen, an denen Sie teilgenommen haben. Was braucht es um bei großen Turnieren erfolgreich zu sein?

In erster Linie braucht es erstmal eine super Mannschaft, ein geschlossenes Team mit einem guten Teamgeist und jeder muss bereit sein. Natürlich braucht man auch eine gewisse Qualität und gerade in einem großen Turnier gehört dann auch mal ein Quäntchen Glück dazu. Ganz entscheidend für mich ist die Gewinnermentalität. Man hat es schon oft genug gesehen, dass bei einem Turnier nicht immer die Mannschaft mit der besten Qualität gewonnen hat, sondern die mit dem größten Siegeswillen.

Sehen Sie das aktuell in der deutschen Nationalmannschaft?

Definitiv. Nach dem Debakel-Spiel gegen Spanien waren Sie ja schon auf dem Boden und wurden von allen Seiten stark attackiert. Das ist aber auch etwas, was eine Mannschaft zusammenschweißen kann und eine Chance zu sagen: Jetzt erst recht, wir besinnen uns auf uns und wissen, was unsere Stärken sind. Es ist immer so, aus Niederlagen lernt man am meisten. Und was die Mannschaft für eine Qualität hat, da müssen wir glaube ich gar nicht drüber diskutieren. Wichtig ist, dass sie die dann am entscheidenden Tag auch auf den Platz bringen können.

Gibt es Mannschaften, auf die sie sich bei der EM besonders freuen? Wer könnte überraschen?

Natürlich ist es mal wieder eine Freude Belgien zu sehen, das ist eine Mannschaft, die viel Spaß macht. Sie werden immer hoch gehypt, das ist sicherlich auch nicht einfach, aber trotzdem ist es eine Mannschaft mit viel Qualität, deren Spiele man sich gerne anschaut. Dann mal gucken, was mit England ist, die haben auch eine spannende junge Truppe.

Was trauen Sie der DFB-Elf zu? Schafft sie überhaupt die knifflige Gruppenphase?

Alles. Ich glaube, das hat der europäische Fußball gezeigt, dass die Mannschaften sehr eng beieinanderliegen. Was man sonst immer der deutschen Mannschaft nachsagt, dass sie eine Turniermannschaft ist, die sich in ein Turnier reinsteigert und sich verbessert, könnte eng werden, denn dieses Mal muss man wirklich ab dem ersten Spiel schon bei hundert Prozent sein. Ich denke schon, dass die Mannschaft auch Möglichkeiten hat.

Gibt es ein Turnier oder einen Titel der Ihnen persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist?

Wenn es nur um ein Spiel geht, war es tatsächlich das Halbfinale bei der WM 2003 in Portland gegen die USA. Das war mit eines der krassesten Spiele für mich. Mit dem ganzen Drumherum und den Voraussetzungen vorher und dann die USA zum ersten Mal geschlagen zu haben. Das ist ein Spiel, was mir dauerhaft in Erinnerung bleiben wird.

Beim DFB herrscht weiter ein ziemliches Chaos. Nach dem Rücktritt von Fritz Keller kam der Vorstoß für eine DFB-Präsidentin auf. Was halten Sie von dem Vorschlag und ist es allgemein nicht überfällig das wichtige Gremien im DFB von Frauen besetzt werden?

Wir leben von Diversität. Es ist erschreckend, wie wenig Frauen in Führungspositionen sind. Ich finde es gut, dass es jetzt zumindest diskutiert wird, gerade auch beim DFB, einem Verband der mit die ältesten Strukturen hat. Ich finde es richtig, dass die Diskussion jetzt zumindest wieder angeheizt wurde und ja, warum nicht? Ich denke es wäre ein ganz starkes Zeichen, wenn man auch mal eine Präsidentin im Amt hätte.

Neun Frauen aus der Fußball-Branche – darunter die Bundesliga-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus und auch Claudia Neumann – haben ein Papier mit dem Titel "Fußball kann mehr" vorgelegt, in dem Sie unter anderem eine Frauenquote von 30 Prozent in Vereinen und Verbänden fordern. Was halten Sie von dem Vorstoß?

Ich muss sagen, dass ich am Anfang auch immer etwas skeptisch war, was eine Frauenquote anbelangt. Weil ich mir gedacht habe, dass man sich ja auch so durchsetzen wird und sonst immer der Makel an der Frau haftet, dass sie „ja, nur aufgrund der Quote“ eine gewisse Position gelangt sei. Mittlerweile sehe ich es anders, weil sich gezeigt hat, dass sich ohne gewisse Verpflichtungen nichts tut. Von daher ist es leider notwendig, da eine Regel zu haben, um auch mehr Frauen in die entsprechenden Positionen zu bringen. Ich denke schon, dass Qualität da ist, vielleicht noch nicht in der Breite, weil es aber auch einfach an Führungspersönlichkeiten und Vorbildern fehlt. Wenn ich als Mädchen gar nicht das Gefühl habe, eine Chance zu haben da oben anzukommen, dann schlage ich diesen Weg vielleicht auch gar nicht ein, schon allein deshalb ist es enorm wichtig Vorbilder zu haben. Und wenn man das erstmal nur mit einer Quote erreicht, dann ist es halt so.

Aktuell sind sie Co-Trainerin bei den Frauen des VfL Wolfsburg. Im Sommer verlässt der langjährige Coach Stephan Lerch den Verein. Geht es für Sie nächste Saison beim VfL weiter als Co-Trainerin?

Ich weiß, wie es für mich weitergehen wird, es ist allerdings noch nichts weiter offiziell bestätigt.

Hingst Wolfsburg Lerch

Wolfsburg-Co-Trainerin Ariane Hingst (r.) mit Chef-Coach Stephan Lerch vor dem DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt am 30. Mai in Köln.

Können Sie sich auch vorstellen, im Männer-Bereich als Trainerin zu arbeiten? Ähnlich wie Ihre ehemalige Mitspielerin Inka Grings?

Ich bin ein Mensch, der prinzipiell sehr offen für vieles ist. Von daher würde ich es nicht ausschließen. Aber ich kann jetzt nicht sagen, dass es mein größtes Ziel wäre.

Im DFB-Pokalfinale sind Sie mit Wolfsburg auf Eintracht Frankfurt getroffen, die seit dieser Saison unter diesem Namen spielen und nicht mehr als 1. FFC Frankfurt. Wie sehen Sie das Engagement von Vereinen aus der Männer-Bundesliga im Frauenfußball?

Es reicht nicht allein, wenn Bundesligisten sagen „okay, wir haben jetzt eine Frauenabteilung“. Da haben wir leider Gottes auch in unserer Liga genug Beispiele, wo die Frauenmannschaft mehr oder weniger geduldet ist, aber nicht groß unterstützt wird. Beim VfL Wolfsburg ist die Unterstützung zum Beispiel zu hundert Prozent da. Natürlich gibt es Dinge, die wir noch gerne anstoßen würden, aber prinzipiell ist die Unterstützung da. Und allgemein ist es ein Verein der sagt „wir haben nicht einfach nur eine Frauenmannschaft, sondern wir wollen auch ganz oben mitspielen.“

Sie sind gebürtige Berlinerin. Wieso gibt es in der Hauptstadt noch keine Mannschaft mit Ambitionen die Bundesliga aufzumischen?

Es ist traurig, dass es die Hauptstadt nie geschafft hat. Die Hauptvereine haben nicht das ganz große Interesse. Ich finde es schade, dass die Hauptstadt es nicht schafft eine Frauenmannschaft zu stellen. (cho)