Bettina Böttinger hat mit uns über ihren neuen Podcast, das Leben mit Dackeln, Queerfeindlichkeit und über die fast vergessene Katastrophe im Ahrtal gesprochen.
Bettina Böttinger„Wir sollten unsere Toleranz und Vielfalt verteidigen“

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Bettina Böttinger moderierte insgesamt 30 Jahre lang freitagabends im WDR. Nun meldet sie sich mit einem Podcast zurück.
von Laura Schmidl
Im Oktober 2023 machte Bettina Böttinger (69) nach 17 Jahren Schluss mit dem „Kölner Treff“ und übergab den Staffelstab an Micky Beisenherz (48) und Susan Link (48).
Lange untätig bleiben konnte die Moderatorin und Journalistin aber nicht: Anfang Juni startete ihr neuer Podcast „Zwischen den Zeilen“. Sonntag-EXPRESS traf Bettina Böttinger in ihrer Kölner Wohnung zum großen Interview.
Bettina Böttinger: „Bis 80 muss man mich ertragen“
Frau Böttinger, wie ist es Ihnen ergangen, nachdem Sie beim „Kölner Treff“ vor mehr als anderthalb Jahren „Tschüss“ gesagt haben?
Bettina Böttinger: Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich etwas mehr Zeit haben würde für Dinge, die ich schon immer gerne machen wollte. Das hat sich leider nicht erfüllt – erstens, weil ich schlecht Nein sagen kann. Und zweitens, weil ich ein Phänomen habe, das an Stresssucht erinnert. Es gibt so viele Angebote, die ich neugierig und freudig annehme, dass ich wirklich gestresst bin.
Haben Sie die neu gewonnene Freizeit ausgenutzt und obskure Hobbys angefangen? Sie haben gesagt, Sie wollen kraulen lernen, ein Rennrad kaufen und eine Sommelier-Ausbildung machen.
Bettina Böttinger: Also, ich war schon im Fahrradladen! Ich schwanke noch, ob es ein E-Bike werden soll oder doch ein sportliches Rennrad. Ich hatte mir auch vorgenommen, einen zweiten Dackel aufzunehmen – das ist eingetreten. Und ich habe mir vorgenommen, endlich Kraulen zu lernen. Und ich komme gerade aus der Muckibude, in der ich auch schwimmen kann und ich habe Kraulen gelernt. Die Sommelier-Ausbildung steht noch aus. Aber ich arbeite da privat schonmal vor (lacht).
Jetzt haben Sie wieder einen Podcast, „Zwischen den Zeilen“. Angst, dass Langeweile aufkommt, wenn Sie nichts tun?
Bettina Böttinger: Ich habe jetzt mein Datum, an dem ich wirklich aufhöre, und zwar mit 80. Bis dahin muss die Menschheit mich auch berufstätig ertragen. Es gibt noch so viel zu sagen und für mich ist, nicht zuletzt aufgrund meiner Erfahrungen, das Miteinander-ins-Gespräch-kommen, das Zuhören und Debattieren zeitlos. Und es ist etwas, das trotz der Flut an Talkshows im Fernsehen etwas ins Hintertreffen geraten ist, weil viele Menschen sich gar nicht mehr zuhören, sondern sich nur Argumente um die Ohren ballern. Im Podcast habe ich eine Stunde Zeit mit einem Menschen.
Welche Gäste stehen auf der Liste – und wieso diese?
Bettina Böttinger: Ich möchte keine Menschen einladen, die der AfD angehören, weil jedes Gespräch einen Freiraum bietet und man nicht weiß, wie es ausgeht. Ich möchte den Gesprächsraum öffnen für Menschen, die miteinander ins Gespräch kommen wollen. Ich freue mich zum Beispiel auf Guido Maria Kretschmer. Und auf Laura Karasek, eine junge, ehrgeizige, tolle Frau, die durchaus ihre Probleme hatte. Hier aus Köln hatte ich Serap Güler zu Gast. Mir ist wichtig, politisch neutral zu sein. Ich will mit der AfD nichts am Hut haben, das sind für mich keine Demokraten. Alle anderen Angehörigen von Parteien interessieren mich. Auch Ricarda Lang hat zugesagt.

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EXPRESS-Redakteurin Laura Schmidl und Bettina Böttinger beim teils launigen, teils sehr ernsten Interview in der Kölner Wohnung der Moderatorin.
Sie sprechen in der ersten Folge mit Annette Frier über sehr persönliche Erfahrungen aus der Kindheit, es geht auch um Therapie. Was haben Sie gelernt?
Bettina Böttinger: Ich glaube, über Gefühle zu sprechen. Ich komme aus einer Generation, in der es nicht üblich war, zu Hause über Gefühle zu sprechen. Ich bin eigentlich niemand, der sich so gerne im Gespräch öffnet. Komischerweise habe ich das im Beruf gelernt und es hat mich weitergebracht. Ich habe auch mal eine Trauertherapie gemacht, als innerhalb eines Jahres vier mir sehr nahestehende Menschen – und mein Dackel, das gab mir den Rest – gestorben sind. Das hat sehr, sehr gutgetan. Meine Therapeutin hat wohl noch nie so gelacht wie in dieser Therapie. Ich habe zwar jedes Mal eine Packung Kleenex verbraucht, aber auch immer versucht, damit zu brechen.
Sie haben den Dackel angesprochen. Sie leben wieder mit zweien. Warum der Dackel?
Bettina Böttinger: Frühkindliche Prägung. Mein Onkel hatte einen Dackel, Adele. Adele war ein Rauhaardackel. Mein anderer Onkel hatte Waldi, einen Langhaardackel – früher hießen die alle Waldi … Ich habe immer schon als Kind davon geträumt, einen Dackel zu besitzen. Das ging nicht, weil meine Mutter oft im Krankenhaus war. Als ich 25 war, dachte ich: Jetzt bin ich so weit, einen Dackel in mein Leben zu lassen. Und Ilse ist jetzt schon der Vierte.
Der Dackel ist für seinen Sturkopf bekannt. Sind sich Frauchen und Hund da ähnlich?
Bettina Böttinger: Ich weiß nicht, ob ich so stur bin. Aber Dackel sind auch lustig – und ich finde, das bin ich auch ziemlich häufig. Und eigenwillig sind sie tatsächlich. Mit Ilse habe ich zum ersten Mal eine Welpenschule besucht. Wir haben die Begleithundeprüfung gemacht. Da lernen sie, nicht schreckhaft zu sein, keine Radfahrer anzufallen und solche Alltagssachen. Das hat Ilse mit Eins bestanden – und am nächsten Tag alles vergessen!
„Durch eine bestimmte Bewegung im Land wurde so viel Hass gesät“
Ernsteres Thema: Sie sind eine queere Frau, und laut Statistiken sind die Angriffe – verbal und körperlich – auf queere Menschen gestiegen. Spüren Sie davon etwas?
Bettina Böttinger: Ich persönlich bin nicht Opfer irgendwelcher Attacken geworden. Im Netz kriegt man schonmal einen ab – aber das ist bedauerlicherweise Alltag geworden. Ich höre es aber von vielen Freunden. In Gelsenkirchen wurde der CSD abgesagt – wegen einer abstrakten Bedrohungslage. Ich glaube, dass durch eine bestimmte Bewegung in diesem Land so viel Hass gesät worden ist, dass es ein Aggressionspotential gibt, das sich gegen alle wendet, die anders sind. Und da gehören queere Menschen dazu. Ich halte das für katastrophal. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat angeordnet, dass die Regenbogenflagge am Reichstag nicht mehr am CSD gehisst wird, sondern nur noch am Internationalen Tag gegen Homophobie. Das ist ein schlechtes Zeichen. Alles, was wir einmal in Sachen Toleranz und Vielfalt erreicht haben, sollten wir verteidigen.
Als Sie damals, in den 70ern, geoutet wurden, herrschte eine queerfeindlichere Atmosphäre. Kommt das in Ansätzen zurück?
Bettina Böttinger: Ich hoffe natürlich nicht. Aber ich denke, dass gewisse Feindseligkeiten bewusst von politischer Seite aufgebaut werden. Die AfD fordert, die Ehe für alle zurückzunehmen, obwohl sie eine verheiratete, lesbische Frau als Fraktionsvorsitzende haben. Die AfD setzt sich ganz klar für ein hartes Geschlechterbild ein. Das sieht man auch bei Maximilian Krah: Der starke Mann ist der, der sich durchsetzt und die Frau ist zu Hause am besten aufgehoben.
Sie haben 2021 aus dem Flutgebiet im Ahrtal berichtet, zu Spenden aufgerufen. Gerade erst wurde die beschädigte Bahnstrecke freigegeben. Sie haben einen zweiten Wohnsitz in der Eifel. Wie ist die Situation dort?
Bettina Böttinger: Sehr viele Menschen sind traumatisiert, vor allem im Ahrtal, wo es die meisten Toten gab. Die Einsatzkräfte haben ihre Kumpel und Verwandten aus dem Wasser gezogen. Kinder flüchten sich immer noch nach oben, wenn Regen kommt. Wir sind ein reiches Land. Fahren Sie mal nach Dernau. Ich fahre regelmäßig an die Ahr, um dort Essen zu gehen. Jetzt wurde endlich die Bahnstrecke wieder freigegeben. Aber es wird immer noch gehämmert und geputzt. In Mayschoß, Dernau, Rech – es ist immer noch ein tagesaktuelles Problem. Es gab nie eine Verantwortlichkeit. Wir sind ein hochzivilisiertes Land – als ich am Tag nach der Katastrophe dort war, haben Mitarbeiter des THW mit Stöcken im Wasser nach Leichen gesucht. Das kann doch in einer Industrienation nicht sein. Aber es war möglich, weil wir alle dachten, es wird schon irgendwie gut gehen. Jetzt werden Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Aber das hätte so nicht sein sollen.
Bettina Böttinger: Im Herzen ist sie Kölnerin
Bettina Böttinger wurde am 4. Juli 1956 in Düsseldorf geboren und lebt in Köln und in der Eifel. Sie beschreibt sich auf ihrer Webseite als „Kölnerin im Herzen“. Sie ist Moderatorin, Produzentin und Journalistin. Studierte nach dem Abitur 1975 Germanistik und Geschichte. Während des Studiums schrieb sie für die „Bonner Rundschau“. Ab 1985 arbeitete sie für den WDR für die „Aktuelle Stunde“, wurde kurze Zeit später als Redakteurin übernommen. Moderierte verschiedene Hörfunksendungen und ab 1988 „Hier und Heute“.
Ab 1993 erste eigene Talkshow „B. trifft“ (zweifach Grimmepreis-nominiert), ein Jahr später gründete sie ihre Produktionsfirma Encanto. Nach der letzten Folge „B. trifft“ im Juni 2004 machte sie zunächst die Talkshow „Böttinger“, ab 2006 bis 2023 moderierte sie den „Kölner Treff“. Alle Sendungen liefen beim WDR. Böttinger ist seit 2016 verheiratet mit Martina Wziontek. Sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes und engagiert sich u. a. für die AIDS-Hilfe und „Lobby für Mädchen“.