„Läuft nicht so“Hoher Kreml-Beamter mit ungewöhnlicher Beichte zum Ukraine-Krieg

Das Archivbild aus dem Jahr 2020 zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin (l.) bei einem Zwei-Augen-Gespräch mit dem Chef der russischen Nationalgarde, Viktor Solotow. Solotow räumt militärische Fehler im Ukraine-Krieg ein.

Das Archivbild aus dem Jahr 2020 zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin (l.) bei einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Chef der russischen Nationalgarde, Viktor Solotow. Solotow räumt militärische Fehler im Ukraine-Krieg ein.

Seitdem Putin die Ukraine überfallen hatte, versucht der Kreml, den Krieg als Erfolg zu verbuchen. Zunächst wurden die Toten verschwiegen, dann sprach man von einer „planmäßigen Operation“ in der Ukraine – obwohl der Angriff stockt. Nun gibt es ein weiteres überraschendes Eingeständnis – ausgerechnet von einem Vertrauten Putins.

von Martin Gätke (mg)

Seit dem ersten Tag des Krieges in der Ukraine treffen Putins Truppen auf starken Widerstand. Tapfer stellt sich nicht nur die ukrainische Armee,  sondern auch die bewaffnete Bevölkerung gegen die Invasoren. Der Vorstoß stocke, die Einnahme der strategisch so wichtigen Städte stocke, es seien logistische Fehler gemacht worden, der Krieg laufe alles andere als reibungslos, werden Militärexperten in US-Medien zitiert.

Jetzt überrascht der russische Direktor der Nationalgarde mit seinen Aussagen. Er gesteht ganz offen eine Fehleinschätzung ein. Und damit Putins großen Fehler.

David macht Goliath ganz schön zu schaffen: Das ukrainische Militär schafft es, seinen scheinbar übermächtigen Gegner zu bremsen. Mithilfe von Waffen aus dem Westen, US-amerikanischen Panzerabwehrraketen und den von der Türkei gelieferten Drohnen etwa, werden Hubschrauber abgeschossen, Panzer zerstört, Löcher in Konvois gesprengt.

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Wie die „New York Times“ berichtet, herrsche in der russischen Truppe eine schlechte Moral. Es gebe Treibstoffmangel, Nahrungsknappheit, einige Soldaten hätten Mahlzeiten im Gepäck, die 2002 abgelaufen waren.

Russland: Erstes Eingeständnis aus dem Kreml

Der russische Angriff stockt – obwohl das Militär des Landes rund achtmal so groß ist wie das der Ukraine. Lange hat der Kreml versucht, die Probleme zu verschweigen. Doch nun wird erstmals ein Eingeständnis eines hochrangigen Beamten im Kreml öffentlich. Der Chef der russischen Nationalgarde – Putin direkt unterstellt und ebenfalls mit Truppen in der Ukraine tätig – und enger Vertrauter des Präsidenten, Viktor Solotow, gibt zu: Die Invasion läuft tatsächlich nicht so wie geplant.

Der Vormarsch in der Ukraine verlaufe langsamer als erwartet, sagte Solotow am Sonntag auf einem Gottesdienst des Moskauer Patriarchen und Putin-Vertrauten Kyrill I. in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale. Die russische Zeitung „Kommersant“ berichtet über die Rede.

Kreml-Beamter: „Läuft nicht so schnell, wie man sich das wünschen würde“

Während Putin stets behauptet hat, alles laufe nach Plan, erklärte nun  Solotow: „Ich möchte sagen, dass, ja, nicht alles so schnell läuft, wie man sich das wünschen würde.“

Das war es dann aber auch schon mit der Wahrheit, denn die Begründung für das Stocken des Vormarsches folgt wieder Putins Propaganda: „Nazis“ würden sich in der Region hinter friedlichen Bürgern, Frauen und Kindern, in Schulen, Kindergärten und Wohnhäusern verstecken, so Solotow. „Aber wir bewegen uns Schritt für Schritt auf das beabsichtigte Ziel zu, und der Sieg wird unser sein.“

Krieg in der Ukraine: Lange hatte der Kreml den Angriff als Erfolg verbucht

Belege für die Behauptung nannte Solotow nicht. Auch sein Chef Putin stellte die ukrainische Regierung als unrechtmäßig und rechtsextrem dar. Seinen Krieg nennt er zynisch eine „Befreiungsmission“ der angeblich unterdrückten Bevölkerung.

Auch wenn Solotows Worte am Ende dem Narrativ des Kremls folgen, sind sie dennoch bemerkenswert. Denn der Kreml hatte den Angriff stets als Erfolg verbucht, am Freitag, 11. März 2022, hatte Verteidigungsminister Sergej Schoigu zum Beispiel behauptet, die „militärische Operation“ in der Ukraine verlaufe nach Plan.

Krieg in der Ukraine: Wird die Gewalt weiter steigen?

Trotz des Eingeständnisses, trotz der Probleme für die russische Armee – der Krieg ist längst nicht vorbei. Im Gegenteil. Hochrangige US-Beamte befürchten laut „New York Times“, dass ein frustrierter Putin dazu neigen könnte, die Ukraine in Schutt und Asche zu bomben. Die Gewalt könnte aufgrund der stockenden Invasion weiter steigen.

Auch am 19. Kriegstag gingen die Kämpfe und Angriffe in der Ukraine mit vielen Opfern in der Bevölkerung weiter. Ob die neue Runde von Online-Verhandlungen zwischen Vertretern Russlands und der Ukraine zu einem Ende des Blutvergießens führt, darf bezweifelt werden.