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„Kein gesundes Wachstum“REWE-Boss Souque mit bitterer Befürchtung zu steigenden Preisen

19.01.2023, Köln: Interview mit REWE-Chef Lionel Souque.

Foto: Michael Bause

REWE-Chef Lionel Souque gestikuliert im Interview mit Express.de am 19. Januar 2023.

Ein Kaufmann, der auch für seine Kundschaft kämpft: Lionel Souque, Chef der REWE-Gruppe, legt sich gern mal mit den Handelskonzernen an, wenn er ungerechtfertigte Preiserhöhungen wittert. Das große Interview mit EXPRESS.de zum Jahresstart.

von Alexander Haubrichs (ach)

Das Einkaufen als Erlebnis? Im Gegenteil: Viele Verbraucherinnen und Verbraucher ächzen unter der galoppierenden Inflation und ändern ihr Einkaufsverhalten. Aber es sind nicht nur Krisen und Krieg, die die steigenden Preise verursachen: Einige Krisengewinner nutzen die Gelegenheit, um ordentlich Kasse zu machen.

In diesem Spannungsfeld muss sich die REWE-Gruppe behaupten. EXPRESS.de hat sich auf den Weg in die Konzernzentrale in Braunsfeld gemacht und mit REWE-Boss Lionel Souque über steigende Preise, ungesundes Wachstum und das veränderte Kaufverhalten der Kundschaft gesprochen.

Dabei richtete er auch noch mahnende Worte an die großen Konzerne und erklärte, warum die Regale dann auch mal leer bleiben: „Ich habe wenig Verständnis, wenn Konzerne sich in einer Krise nicht mal zurücknehmen, sondern immer bessere Ergebnisse präsentieren, während die Verbraucher immer höhere Preise zahlen. Im Moment sind viele Trittbrettfahrer unterwegs.“

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Herr Souque, denken Sie im Moment beim Blick auf den Kassenzettel eigentlich auch manchmal: „Huch, alles ganz schön teuer geworden?“

Lionel Souque: Das erkenne ich ja nicht nur an Kassenzetteln. Ich sehe jede Woche, welche Preiserhöhung uns die Industrie meldet und mit welchen Preisen wir es selbst im Einkauf zu tun haben. Ich bin seit 27 Jahren im Handel und eine Situation wie die im vergangenen Jahr habe ich noch nie erlebt – dass die Preise in allen Warengruppen so stark steigen und das in allen Ländern, in denen REWE aktiv ist.

Bei welchen Supermarkt-Produkten war das Plus zuletzt besonders groß?

Lionel Souque: Letztlich geht das durch alle Kategorien, aber Butter, Fette und Fleisch sind weiterhin besonders betroffen.

Wann dürfen wir auf ein Ende der Preisspirale hoffen?

Lionel Souque: Das ist schwer vorherzusagen. Vom Gefühl her würde ich sagen, die Preise steigen nochmal, aber nicht mehr so stark wie im vergangenen Jahr.

Die Preise steigen, aber auch Ihre Kosten dürften zuletzt massiv in die Höhe geschossen sein. Was bedeutet das für Ihre Unternehmensbilanz?

Lionel Souque: Unser Umsatz ist stark gestiegen. Ein Großteil davon geht auf die Inflation zurück – das ist kein gesundes Wachstum. Stark gewachsen sind aber auch die Umsätze unseres Touristikgeschäfts, das nach den großen Verlusten der Corona-Jahre wieder anzieht. Da erreichen wir langsam wieder das Vorkrisenniveau. Wenn man sich nur den Umsatz anguckt, würde man sagen: unglaublich gut. Aber das Ergebnis spiegelt dann das wider, worauf Sie anspielen: die extrem hohen Kosten für Energie, aber auch für Logistik, Mieten und Personal. Hinzu kommen dann noch die Preiserhöhungen, die wir nicht vollständig an die Kunden weitergeben wollen. Das Ergebnis leidet also, wenn auch nicht in allen Ländern gleich stark.

Sie streiten derzeit mit vielen Markenherstellern über besagte Preiserhöhungen. Wer fällt Ihnen da denn derzeit besonders unangenehm auf?

Lionel Souque: Da möchte ich keine konkreten Beispiele mehr nennen. Aber es handelt sich vor allem um internationale, börsennotierte Multi-Konzerne. Und ich habe wenig Verständnis, wenn diese Konzerne in so einer Krise nicht von sich aus sagen: Wir nehmen uns ein bisschen zurück, wir wollen dazu beitragen, dass die Inflation für die Endverbraucher nicht zu stark steigt. Im Moment sind viele als Trittbrettfahrer unterwegs, die versuchen, die Preise stark über ihre tatsächlichen Mehrkosten hinaus zu erhöhen. Sie brauchen nur in die Berichte dieser großen Konzerne zu schauen, um das zu belegen: Dort werden jedes Quartal bessere Ergebnisse präsentiert.

Lionel Souque: So überprüfen wir gestiegene Preise

Wie prüfen Sie denn, ob eine Forderung in Ihren Augen zu hoch ist?

Lionel Souque: Wenn wir zum Beispiel fünf Kaffeelieferanten haben, von denen vier ihre Preise um fünf Prozent erhöhen und einer um 15, dann fragen wir uns natürlich, woher dieser Unterschied kommt. Außerdem können wir über unsere Eigenmarken auch selbst Kostenstrukturen der Herstellung nachvollziehen. Und dann können wir die Preisforderungen in Deutschland noch mit denen unserer Gesellschaften und Partner im Ausland vergleichen. Dort fallen sie interessanterweise häufig viel niedriger aus. Aber die Markenartikler merken jetzt auch, dass viele Kunden ihre Artikel nicht mehr kaufen, wenn der Abstand zu Preiseinstiegsprodukten zu groß wird. Davon profitieren die Eigenmarken, die zuletzt stärker gefragt sind – das zeigen auch aktuelle Studien. Deswegen bin ich optimistisch, dass in den nächsten Wochen weniger Preiserhöhungen reinkommen werden.

Verlieren Sie derzeit Marktanteile an die Discounter, weil die Menschen preisbewusster einkaufen?

Lionel Souque: Auch wir haben einen großen Discounter, Penny, der in Deutschland mehr als acht Milliarden Euro Umsatz macht. Aber ja, die Umsätze der Discounter entwickeln sich im Moment besser als die der Supermärkte. Das liegt zum einen daran, dass ein kleiner Teil der Kunden in Deutschland dort jetzt bewusst mehr einkauft. Der größere Faktor ist, dass die Supermärkte in der Pandemie deutlich Marktanteile gewonnen haben und sich das nun wieder angleicht. Der dritte Grund ist, dass die Inflation bei Discountern höher ist als im Supermarkt. Bei Supermärkten liegt sie bei etwa zehn Prozent, bei den Discountern geht das langsam in Richtung 20 Prozent. Warum? Weil der Preisanstieg durch deren Sortiment-Mix prozentual stärker ins Gewicht fällt. Deshalb machen Discounter auch gerade mehr Umsatz als Supermärkte – aber nicht automatisch mehr Gewinn. Nehmen Sie hier an unserer Einkaufs-Umfrage teil:

Wie hat sich das Einkaufsverhalten der Menschen denn nach drei Jahren Pandemie und Krisen noch verändert?

Lionel Souque: Sie kaufen mehr zu Aktionspreisen ein. Wir hatten neulich bei REWE Butter für unter zwei Euro im Angebot. In so einer Situation kaufen die Kunden jetzt viel größere Mengen, und zwar nicht, weil sie mehr Butter konsumieren, sondern weil sie sich bei Aktionen bevorraten – sie zum Beispiel einfrieren.

Die Lücken in den Regalen sind zurzeit schon auffällig. Sind sie das Ergebnis der Preisstreitigkeiten? Oder haben Sie auch wieder mit Lieferengpässen oder gar Hamsterkäufen zu kämpfen, wie zu Hochzeiten der Pandemie?

Lionel Souque: Nein, Hamsterkäufe gibt es in der Form nicht mehr. Die meisten Lücken entstehen, wenn wir die überhöhten Preisforderungen eines Herstellers nicht akzeptieren und er uns daraufhin nicht mehr beliefert. Aber wir sehen auch ganz grundsätzlich eine massive Verschlechterung der Lieferquote. Manchmal ist die Logistik ein Problem, manchmal fehlt Rohware für die Produktion. Das führt dann dazu, dass nicht die volle Menge geliefert werden kann. In der Spitze bekommen wir aktuell bis zu 20 Prozent weniger Ware geliefert, als wir bestellt haben. Aber das ist nicht überzubewerten, insgesamt ist das System stabil.