Wagnis auf isolierter InselKölner Makler (23): Freund von Eingeborenen getötet

John und John

Der getötete John Chau (l.) mit seinem in Köln lebenden Freund John Ramsey während einer Reise im Nahen Osten.

von Ayhan Demirci (ade)

Köln – Er hat sein Büro im Kölner Süden, er lebt in einer WG im Kölner Norden. Seit er nach Köln zog, hat der 23jährige John Middleton Ramsey, der einen amerikanischen Vater und eine deutsche Mutter hat und ein gläubiger Christ ist, mehrmals den Dom besucht. Die Kathedrale ist ein Ort seiner Gebete, aber vor allem auch die evangelische Gemeinde, in der er noch häufiger ist. 

Das Selfie der Erinnerung – und das Todesdrama

John Ramsey ist viel herumgekommen in seinem Leben. Er war in 38 Ländern. Ein Foto aus Israel zeigt ihn mit einem Freund und Kameraden, auch er heißt John - doch: John ist tot...

Eingeborene einer abgeschotteten Insel, auf die sich John Chau wagte, um sie christlich zu missionieren, haben ihn getötet. 

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John schrieb zum Foto: „Unser lieber Freund John wurde auf den Andamanen-Inseln zum Märtyrer, getötet durch Pfeil und Bogen. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du nicht mehr da bist. Es ist ein Trost zu wissen, dass du bei Gott bist, aber wir werden dich vermissen.“

Amerikanische Christen im „Heiligen Land“

Die Wochenzeitung „Zeit“ hat jetzt den spektakulären Fall akribisch aufgearbeitet und dabei auch John aus Köln getroffen. John und John lernten sich demnach 2015 auf einer Israel-Rundreise für amerikanische Christen kennen. Zurück in den USA besuchte John Chau seinen Glaubensbruder John Ramsey und dessen Familie dann mehrmals.  

Die Mission: Menschen zum Christentum bekehren

John Chau war Mitglied der evangelikalen Missionsagentur „All Nations“, die das Ziel hat, Menschen zum Christentum zu bekehren und so vermeintlich zu „erlösen“. Und Chau ging das Wagnis ein, auf eigene Faust auf einer Insel zu missionieren, die ihresgleichen sucht: Die Bewohner der zu Indien gehörenden Sentinel-Inseln im Indischen Ozean zählen zu den isoliertesten Völkern der Erde.

Kontakt zu Sentinelesen ist laut Gesetz untersagt

Die Sentinelesen, die sich von Fisch und Wildschwein ernähren, lehnen jeden Kontakt mit dem Rest der Welt ab. Als nach dem Tsunami 2004 ein Helikopter der indischen Regierung die einsame Insel ansteuerte, um sich ein Bild der Lage zu machen, entstanden Fotos, auf denen ein Sentinelese die Besatzung mit Pfeil und Bogen zu vertreiben sucht. Es ist ansonsten zum Schutz der Ureinwohner laut indischem Gesetz verboten, sich der Insel bis auf drei Kilometer zu nähern, geschweige denn, sie zu betreten. Keime, die Besucher mit sich bringen, könnten Stammesmitglieder töten.

John Chau schmiedet seinen lebensgefährlichen Plan

Für John Chau aber, Sohn einer amerikanischen Anwältin und eines einst aus China geflohenen Psychiaters, war das so abwehrende Verhalten der Sentinelesen sein vielleicht größter Antrieb. Bei einem seiner Besuche bei John Ramsey habe er dessen Familie in seinen Plan eingeweiht, schreibt die „Zeit“: Er habe davon erzählt, dass er die so feindlich eingestellten Menschen erlösen wolle. Mit seinem Projekt bewarb er sich  bei der Agentur „All Nations“ in Kansas City. 

John Chau bereitete sich aufwendig auf sein Projekt vor, er trainierte sogar in der Wildnis. Und machte sich auf die Reise.

So näherte sich der Missionar der Insel

Er bestach fünf Fischer in der Region, die ihn mit ihren Booten in Richtung Nord-Sentinel bringen sollten. Er gelangte dann tatsächlich in die Nähe der Eingeborenen. Aus Schilderungen, die er hinterließ, geht hervor, dass die Bewohner John Chau auslachten, als er versuchte, ihre Sprache zu imitieren. Dann hätten sie ihn bedroht.

Mit Pfeilangriffen versuchten die Insulaner, John Chau zu vertreiben

Chau soll durch Pfeilbeschuss gezwungen worden sein, zum Fischerboot zurückzukehren. Am nächsten Tag versuchte der Missionar es erneut, wieder vergeblich. Beim dritten Versuch, auf die Insel zu gelangen, wurde John Chau durch mehrere Pfeile getroffen – und tödlich verletzt. Am 17. November wurde die Leiche des US-Staatsbürgers am Strand begraben. Er starb mit 26 Jahren.

Indische Experten bewerten das Verhalten der Sentinelesen als Notwehr. Der Leichnam soll auf der Insel bleiben. John Chaus Vater machte die „fanatische“ Haltung der christlich-evangelikalen Missionsgesellschaften für den Tod seines Sohnes verantwortlich. Am heutigen Sonntag, den 17. November 2019, jährt sich John Chaus Tod.

Sein Freund John Ramsey, der aus Seattle an den Rhein kam um in der Immobilienagentur seines Onkels zu arbeiten, wird für ihn beten. Ein Gedenken, vielleicht im kleinen Kreis, erklärte er gegenüber EXPRESS. Er wolle jetzt auch in Köln bleiben: „Ich habe eine gute Arbeit und eine Freundin, also keine Pläne wegzuziehen.“