Die deutsche Nationalmannschaft hat das Erreichen der direkten WM-Qualifikation weiterhin in der eigenen Hand. Viel Mut machen die Auftritte aber nicht. Ein Kommentar zum Zustand des Teams.
WM-Traum am seidenen FadenSchluss mit Durchhalteparolen und Schönfärberei

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Der verletzte Kapitän Joshua Kimmich (l.) versuchte Florian Wirtz nach dem Spiel in Luxemburg aufzumuntern. In WM-Form präsentierte sich der Liverpool-Star nämlich wieder nicht.
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„Et hätt noch immer jot jejange“. Artikel 3 vom kölschen Grundgesetz wird immer wieder gern zitiert, wenn von der deutschen Nationalmannschaft die Rede ist. Nach dem schmeichelhaften 2:0-Sieg in Luxemburg setzte am Freitagabend (14. November 2025) die übliche Schönfärberei wieder ein.
Hauptsache gewonnen, Hauptsache drei Punkte. Fußball sei ein Ergebnissport. Bei der WM werde das schon. Da kämen schließlich noch so viele Spieler hinzu. Die Mannschaft steigere sich an den Gegnern. Die Spieler hätten doch so viel Qualität und Talent. Es sei noch viel Zeit bis dahin.
Spiel in Luxemburg macht wenig Mut für das „Finale“ gegen die Slowakei
Doch die Vorstellung gegen den 97. der FIFA-Weltrangliste sollte Warnung genug sein. Dieser Sieg wurde zur unerwarteten Zitterpartie und macht wahrlich keinen Mut. Selbst das Unentschieden, das am Montag für das WM-Ticket noch benötigt wird, wird kein Selbstläufer. In Leipzig steht noch ein echter Showdown an.
Schon im Hinspiel zeigte die Slowakei beim 2:0-Sieg, dass sie die Schwächen der deutschen Mannschaft gnadenlos ausnutzen kann. Noch schwebt die Option Playoff-Runde und damit das Verpassen des Turniers über der DFB-Elf.
Selbst wenn im letzten Quali-Duell der letzte Schritt zur WM gelingt, sollten die deutschen Fans nicht zu euphorisch Richtung 2026 blicken. Die Konkurrenz – Spanien, England, Frankreich, Argentinien – zeigt ein Fußball-Spektakel nach dem anderen, während das deutsche Team immer wieder in alte Rumpel-Fußball-Zeiten verfällt.
Das mantraartige Wiederholen, dass die deutsche Mannschaft beim Turnier im kommenden Sommer bestimmt ein anderes Gesicht zeigen würde, klingt wie das Pfeifen im Walde. Bei der Heim-EM hat es nicht zum großen Wurf gereicht. Die Nations-League-Endrunde vor eigenen Fans endete enttäuschend. Warum sollte diese Mannschaft zum Kreis der WM-Titelfavoriten gezählt werden?
Auch nach über zwei Jahren seiner Amtszeit ist Julian Nagelsmann immer noch auf der Suche nach den passenden Antworten auf die sich auftürmenden Fragen. Sein Personalkurs wirkt planlos, der Kader eine Dauerbaustelle. Bei seiner Arbeit wirkt er zunehmend dünnhäutiger und bockiger.
Die Rückholaktion von Leroy Sané samt fragwürdiger Kommunikation hat nun dazu geführt, dass der Galatasaray-Profi durch seine Torbeteiligungen nach zuvor dünner Leistung Argumente für ein Bleiben gesammelt hat und so jüngere Shootingstars wie Said El Mala oder Lennart Karl blockiert.

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Bundestrainer Julian Nagelsmann sah in Luxemburg einiges, was ihm nicht gefallen hat.
Das sture Festhalten an Leon Goretzka, während Tom Bischof bei der U21 glänzt und Angelo Stiller beim VfB Stuttgart überzeugt, verstehen auch nur noch wenige. In der Innenverteidigung wirkt nur Nico Schlotterbeck unersetzlich. Jonathan Tah wackelt meist bedenklich. Weil viele Führungsspieler verletzt oder nicht nominiert sind, trug Tah die Kapitänsbinde. Nach dessen Auswechslung musste Oliver Baumann sogar erstmals die Kapitänsbinde übernehmen – in seinem erst neunten Länderspiel.
Mit einer Nominierung von Antonio Rüdiger würde sich der Bundestrainer nicht nur ein sportliches Risiko in den WM-Kader holen.
Vielleicht wäre es angesichts der bärenstarken Konkurrenz auch eine Option, das Abenteuer WM mit jungen, unverbrauchten Spielern anzugehen, denen die Fans Fehler verzeihen, weil man mit ihnen keine Titel-Träume verbinden würde. Nicht-Leistungen von gestandenen Stars wie Serge Gnabry, wie zuletzt in der Quali, würden beim Turnier jedoch nicht hingenommen.
Wer diese deutsche Mannschaft und ihren Trainer weiterhin zu den Titelaspiranten zählt, trägt offenbar mehrere rosarote Brillen zum neuen Trikot. Oder der hat in den vergangenen Tagen den Start in die Karnevalssession zu wild gefeiert.


