Spielzug wurde nicht trainiertFlorian Wirtz lüftet Geheimnis hinter dem Überfall-Tor

Florian Wirtz jubelt nach seinem Rekordtreffer.

Florian Wirtz feierte sein erstes Länderspiel-Tor am Samstag (23. März 2024) gegen Frankreich schon nach acht Sekunden.

Das schnellste Länderspiel-Tor der Nationalmannschafts-Geschichte entsprang einem Plan. Doch Florian Wirtz verriet, dass der Überfall-Treffer nicht geübt wurde.

von Marcel Schwamborn (msw)

Als Hansi Flick im Sommer 2021 den 38-jährigen Dänen Mads Buttgereit als Standardtrainer zur Nationalmannschaft holte, war das Interesse an der Personalie zunächst groß. Der Spezialist gab zahlreiche Interviews, um seine Fähigkeiten zu erläutern.

Doch der Hype ebbte schnell ab, denn sowohl Ecken als auch Freistöße des DFB-Teams waren zuletzt äußerst harmlos. Im Gegenteil: Aus Standardsituationen kassierte die Truppe sogar reichlich Gegentreffer. Am Samstag (23. März 2024) durfte sich Buttgereit aber zu Recht feiern lassen.

Überfall-Tor in Lyon: Aktion nach Anstoß war genau so geplant

Er hatte die Idee für das imponierende Überfall-Tor direkt nach dem Anpfiff beim 2:0-Sieg in Lyon. „Mads hat gesagt, dass wir das beim Kickoff versuchen sollen“, berichtete Bayern-Profi Jamal Musiala nach dem Spiel.

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Kai Havertz spielte beim Anstoß den Ball auf Toni Kroos, sprintete dann nach vorne links und zog so Benjamin Pavard auf sich. Musiala schoss nach rechts und irritierte damit Lucas Hernandez. Kroos drehte mit dem Ball eine Pirouette und passte zentimetergenau überraschend steil auf Florian Wirtz.

Dayot Upamecano überlegte noch, was er machen sollte, da hatte Wirtz den Ball bereits angenommen, ein paar Meter gedribbelt und die Franzosen mit einem wunderbaren 22-Meter-Schuss unter die Latte überrumpelt.

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Die Nationalmannschaft in der Einzelkritik

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„Wir waren kalt erwischt und passiv, wir konnten nicht gut neu starten“, kommentierte Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps den Geistesblitz. „Der Anstoß war so geplant. Das Tor gehört zu großen Teilen Mads, der sich diese Variante ausgedacht und mit den Jungs einstudiert hat. Wenn so etwas Früchte trägt, freut man sich natürlich doppelt“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann.

„Wir haben vor dem Spiel gesprochen, dass es die Möglichkeit gibt, weil die Franzosen hoch stehen beim Anstoß und pressen wollen“, erklärte Ilkay Gündogan den Schachzug. „Das war dann genau die Bewegung, die uns unser Standard-Trainer vorgegeben hat: Toni hat es super gemacht. Kai den Laufweg, den er machen musste. Dadurch gab es vor der Kette Platz für Flo.“

Julian Nagelsmann mit Sandro Wagner, Mads Buttgereit und Andreas Kronenberg.

Julian Nagelsmann beim Länderspiel in Lyon neben seinem Co-Trainer Sandro Wagner, Standard-Spezialist Mads Buttgereit und Torwarttrainer Andreas Kronenberg (v.l.).

Einstudiert wurde die Ausführung allerdings nur in der Theorie. „Tatsächlich haben wir das nicht trainiert“, verriet Wirtz nach seinem ersten Länderspieltor, „aber wir sind es auf der Leinwand durchgegangen. Ich glaube, es hat keiner wirklich realisiert und nicht direkt verstanden, was da los war“.

Passgeber Kroos kommentierte die erfolgreiche Aktion typisch launig: „Die Standardtrainer haben ja genug Zeit gehabt – vier Monate – sich was auszudenken.“

Der Schuss von Wirtz schlug just ins französische Tor ein, als die Uhr von sieben auf acht Sekunden umschlug. Ob das Tor nun mit sieben oder acht Sekunden in die DFB-Geschichte eingeht, ist vorerst auch unerheblich. Der bisherige Rekordhalter, Weltmeister Lukas Podolski, ist auf jeden Fall abgelöst. Der hatte am 29. Mai 2013 in Miami beim 4:2 gegen Ecuador nach neun Sekunden getroffen.

Wirtz klaut Poldi den Rekord – Baumgartner war noch schneller

Wenige Stunden zuvor hatte am Samstag übrigens Österreichs Nationalspieler Christoph Baumgartner mit einem Sieben-Sekunden-Tor gegen die Slowakei in Bratislava eine neue Bestmarke gesetzt. Das 1:0 durch den Profi von RB Leipzig war das schnellste Tor aller bislang weltweit absolvierten Länderspiele.

Vielleicht erhält Buttgereit nach diesem Blitztreffer auch wieder mehr Zeit, im Training seine Gedanken einzubringen. „Die meisten Trainer interessieren sich mehr für den Spielaufbau, für das Umschaltspiel und für das Defensivverhalten, Standards werden stiefmütterlich behandelt. Viele Vereine sehen nicht die Chancen und Möglichkeiten, die ihnen geschenkt werden. Ich bin davon überzeugt: Wenn alle Topmannschaften bereit wären, zusätzliche Zeit in das reine Training von Freistößen oder Eckballsituationen zu investieren, wären sie auf Jahre unschlagbar“, hatte er jüngst geklagt. In Frankreich sammelte er nun gute Argumente.