Zündstoff beim DFBRettig mit „offenem Visier“ im neuen Job – Völler verspricht Unterstützung

Bernd Neuendorf und Andreas Rettig bei der Pressekonferenz am Montag.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf (l.) stellte am Montag (18. September 2023) Andreas Rettig, seinen neuen Geschäftsführer Sport, in Frankfurt vor.

Der neue DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig hat gelassen auf die Kritik insbesondere von Karl-Heinz Rummenigge reagiert. Bei der Bundestrainer-Suche sei der Verband einen Schritt weiter.

von Marcel Schwamborn (msw)

An seinem ersten Arbeitstag an neuer Wirkungsstätte hatte Andreas Rettig (60) zunächst noch ein paar Orientierungsprobleme. Die Nacht vor seiner Präsentation als neuer Geschäftsführer Sport hatte der neue starke Mann im deutschen Fußball im DFB-Campus verbracht. Auf den weiten Fluren fand er sich zunächst nur schwer zurecht.

„Nicht Wasser predigen und Wein saufen. Wenn hier ein Zimmer frei ist, warum sollte ich dann ins Hotel gehen“, sagte der Kölner. Auch verzichtete er bei der Auftakt-Pressekonferenz am Montag (18. September 2023) auf ein Jackett. Im lockeren Poloshirt trat er vor die Öffentlichkeit und gab gleich ein paar Grundsatzstatements ab: „Wir müssen sehen, dass wir nicht nur die Portemonnaies, sondern auch die Herzen der Fans erreichen“, sagte er beispielsweise.

Andreas Rettig reagiert gelassen auf Kritik von Rummenigge und Mintzlaff

Noch bevor Rettig präsentiert werden konnte, war es schon zum ersten großen Knall gekommen. Karl-Heinz Rummenigge (67), Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern, und Leipzigs Aufsichtsratsvorsitzender Oliver Mintzlaff (48) hatten ihren Rücktritt aus der Task Force des DFB verkündet, weil sie in den Beschluss nicht eingebunden und nicht einmal informiert worden waren.

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„Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich nicht unbedingt der Wunschkandidat des FC Bayern war“, sagte Rettig zum ersten Zündstoff seiner Amtszeit. „Ich kenne das belastete Verhältnis. Wir werden den FC Bayern brauchen, es ist der bedeutendste Klub. Es nützt nichts, wenn wir uns hier auseinanderdividieren.“

Deshalb habe er vor der Bekanntgabe seiner neuen Position am Freitagvormittag versucht, mit „Herrn Hoeneß und Herrn Rummenigge“ Kontakt aufzunehmen. „Ich habe beide nicht erreicht.“ Bei Hoeneß landete er auf der Mailbox, Rummenigge erhielt eine SMS. „Darauf habe ich keine Resonanz erfahren“. Gleichwohl merkte er spitz an, dass er über die Pressemitteilung „schmunzeln“ musste.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf (62) wies die Kritik der Taskforce zurück. „Sie wurde als Beratungsgremium einberufen. Entscheidungskompetenzen hat die Taskforce nie gehabt, die haben die gewählten Gremien. Der DFB ist kein Klub, wo man vielleicht andere Entscheidungswege findet.“ Auch habe es aus der Taskforce „nicht ein einziges Mal den Wunsch gegeben, über die Geschäftsführung zu sprechen“. Er betonte, aus den Differenzen dürften „keine Fronten“ entstehen. Dennoch sei das Gremium nun Geschichte.

DFB-Präsident Neuendorf: Taskforce ist nun Geschichte

Bis zum 31. Dezember 2026 hat sich Rettig nun zu seiner neuen Aufgabe bekannt. Und da erwartet der frühere Chef vom 1. FC Köln und Viktoria Köln noch weitere Diskussionen. „Ich pflege Dinge mit offenem Visier zu besprechen und habe auch kein Glaskinn und teile auch gerne aus. Aber wir brauchen die Liga in ihrer Gesamtheit. Es geht darum, dass sich alle unterhaken. Wir dürfen keinen Protagonisten verlieren.“

Eins machte er gleich zum Start deutlich: In sportliche Belange will er sich weniger einmischen. „Ich sehe mich in der strategischen Ausrichtung und nicht darin, Spielergebnisse der Nationalmannschaft zu kommentieren. Ich renne auch nicht aufs Spielfeld und falle dem U17-Trainer um den Hals“. Daher lässt er auch Sportdirektor Rudi Völler (63) bei der Bundestrainer-Suche den Vortritt.

Andreas Rettig: „Rudi Völler ist mir inhaltlich überlegen“

„In diesem Prozess ist Rudi im Lead“, wie er auf EXPRESS.de-Nachfrage betonte. „Da geht es um die inhaltliche Bewertung der Fachkompetenz, da ist er mir überlegen, er war Weltmeister“, sagte Rettig, auch wenn Völler ihm gemäß Organigramm unterstellt ist. „Modernes Management definiert sich nicht über Hierarchiestrukturen. Es ist immer der Wettstreit um die besten Ideen, um die beste Lösung zu erreichen“, stellte Rettig klar, es gehe hier nicht darum, „wer mehr Sternchen am Revers hat“.

Julian Nagelsmann (36) gilt bei der Bundestrainer-Suche als aussichtsreichster Kandidat. „Wir sind einen deutlichen Schritt weiter im Vergleich zu nach dem Spiel gegen Frankreich“, sagte Neuendorf. „Wir wollten zunächst grundsätzliche Fragestellungen beantworten, das ist erfolgt.“ Der Präsident deutete an, man dürfe „mit einer Verpflichtung“ nicht die Konsolidierung der vergangenen Monate „infrage stellen“, was als Hinweis Richtung des Ex-Bayern-Trainers verstanden werden könnte.

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Doch Rettig signalisierte nach der Pressekonferenz noch in kleiner Runde, dass eine Verpflichtung am Ende nicht an Gehaltsfragen scheitern werde. Zudem durfte er zur Kenntnis nehmen, dass der Sportdirektor, der ihm einst den Spitznamen „Schweinchen Schlau“ verpasst hatte, auf Kooperationskurs ist. „In der Vergangenheit hatten Andreas Rettig und ich mit Blick auf elementare Fragestellungen des Fußballs durchaus die eine oder andere Meinungsverschiedenheit“, sagte Völler.

„In verantwortlicher Funktion beim DFB gilt es aber, persönliche Überzeugungen an Realitäten anzupassen und sie dem Nutzen des gesamten deutschen Fußballs unterzuordnen. In diesem Sinne werden wir gut zusammenarbeiten. Andreas wird im Rahmen seines Aufgabenbereichs die Bedingungen für alle Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes verbessern.“

Auch DFL-Chef Hans-Joachim Watzke (64) berichtete von einem persönlichen Gespräch mit Rettig vor dessen Ernennung, um mögliche Differenzen auszuräumen. Danach habe er seine Zustimmung in der Personalie signalisiert. In der Vergangenheit habe man „sehr konträre Ansichten“ in manchen Themenbereichen gehabt, sagte der BVB-Geschäftsführer.

Bevor es am Montagnachmittag zum öffentlichen Training der Frauen-Nationalmannschaft ging, stand für Rettig weiter das Kennenlernen des neuen Arbeitsplatzes an. „Ich trage Personalverantwortung für rund 200 Menschen. Die neue Aufgabe ist wirtschaftlich herausfordernd, sportlich schwierig – aber mit Lichtblicken“.