Sportreporter Bernd Schmelzer hat zur Frauen-Fußball-EM mit uns über die aktuelle Nationalelf und kuriose Kommentatoreneinsätze gesprochen. Und darüber, was ihn beim Männerfußball nervt.
Bernd Schmelzer„Frauen spielen einfach ehrlicher Fußball“

Copyright: IMAGO/Ulrich Wagner
Bernd Schmelzer ist einer der führenden Sportmoderatoren Deutschlands und kommentiert jetzt wieder die Frauen-EM. Das Foto entstand im Oktober 2023 in München.
Achtmal haben die deutschen Fußballfrauen den EM-Titel geholt, zweimal wurden sie Weltmeister, und olympisches Gold gab es natürlich auch schon. Auf der Trainerbank und in der Nationalelf selbst sieht man immer wieder neue Gesichter, aber eine Konstante gibt es fast seit 30 Jahren im Frauen-Fußball: Bernd Schmelzer (59).
Kein anderer hat so viele Frauen-Spiele kommentiert wie er. Und auch bei der Frauen-Fußball-EM, die kommende Woche (ab 2. Juli) in der Schweiz startet, wird er wieder zum Mikro greifen. Warum Frauenspiele einfach besser sind, verrät er im großen Talk mit EXPRESS.de.
„Beim Frauenfußball geht's nicht so sehr um Selbstinszenierung“
Zusammen mit Nia Künzer haben Sie das Buch „Warum Frauen den besseren Fußball spielen“ geschrieben. Steile These – woran machen Sie das fest?
Bernd Schmelzer: Die Männer haben natürlich den Frauen eine gewisse Physis voraus, sind in der Regel etwas schneller, das ist in der Leichtathletik ja nicht anders. Aber Frauen spielen einfach den ehrlicheren Fußball, da geht es weniger um das ganze Brimborium drumherum. 20 Frauen würden sich niemals um eine Schiedsrichterin herum aufbauen und sie beschimpfen. Oder da wälzt sich auch keine theatralisch viermal über den Platz, um einen Elfer herauszuholen wie bei den Männern. Wenn ich die schon sehe beim Torjubel: Da dankt der eine seinem Vater, der zweite dankt Gott, der dritte dem kranken Hund. Das ist doch mittlerweile der Wahnsinn.
Also mehr Sport, weniger Show?
Bernd Schmelzer: Beim Frauenfußball geht es nicht so sehr um Selbstinszenierung, sondern um das Geschehen, das auf dem Rasen stattfindet. Bei den Männern haben manche die Bodenhaftung verloren. Das hängt mit dem Finanzwahnsinn zusammen, der ja teilweise schon in den Milliardenbereich geht.
Bei der EM 1989 bekam die deutsche Frauenelf ein Kaffeeservice als Dankeschön für den Sieg, auch noch B-Ware. Equal-Pay war nach der letzten EM ein großes Thema. Können gute Spielerinnen heute reich werden?
Bernd Schmelzer: Also, vom Reichwerden sind wir heute noch weit entfernt, wenn man jetzt wieder sieht, welche Geldkoffer da bei den Männern wie etwa Florian Wirtz über den Tisch geschoben werden ... Aber es hat sich was getan bei den Prämien, und gerade bei der Nationalmannschaft geht es jetzt in die richtige Richtung. Auch bei den Grundgehältern in der Bundesliga, zumindest bei den großen Vereinen. Da muss heute keine Frau noch nebenbei in der Kneipe arbeiten, um in München die Miete zahlen zu können. Aber Equal Pay? Davon sind wir noch Lichtjahre entfernt.
Und wie sieht es mit der sportlichen Förderung im Frauenfußball aus?
Bernd Schmelzer: Da gibt es auch positive Tendenzen. Was mir gut gefällt, ist das Thema Infrastruktur. Es gibt auch für Mädchen immer mehr Nachwuchsleistungszentren mit verbesserten Trainingsbedingungen, das ist sehr viel professioneller geworden. Wenn früher bei den Männern, ich sag’ mal acht bis zehn Leute für so eine Mannschaft verantwortlich waren – vom Trainer bis zum Mentalcoach waren das bei Frauen vielleicht zwei. Und die konnten sich glücklich schätzen, wenn sie das Trikot nicht noch selbst waschen mussten. Das hat sich wirklich angenähert.
Mussten Sie sich als ausgewiesener Ski-Experte vor knapp 30 Jahren eigentlich lange überreden lassen, damals so etwas „Unbedeutendes“ wie Frauenfußball zu kommentieren?
Bernd Schmelzer: Gerade in den Anfängen war es in der Tat so, dass viele Kollegen offen gesagt haben, dass sie so was nicht übertragen wollen. Ich hab das von Anfang an immer gern gemacht, auch wenn ich regelmäßig Sprüche mit auf den Weg bekam wie „Grüße an den Frauenversteher“. Mittlerweile habe ich unter anderem fünf Olympische Spiele, vier Weltmeisterschaften und vier Europameisterschaften kommentiert, darunter insgesamt sechs Endspiele. Die meistgesehene Fernsehsendung 2022 war das EM-Finale der Frauen England – Deutschland mit fast 22 Millionen Zuschauern. Auch das Spiel Deutschland – Kolumbien bei der WM 2023 sahen mehr als zehn Millionen Zuschauer. Nein, ich fühle mich nicht als Reporter zweiter Klasse.
Erinnern Sie sich noch an eines der kuriosesten Spiele, dass Sie kommentieren mussten?
Bernd Schmelzer: Ja, 2007, in Wales, Haverfordwest (lacht). Ein Qualifikationsspiel. Der Fußballplatz ähnelte tatsächlich einer Wiese, es gab auch keine Tribüne und neben dem Platz grasten zwei Haflinger. Mein Kommentatorenplatz war auf einem Gerüst aufgebaut. Darunter saß die Nationaltrainerin auf einer Gartenbank. Wenn ich im Eifer des Gefechts zu laut kommentiert habe, drehte sie sich ein ums andere Mal um und sagte: „Bernd, bitte nicht so laut! Wir müssen uns ein bisschen auf das Spiel konzentrieren.“ Und dann hat es auch noch angefangen zu regnen. Das war wirklich sehr skurril.

Copyright: imago sportfotodienst
Feste Größe abseits des Rasens. Alle Kickerinnen (hier Fatmire Bajramaj) kennen Bernd Schmelzer. Das Foto wurde 2011 aufgenommen.
Bayern Münchens Trainer „Tschik“ (Zlatko Čajkovski) verpasste Stürmer Gerd Müller in den 60ern den Beinamen „kleines dickes Müller“, den Kommentatoren sofort aufnahmen. Könnten Sie sich so eine Formulierung heute bei Frauen noch erlauben?
Bernd Schmelzer: Gott bewahre! Gendern, Diversity und Body-Shaming verfolgen mich schon seit vielen Jahren, gerade seit es Themen in den sozialen Netzwerken sind. Natürlich sagt man Stürmerin oder Verteidigerin. Aber soll es auch Libera statt Libero heißen? Da traut man sich ja kaum noch zu sagen, dass eine Spielerin den Ball mit der Brust angenommen hat. Es hat sogar mal einen Riesenaufruhr gegeben, weil ich eine Spielerin „kleine Japanerin“ genannt habe. Das war natürlich gar nicht abwertend gemeint, aber die 1,90 große Amerikanerin hatte es nun mal leichter, die Flanken abzufangen als eine 1,52 Meter große Japanerin. Die Spielerinnen selbst und der Inner Circle um sie herum würden sich über so eine harmlose Formulierung übrigens nie aufregen, weiß ich von Ihnen.
Sie haben eine Tochter. Hat sie auch Fußball gespielt?
Bernd Schmelzer: Ja, in einer Mädchenmannschaft und das kann ich allen Eltern nur empfehlen, a) wegen der Bewegung, b) wegen der Gruppendynamik und c) wegen des Teamgeistes. Es ist einfach schön zu erleben, was man alles in so einer Gemeinschaft erreichen kann und Sport ist immer gut für die Entwicklung, egal, ob Mannschafts- oder Individualsport.
Und Sie selbst? Wie ist es um Ihre sportliche Karriere bestellt? Oder schauen Sie lieber nur zu?
Bernd Schmelzer: Ich habe früher auch selbst Fußball gespielt im Tor, obwohl ich gar nicht so groß war, oder als rechter Verteidiger. Ich habe außerdem Tennis in der Mannschaft gespielt, bin Ski gefahren und habe sogar als Skilehrer gearbeitet. Heute spiele ich in gar keiner Mannschaft mehr. Die Verletzungsgefahr ist zu groß und ich bin einfach zu langsam. Ich spiele in meiner Freizeit mehr schlecht als recht Golf. Aber es gibt keine Mannschaft, die mich aufnehmen würde, dafür bin ich einfach nicht gut genug.
„Schauspieler? Als Leiche würde ich vielleicht noch durchgehen!“
Auch im „Tatort“ war schon Ihre Stimme zu hören, natürlich als Kommentator. Könnten Sie sich eine Zweitkarriere als Schauspieler vorstellen?
Bernd Schmelzer: (lacht) Als Leiche würde ich vielleicht noch ganz gut durchgehen, aber nicht als Kommissar.
Bleibt zum Abschluss noch die wichtigste Frage: Das erste Spiel der Deutschen bei der EM findet Freitag gegen Polen statt. Wie schätzen Sie das Potenzial der Elf ein?
Bernd Schmelzer: Da fehlen natürlich ein paar erfahrenen Spielerinnen, Alexandra Popp, Svenja Huth oder Melanie Leupolz. Jetzt werden jüngere Spielerinnen mehr Verantwortung übernehmen müssen bei einem so großen Turnier. Da können wir mal gespannt sein. Es kommt darauf an, wie die Mannschaft die Philosophie des Trainers umsetzt. Ich glaube, wir sind da auf einem ganz guten Weg.
„Was macht er da?“ Da ist Bernd Schmelzer
Der gebürtige Dortmunder Bernd Schmelzer, der am 23. Juli seinen 60. Geburtstag feiert, wuchs in Balderschwang auf und wohnt inzwischen in Bayern. Nach seinem Volontariat arbeitete er als Redakteur für Sat.1 in Bayern, bis ihn die ARD aufgrund seiner auffälligen Leidenschaft und Expertise für Sportthemen entdeckte. Seit 1987 arbeitet er für den Bayerischen Rundfunk, seit 1991 ist er als Kommentator für Fußball, Alpinsport und Eishockey bei der ARD beschäftigt.
Schmelzer gilt als Deutschlands führender Ski-Reporter sowie Frauenfußball-Experte, kommentiert auch die Olympischen Sommer- und Winterspiele und ist für seinen Humor bekannt. Legendärer Satz: „Ja, was macht er/sie denn da?“, wenn Schmelzer Murks auf dem Platz sieht. Er schrieb außerdem zwei Fußball-Bücher, die Bestseller wurden.