Köln – Am heutigen Freitag feiert Berti Vogts seinen 70. Geburtstag. Im EXPRESS gratuliert Reiner Calmund der deutschen Fußball-Legende:
Ich kann es kaum glauben - Berti Vogts wird 70 Jahre alt. Seit fast 40 Jahren kennen wir uns. Ich war damals „Mädchen für alles“ bei Bayer 04 Leverkusen, er U21-Trainer beim DFB. Obwohl wir völlig unterschiedliche Typen waren, mochten wir uns. Der Fußball war das große Band, das uns eng zusammenführte.
Ich hatte einen riesengroßen Respekt vor seinen Leistungen als Profi. Vor dem kleinen Berti, der mit 12 und 13 Jahren Mutter und Vater verlor. Als Waisenjunge musste er sich alles hart erarbeiten. Der liebe Gott hatte Berti als Fußballer nicht mit übergroßem Talent ausgestattet - dafür aber mit einer enormen Willenskraft.
Weisweiler als Ersatzvater für Vogts
Das Glück seiner frühen Profitage hieß Hennes Weisweiler. Der Erfolgstrainer wurde für ihn zum Ersatzvater, mit derben Worten („Lerne du erstmal den jraden Schuss!“) und liebevollen Gesten. Vor allen Dingen aber mit Vertrauen.
Unter ihm wurde Vogts zum Top-Profi. Und zum Fußball-Verrückten. Als er 1966 wegen einer Verletzung den Sprung in den Kader für die WM verpasste, reiste er trotzdem nach England, um die Großen des Weltfußballs zu studieren. Später traf er sie alle wieder – auf dem Rasen. Und für keinen von ihnen war es ein Vergnügen, gegen den „Terrier“ anzutreten.
Neben den großartigen Erfolgen mit Mönchengladbach, gewann er als Nationalspieler u.a. 1972 die Europameisterschaft, 1974 die Weltmeisterschaft und 1976 die Vize-Europameisterschaft. Berti wurde zweimal Fußballer des Jahres und 1996 wurde ihm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
„Ballorientierte Raumdeckung“
Mir ist es wichtig, dass die Lebensleistung des Berti Vogts nicht zu kurz kommt. Als Nörgler und Schlauberger sahen ihn viele, nachdem er 1990 Bundestrainer wurde. Was für eine Ungerechtigkeit.
Berti Vogts war in der Tat als Spieler und Trainer ein Perfektionist, das war die Basis für seine Erfolge. Mit dem WM-Titel und Franz Beckenbauers unnötigen Spruch, dass Deutschland auf Jahre hinaus unschlagbar sei, bekam er einen Rucksack umgehängt, der übermenschlich schwer war. Dazu kam die sich verändernde Landschaft im Bereich der Medien und der Taktik. Als Vogts damals davon sprach, sein Team solle „ballorientierte Raumdeckung“ spielen, lachten sich alle Besserwisser schlapp. Heute gehört der Ausdruck in jedes Lehrbuch.
„Der Star ist die Mannschaft“
Als Bundestrainer erreichte er zwei Euro-Finals, als man 1992 im Finale Dänemark unterlag, wurde er so hart kritisiert, als sei er in der Vorrunde rausgeflogen. Der Titel 1996 war bis zum WM-Sieg 2014 der letzte große Erfolg für eine deutsche Nationalmannschaft.
Auch damals prägte Berti einen bis heute gültigen Leitsatz: „Der Star ist die Mannschaft“. Er wurde 2014 wiederbelebt, die deutsche Nationalelf heißt seitdem weltweit: „Die Mannschaft“.
Berti Vogts gilt vielen als sperrig und widerborstig. Als ein misstrauischer Mensch, auf Abwehr bedacht. Doch das ist häufig nur die Maske. Vogts ist warmherzig, einer, der im Verborgenen hilft. Er ist weit gereist und kennt jede Ecke der Erde, nicht nur, weil er nach seinem Engagement in Deutschland, auch als Nationaltrainer in Kuwait, Nigeria, Aserbaidschan und Schottland (als erster und einziger Nicht-Schotte!) arbeitete.
Als Globetrotter könnte er Reiseführer mit den kulturellen Highlights, aber auch über die besten Hotels und Restaurants weltweit, schreiben. Gebannt hört man zu, wenn er seine Erlebnisse aus fernen Ländern schildert.
Sein Partner bei diesen Trips war häufig sein Sohn Justin aus der Ehe mit Monika. Berti Vogts wird 70. Ich wünsche ihm alles Gute, vor allen Dingen aber Gesundheit und dass wir uns noch häufig sehen und als alte Säcke von noch älteren Zeiten, aber auch über die Zukunft, quatschen können.
Berti Vogts in Zahlen
Borusse von 1965 bis 1979. Rekord-Fohlen mit 504 Einsätzen (419 Bundesliga-Spiele). Fünfmal Deutscher Meister. DFB-Pokalsieger. Zweifacher UEFA-Cup Sieger. Finalist Europapokal der Landesmeister. Zweimal Fußballer des Jahres. Kapitän von 1974 bis 1979.
Spitzname: Der Terrier! Der niemals eine Rote oder Gelb-Rote Karte gesehen hat, nur 15 Verwarnungen. Vogts verpasste vom ersten Bundesliga-Spiel Borussias 1965 bis zum neunten Spieltag der Saison 1971/1972 keine Minute. Das sind 223 Spiele in Folge gewesen. Als Nationalspieler 96 Einsätze. Welt- und Europameister.
Später als Trainer sammelte „Berti“ weitere Titel. 1990 Weltmeister als „Co“ von Franz Beckenbauer. 1996 holte er den bis dato letzten EM-Titel als Chefcoach für unser Land. Die Trainer-Stationen: DFB-Junioren (1979-90), DFB A-Elf (1990-98), Bayer Leverkusen (2000-2001), Kuwait 2001-2002, Schottland 2002-2004, Nigeria 2007-2008, Aserbaidschan 2008-2014.