„WDR war empört“Nina Petri erklärt, warum sie Rolle im Kölner „Tatort“ ablehnte

Nina Petri im Oktober 2024 in Hamburg

Die roten Haare sind das Erkennungsmerkmal von Nina Petri. „Und da ist kein Stückchen künstliche Haarfarbe drin“, freut sie sich. Das Foto wurde 2024 aufgenommen.

Schauspielerin Nina Petri hat erzählt, warum sie eine Rolle im „Tatort“ aus Köln ablehnte und wie sie und ihre Familie Ausgrenzung erlebt haben.

von Andrea Kahlmeier  (ak)

 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt der Kurzfilm „Sprengstoff“ (am 4. Mai auf KiKA, 20 Uhr), wie tief rassistische Vorurteile in der Gesellschaft verwurzelt sind. Die kleine, aber feine Rolle als toughe Sprengmeisterin in dem beeindruckenden Kinder- und Jugendfilm spielt Nina Petri (61).

Aber der Film ist nicht ihr einziges Standbein. Warum ihr neuer Job sie sogar kostenlos auf die „Queen Mary 2“ bringt, verrät sie im großen Gespräch mit EXPRESS.de.

Nina Petri über Alltags-Rassismus und Ausgrenzung

Warum haben Sie diese Nebenrolle in „Sprengstoff“ angenommen?

Alles zum Thema WDR

Nina Petri: Erstens, weil es ein Job ist und Rollenangebote sind in heutigen Zeiten immer rarer gesät; zweitens, weil es einen richtig exotischen Beruf darzustellen galt, viel spannender als Ärztin, Anwältin oder Polizistin. Man spielt ja nicht so oft eine Sprengmeisterin. Und das Thema des gesamten Films berührt mich natürlich.

Es geht um einen jugendlichen Flüchtling, der ausgegrenzt wird, bis ein Teenie endlich Zivilcourage zeigt. Haben auch Sie und Ihre Familie Rassismus erlebt?

Nina Petri: Ausgrenzung ist immer ein großes Problem. Als Kind habe ich selbst erlebt, wie es ist, rothaarig zu sein. Rot war nicht immer ein Schönheitsideal, in meiner Kindheit war es ein Zeichen von Andersartigkeit. Außerdem war ich verheiratet mit einem dunkelhäutigen Mann und habe Rassismus aus nächster Nähe erfahren. Und auch meine Kinder haben durchaus erlebt, was es heißt, einen sichtbaren Migrationshintergrund zu haben.

Wie äußerte sich das?

Nina Petri: Mit meinem Mann konnte ich Anfang der 90er nicht mit der Bahn von West- nach Ostberlin reisen. Er wurde angegriffen. Es gab wirklich No-go-Areas. Und in den Parks wurden von der Polizei Ethno-Checks gemacht, alle Menschen mit dunkler Hautfarbe irgendwie überprüft und sie mussten ihre Ausweispapiere zeigen ohne Grund. Da war mein Mann dann auch dabei. Meist sind es aber auch Nuancen, nicht der brutale Übergriff, die ärgerlich sind. Wie oft mussten meine Zwillinge, die nicht blond und blauäugig sind, zum Beispiel die Frage beantworten: „Wo kommst du denn eigentlich her?“ Sie waren in Hamburg auf einer sehr guten Schule. Die Einzige, die außer ihnen einen Migrationshintergrund hatte, war eine hochbegabte Chinesin. Die drei wurden bei Veranstaltungen gerne vorgezeigt, so nach dem Motto: „Schaut mal, wir haben auch nicht ganz deutsche Kinder an der Schule.“ Oder jemand schaute in den Kinderwagen und sagte: „Ach guck, die sind ja gar nicht so dunkel, da haben Sie aber Glück gehabt“.

Wie reagieren Sie auf solchen Rassismus?

Nina Petri: Meine Kinder sind aktiv in Organisationen. Ich lebe das einfach. Und selbst ich mit meiner Vita finde, es ist schwer zu sagen, ich bin überhaupt kein Rassist oder ich habe überhaupt keine Vorurteile. Das ist menschlich. Aber man muss die Vorurteile erkennen. Alles, was mir fremd ist – Dinge, Gegenstände, Lebensmittel – beäugen wir erst mal vorsichtig. Das finde ich auch völlig in Ordnung. Die Frage ist doch, wie gehe ich dann damit um?„ Ihh, bäh, weg damit“, oder probiere ich es?

In Kinderfilmen wie „Max und die wilde Sieben“ oder in der Serie „Festmachen“ sind Sie immer die Powerfrau. Keine Lust auf Omarollen?

Nina Petri: Gut, natürlich könnte ich wirklich schon Oma sein, aber Omas zu spielen, die nicht mehr aktiv, sondern nur noch tatterig sind, da bin ich glaube ich nicht der Typ für. Solche Rollen werden mir auch nicht angeboten.

Sie würden bestimmt eine gute Kommissarin abgeben. Hat der „Tatort“ sich noch nicht gemeldet?

Nina Petri: Doch, inzwischen würde ich gerne eine Ermittlerin, zum Beispiel im „Tatort“, spielen. Ich wurde sogar vor 35 Jahren gefragt, ob ich ins Team des WDR-„Tatorts“ will. Aber da hätte ich die Rolle der Sekretärin gehabt. Nein, danke! Ich habe schon mit 25 gewusst, dass ich diesen Job da im Büro auf keinen Fall machen wollte – die Männer gehen in die raue Welt, schießen um sich und fangen die bösen Verbrecher und das Mädchen sitzt da und hat so 'ne Intuition, aber mehr auch nicht. Der WDR war so empört, dass ich diese großartige Chance abgelehnt habe, dass ich für den Sender ein für alle Mal gestorben war. Gut, bis auf eine kleine Rolle in einer Vorabendserie.

Sie sind auch eine bekannte Stimme als Hörbuchsprecherin. Was macht Ihnen mehr Spaß?

Nina Petri: Das kann man so nicht sagen. Also ich liebe diesen Job als Hörbuchsprecherin, weil ich da alles sein kann, nicht eine Rolle spiele, sondern alle. Ich interpretiere die Geschichte auf meine Weise. Das ist ein kleines Allmachtsgefühl, ich lieb' das sehr. Leider finde ich privat kaum noch Zeit, die guten Thriller, etwa von Tess Gerritsen oder Karin Slaughter, zu lesen. Fakt ist: Die Hörbücher sind meine sicherste Einnahmequelle.

Muss man heutzutage als Schauspielerin mehrere Standbeine haben, selbst wenn man so bekannt ist wie Sie?

Nina Petri: Ich kann natürlich nur für mich sprechen. Doch ja, das ist so, schon seit einigen Jahren. Wenn es nur ums Drehen ginge, würde ich davon überhaupt nicht mehr leben können. Doch ich habe nicht erst seit Corona damit gerechnet, dass das passieren wird. Ich spiele auch Theater oder gehe mit eigenen Programmen auf Tour. Und ich bin gerne auf der Bühne, das ist mir fast noch lieber als vor der Kamera zu stehen. Ich bin breit aufgestellt, seit einiger Zeit übrigens auch als Mentorin.

Nina Petri über ihre Ehe: „War wahrscheinlich gut für die Kinder“

Was kann man von Ihnen lernen?

Nina Petri: Ich bin davon überzeugt, dass diese Skills, die ich als Schauspielerin gelernt habe und auch anwende, für den ganz normalen Menschen enorm toll sein können, um die eigene Ausstrahlung und Wirkung zu verbessern. Die meisten Menschen bleiben unter ihren Möglichkeiten, da schlummert ganz viel emotionales Ausdruckspotenzial. Ich unterstütze sie dabei, ihre Möglichkeiten auszuprobieren. Das mache ich zum Beispiel für Unternehmen, da bereite ich junge Menschen darauf vor, sich in ihrer Sozialkompetenz zu zeigen, mutig zu sein. Aber auch für Privatleute. Da bin ich genau die Richtige.

Sie haben nach Ihrer Scheidung mal gesagt, eine Ehe brauchen Sie nicht mehr. Gilt das auch heute noch?

Nina Petri: Ich habe diesbezüglich keine Ambitionen (lacht). Das war ja damals schon ein Fehler, aber ist auch egal, war wahrscheinlich gut für die Kinder.

Longevity-Experten predigen, dass man ab 60 regelmäßig Sport machen sollte, um die Muskeln zu erhalten. Raffen Sie sich auf?

Nina Petri: Ich habe schon immer gerne Sport gemacht, fast jeden Tag. Ich bin leidenschaftliche Lindy Hop- und Balboa-Tänzerin. Ich habe mein Leben lang gerne getanzt. Lindy Hop ist so ein Swing-Tanzen, kommt aus der Charleston-Ära, aus den 30er und 40er Jahren.

Was lieben Sie sonst noch?

Nina Petri: Ich treffe mich gern mit Freunden, habe ein gutes, soziales Leben. Und ich fahre wahnsinnig gern in den Urlaub. Bald fliege ich nach New York, werde im Gegenzug für die Einladung auf die „Queen Mary 2“ ein paar Vorträge halten. Darauf bin ich schon sehr gespannt.

Nina Petri: Von der Ruhrpott-Saga zum Deutschen Filmpreis

Nach dem Abitur absolvierte die Hamburgerin eine Schauspielausbildung an der Bochumer Schauspielschule, 1989 schaffte sie in der Ruhrpott-Saga „Rote Erde“ den Durchbruch ins Fernsehen. Ob auf der Bühne, vor der Kamera, als Hörbuchsprecherin oder Mediatorin (ninapetri.de) – sie ist in jedem Metier zu Hause und wurde für ihr schauspielerisches Schaffen mehrmals ausgezeichnet.

Für den Film „Die tödliche Maria“ erhielt sie 1994 den Bayrischen Filmpreis. 1999 wurde sie für die Filme „Lola rennt“ und „Bin ich schön?“ mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet. 2005 kam für sie als Ensemblemitglied von „Die Konferenz“ noch der Hessische Filmpreis hinzu. 2016 wurde sie mit dem Auditorix Hörbuchsiegel geehrt. Nina Petri lebt in Hamburg, zog nach der Scheidung ihre Zwillinge allein auf.