Man muss zweimal hinguckenAngela Merkel völlig ungewohnt – so zeigt sich die Kanzlerin sonst nicht

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat man bei der ersten Sitzung des neuen Bundestages in ungewohntem Look gesehen. Auch ihr Sitzplatz war nicht der, den sie sonst im Plenarsaal einnimmt.

von Jan Voß (jv)

Berlin. Es war ein ungewohntes Bild, das man am Dienstag (26. Oktober) im Bundestag zu sehen bekam. Die neuen Abgeordneten der Fraktionen kamen zur konstituierenden Sitzung zusammen – und Angela Merkel saß nur auf der Zuschauertribüne.

Merkel ist zwar noch amtierende Bundeskanzlerin, aber sie ist keine Abgeordnete mehr, da sie sich in dieser Legislaturperiode nicht zur Wahl hat aufstellen lassen. Theoretisch hätte sie also zwar das Recht gehabt, mit der geschäftsführenden Regierung im Plenarsaal Platz zu nehmen. Traditionell wird auf dieses Recht aber verzichtet, denn mit der Konstituierung des neuen Bundestages endet offiziell die Amtszeit der Bundeskanzlerin.

Doch nicht nur der Sitzplatz der Kanzlerin war am Dienstag anders als sonst – auch Angela Merkel selbst zeigte sich in ungewohntem Look.

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Angela Merkel mit Brille – das hat Seltenheitswert

In einer Situation musste man zweimal hingucken, wenn man einen Blick zu Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Tribüne warf. Denn so kennt man die Politikerin eigentlich nicht. Mit Brille!

Ein ungewohntes Bild. Die Kanzlerin hatte die Brille in der laufenden Sitzung plötzlich aus der Tasche geholt, sie ordentlich geputzt und schließlich aufgesetzt.

Angela Merkel holte bei der konstituierenden Sitzung plötzlich ihre Brille raus.

Angela Merkel holte bei der konstituierenden Sitzung plötzlich ihre Brille raus.

Angela Merkel (mit Brille) am 26.10.2021 neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (wie immer mit Brille).

Angela Merkel (mit Brille) am 26.10.2021 neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (gewohnt mit Brille).

Was genau Merkel dazu veranlasste, auf ihre Sehhilfe zurückzugreifen? Ob es auf einen Vorgang im Plenarsaal zurückzuführen war, den sie sich genauer ansehen wollte? Ob es ein ironischer Kommentar darauf war, dass sie nach so vielen Jahren nun so weit weg auf der Tribüne saß? Unklar.

Angela Merkel nur zu seltenen Anlässen mit Brille

Dass es eine seltene Begebenheit war, das dürfte allen politisch interessierten Bürgern in Deutschland hingegen klar sein. Denn Angela Merkel mit Brille – das hat Seltenheitswert. Dass die Kanzlerin kurzsichtig ist, bekam ihr Volk tatsächlich erst bei ihrer ersten Neujahrsansprache mit. Um die Sätze auf dem Teleprompter lesen zu können, brauchte sie eine Brille. Anschließend sah man sie nur zu sehr seltenen Anlässen so. Etwa bei Fußballspielen.

Gerne hat sie ihr Gestell aber offenbar nie getragen. Wenn sie auf die Sehhilfe verzichten konnte, tat sie es.

So lange ist die Merkel-Regierung noch geschäftsführend im Amt

Übrigens: Die Merkel-Regierung führt die Amtsgeschäfte weiter, bis das neue Kabinett ernannt und vereidigt ist. Nach jetziger Planung von SPD, Grünen und FDP soll das in der Woche ab dem 6. Dezember geschehen. Das bedeutet, dass Deutschland voraussichtlich etwa sechs Wochen lang eine geschäftsführende Regierung haben wird.

Deren Kompetenzen bleiben im Prinzip weitgehend unverändert. Eine geschäftsführende Regierung kann nach wie vor Gesetze in den Bundestag einbringen und sogar einen Haushaltsentwurf vorlegen. Allerdings hat sie im Bundestag keine Koalition mehr hinter sich, die diese Entwürfe beschließen würde. Minister können aber noch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassen.

Manches geht allerdings nicht mehr: So kann die geschäftsführende Kanzlerin keine Vertrauensfrage stellen. Ein Misstrauensvotum des neu gewählten Bundestages gegen einen geschäftsführenden Kanzler ist ebenfalls ausgeschlossen. Auch darf die geschäftsführende Regierungschefin keine Minister mehr austauschen. Man nennt das „Versteinerungsprinzip“. Scheidet ein Minister etwa aus Gesundheitsgründen aus, werden seine Aufgaben von anderen Regierungsmitgliedern übernommen.

Generell gilt für eine geschäftsführende Regierung das Gebot größtmöglicher politische Zurückhaltung. Es ist Konsens, dass sie keine Entscheidungen mehr treffen sollte, die eine Nachfolgeregierung binden. Das gilt auch für die Außenpolitik. (mit dpa)