Kabul-Chef in KölnIch würde nie mehr in Afghanistan leben können

Kölner Gastronom Suleiman Samae im Restaurant Kabul

Leidet mit seiner Heimat: Suleiman Samae mit traditionellem Teekessel im Restaurant Kabul.

Kabul in Köln. Das gibt es. Im EXPRESS gibt ein gebürtiger Afghane einen Einblick in sein Seelenleben, wenn es um die aktuellen Bilder aus seinem Heimatland geht.

von Markus Krücken (krue)

Köln. Das Chaos vom Hindukusch. Auch in der Kölner Elsaßstraße sind die schrecklichen Bilder aus Afghanistan Gesprächsthema. 2004 eröffnete Suleiman Samae (41)  dort mit dem „Kabul“ das erste afghanische Restaurant der Stadt überhaupt.

Wie geht ein Kölner mit afghanischen Wurzeln mit dem Elend in seiner Heimat um?

Samae sitzt aufgeräumt in seinem urigen, kleinen Lokal und schenkt einen landestypischen Tee ein.

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„Es tut mir weh für die zivile Bevölkerung drüben, weil meine Wurzeln dorther sind“, beginnt er traurig, „Man wollte den Terrorismus bekämpfen, doch jetzt, das ist jetzt wieder der Zeitpunkt, wo er wieder wächst. Viele werden in Afghanistan Zuflucht finde, das wird auch für uns hier im sogenannten Westen eine ganz große Gefahr.Das System kennt keine Gesetze, es gibt nicht die Legislative, Judikatve und Exekutive, wie wir es kennen. Es ist traurig wie das Land seit 40 Jahren gelitten hat.“

Der Gastronom kommt selbst aus einer Flüchtlingsfamilie. Mitte der 90er Jahre flohen die Eltern, beides Ärzte, mit ihm als 10-Jährigen Hals über Kopf aus dem vom Krieg zerrissenen Land.

Kölner Gastronom: Als Kind malte er Panzer und Gewehre

Er studierte BWL, gründete das Lokal, doch die Bilder der Kindheit hat Samae, in Kabul geboren und aufgewachsen, noch immer vor dem geistigen Auge präsent.

„Ich bin selber Kriegskind. Das in Afghanisten, bevor wir nach Deutschland kamen, war die dunkelste Zeit, die ich erlebt habe. Nur Waffen. Wir haben als Kinder keine Bäume gemalt, wir haben Panzer gemalt und Gewehre. Wir haben nichts anderes gesehen“, erinnert er sich.

Immer wieder suchen die Kunden im „Kabul“ das Gespräch mit ihm: „Natürlich sind die Gäste traurig. Sie sprechen mich an, ob ich noch Verwandtschaft dort habe. Es ist das Gesprächsthema Nummer eins. Leider Gottes ist das Bild wieder sehr schlecht für das Land.“

Vor allem für die Frauen in Afghanistan sieht Samae angesichts der Herrschaft der Taliban grausame Zeiten bevorstehen: „Viele haben studiert in den letzten 20 Jahren, es gibt viele Journalistinnen, Medizinerinnen, Juristinnen, die werden in Afghanistan jetzt keine Zukunft haben.“

Er sagt weiter: „Ich selbst würde in Afghanistan nicht mehr leben können. Die Taliban sind ein Regime, das ich als Mensch nicht akzeptieren kann.  Ich würde es als Tourist irgendwann mal sehen, es hat eine sehr schöne Landschaft. Aber nur dann wenn es mal sicher ist. Und wann soll das sein?“

Kölner „Kabul“-Chef: „Land ist 40 Jahre lang ruiniert worden“

In der Domstadt ist er von Rassisten und Vorurteilen bislang verschont geblieben. Samae: „Köln ist meine Heimat. Ich bin mit Köln sehr zufrieden, es ist eine Stadt, wo Multikulti gelebt wird, ich fühle mich sehr wohl und hatte bisher nichts mit Ressentiments zu tun. Ich bin Deutschland sehr dankbar. Wir sind aufgenommen worden und haben etwas erreicht. Es war schwierig, vor allem für meine Eltern. Sie mussten von null anfangen, sie mussten all ihr Hab und Gut hinterlassen. Das tut einem dann noch mehr weh, wenn man heute diese Bilder sieht. Dass sich nichts geändert hat.“

Mit seinen drei Mitarbeitern kommt der Wirt schleppend durch die Corona-Krise, hat zu kämpfen. Für die Krise in seinem Heimatland ist ein Ende aber nicht abzusehen, darüber macht sich Samae keine Illusionen: „Die 20 Jahre der Investitionen waren quasi für nichts, für null. Mit dem Regime wird keine Ruhe in Afghanistan kommen, es haben viele Intellektuelle das Land verlassen und es wird schwierig das Land wieder aufzubauen, vierzig Jahre lang ist es ruiniert worden.“