Katar-KatastropheWM-Analyse: Für Bierhoff wird es beim DFB so nicht weitergehen

Teammanager Oliver Bierhoff kommt am Flughafen München an.

Säuerliche Miene: Oliver Bierhoff nach der Rückkehr aus Katar am 2. Dezember 2022 am Münchner Flughafen.

Nach dem frühen WM-Aus müssen Entscheidungen bei der Nationalmannschaft her. Oliver Bierhoff und Hansi Flick stellen sich Bernd Neuendorf und Hans-Joachim Watzke.

von Marcel Schwamborn (msw)

Während die Weltmeisterschaft in Katar in die K.o.-Runde startet, beginnt in Deutschland die Aufarbeitung des erneuten Turnier-Desasters. Am Freitagabend verstreuten sich Spieler und Verantwortliche zunächst in alle Richtungen. Durchatmen im Kreis der Familien, alles sacken lassen.

Schon in der nächsten Woche werden zumindest DFB-Direktor Oliver Bierhoff (54) und Bundestrainer Hansi Flick (57) wieder zusammentreffen. Sie müssen bei DFB-Präsident Bernd Neuendorf (61) und Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (63) Antworten auf viele Fragen liefern.

DFB: Nach drittem Turnier-Frust werden Konsequenzen folgen

Die nahende EM 2024 in Deutschland macht alle nervös. Der deutsche Fußball liegt nach drei Turnier-Enttäuschungen am Boden, bei den Fans macht sich Gleichgültigkeit breit. Schlimme Vorzeichen vor einer Prestige-Veranstaltung. Deshalb wird das erneute Scheitern bei der WM auf jeden Fall Konsequenzen nach sich ziehen.

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Nach EXPRESS.de-Informationen wird es zumindest für Bierhoff in dieser Konstellation nicht weitergehen. Schon dessen geschaffener Marketing-Begriff „Die Mannschaft“ wurde von Neuendorf kassiert. Mit Watzke sitzt in den Gesprächen zudem ein bekennender Kritiker des Geschäftsführers. Dessen Aussagen nach dem Aus („Es geht nicht um Fingerpointing“, „Mein Team hat super Arbeit gemacht“, „Ich habe ein sehr gutes Gefühl für mich“) hinterließen bei den Verantwortlichen Fassungslosigkeit.

„Wir haben schlechte Jahre hinter uns, da sitzt Oliver Bierhoff mit im Boot – und da muss man auch Oliver Bierhoff infrage stellen“, hatte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (61) bereits als Devise vorgegeben. Neuendorfs Aussage, die verlangte Aufarbeitung müsse „die Entwicklung der Nationalmannschaft und unseres Fußballs seit 2018“ umfassen, war eine klare Ansage an den Direktor.

Einen reflexartigen Rauswurf kann es allerdings auch nicht so schnell geben. Zum einen verfügt Bierhoff – ebenso wie Flick – über einen Vertrag bis 2024. Zudem hat er im Verband 180 (!) loyale Mitarbeiter um sich geschart. Er könnte weiter für die neue DFB-Akademie verantwortlich bleiben. Nur stellt sich die Frage, ob es eine sinnvolle Lösung wäre, ihn damit weiter im Hause zu halten.

Ein Vakuum soll zudem möglichst rasch gefüllt werden. „Ein Sportsystem ohne einen übergeordneten sportlichen Leiter – das ist das Bild des Deutschen Fußball-Bundes. Ich habe genug Fehler gemacht in meinem Leben. Aber den Fehler, diese Position abzuschaffen, auf die Idee musst du erstmal kommen“, sagte Matthias Sammer (55) bei MagentaTV.

DFB: Matthias Sammer verlangt Besetzung des Sportdirektor-Postens

Von 2006 bis 2012 hatte er selbst den Posten inne. „Ein Sportdirektor gibt die großen Linien vor – und sie brauchen für meine Begriffe alle zwei Jahre ein Korrektiv, um an den kleinen Stellschrauben in die richtige Richtung zu drehen.“

In der Trainerfrage geht die Tendenz hingegen zu einem Festhalten an Flick. Natürlich habe er Fehler gemacht. Aber zum einen habe er gerade sein erstes Turnier hinter sich, zum anderen bade er lediglich die schwierigen Bedingungen aus, heißt es von Insidern.

„Ich bin klar der Meinung, dass er Bundestrainer bleiben muss“, schrieb Ex-Nationalspieler Stefan Effenberg (54) bei T-Online. „Manchmal braucht man vielleicht genau so ein Turnier und solche Ergebnisse, um zu sagen: Jetzt müssen wir uns für die Zukunft anders aufstellen, vielleicht auch taktisch ein bisschen umstellen. Da haben wir leider auch nicht aus den Fehlern von der WM 2018 und der EM 2021 gelernt.“

Toni Kroos fordert einen festen Stamm an Nationalspielern

Ähnlich argumentiert Ex-Weltmeister Toni Kroos (32). „Es ist absolut eine Hauptaufgabe Richtung nächstes Turnier, und das muss wirklich ab dem nächsten Länderspiel sein, dass wir irgendwann mal wirklich sagen, wir haben eine klare Elf, oder wenigstens 13 oder 14 Spieler“, sagte der Real-Madrid-Profi bei Magenta TV.

Ein fester Stamm an Profis solle künftig „so viele Länderspiele wie möglich“ machen. „Dann spielen sie schlecht, aber dann spielen sie wieder. Wir sollten eine Formation finden, unabhängig von Namen.“ Man müsse sich davon lösen, „es drei, vier Spielern recht zu machen, damit sie glücklich sind“. Dieses Problem trat bei der WM zutage, weil Flick sich scheute, verdiente Spieler auf die Bank zu setzen.

Philipp Lahm sorgt sich vor Heim-EM: „Abschneiden eine Katastrophe“

Philipp Lahm (39), der OK-Chef der EM 2024, ist schon in Sorge um sein Herzensprojekt in anderthalb Jahren. „Die Mannschaft wirkt führungslos. Nun gilt es, die Richtigen zu finden, auch mit Blick auf die Heim-EM, die schon in 18 Monaten beginnt und für die das Abschneiden natürlich eine Katastrophe ist, da brauchen wir nicht drum herumzureden“, klagte er dem RND.

Nach dem EM-Fiasko 2000 brachte der damalige Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder (†82) ein teures Konzept zur Nachwuchsförderung auf den Weg, um den deutschen Fußball zu reanimieren. Neuendorf, der beim Konflikt mit der FIFA bei der „One-Love“-Binde ein ganz schlechtes Gesicht abgab, kann nun mit zielführenden Entscheidungen dafür sorgen, dass der deutsche Fußball wieder in die Spur kommt.