Zweiter Titel in einem Jahr futschKommentar: Nagelsmann greift wieder daneben – viele Alarmsignale

Auch in der Nations League spielt die Nationalmannschaft trotz des Heimvorteils nicht um den Titel. Nach der Halbfinal-Niederlage gegen Portugal gibt es Diskussionsbedarf. Ein Kommentar zum DFB-Team.

von Marcel Schwamborn  (msw)

Vor einem Jahr, da war der Schuldige nach dem bitteren Viertelfinal-Aus bei der Heim-EM schnell gefunden. Schiri Anthony Taylor ahndete das klare Handspiel des Spaniers Marc Cucurella im Strafraum nicht, der VAR griff ebenfalls nicht ein. Deutschland fühlte sich um den Turnier-Erfolg betrogen.

Aber auch bei der Mini-EM reicht es im eigenen Land wieder nicht zum Titel für die DFB-Elf. Die Nations League wird für den Gastgeber mit einem überflüssigen Spiel um Platz drei beendet. Portugal jubelte am Mittwoch (4. Juni 2025) über einen 2:1-Erfolg, der sich sogar deutlicher anfühlte, als es das Ergebnis ausdrückte.

Bitteres Fazit: Kimmich vermisste „Siegermentalität“ und „Gier“

Unter dem Strich bleibt: zwei Turniere in Deutschland, zweimal kein Pokal für die DFB-Truppe, stattdessen viele Alarmsignale. Bei der Suche nach den Verantwortlichen für die ärgerliche Heim-Pleite in München drängt sich nicht eine Person auf. Vielmehr führte in der Allianz-Arena ein Kollektivversagen zur großen Ernüchterung.

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In erster Linie ist ein Trainer für das Auftreten einer Mannschaft zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn sowohl Julian Nagelsmann als auch Kapitän Joshua Kimmich nachher zu Recht anmerkten, dass die „Siegermentalität“ und „Gier“ gefehlt habe, zudem nicht jeder „100 Prozent“ gegeben habe, dann ist es dem nie um einen schlauen Spruch verlegenen Bundestrainer offenbar nicht gelungen, die Spieler ans Limit zu führen.

Fast aus dem Nichts war die DFB-Elf durch einen lichten Moment in Führung gegangen. Doch beim Stand von 1:0 griff Nagelsmann bei seinen Wechseln daneben. Acht Minuten nach dem vollzogenen Dreifach-Tausch stand es 1:2. „Ich habe gar kein Problem über die Wechsel zu diskutieren“, sagte Nagelsmann auf der Pressekonferenz angefressen und ergänzte scharf: „Hinterher ist man immer schlauer, das ist als Trainer genauso wie als Journalist.“

Aber bereits im Viertelfinale gegen Italien wurde aus einer souveränen 3:1-Führung nach einem Dreier-Wechsel noch ein 3:3, das Aus drohte schon da. Bereits bei der Startaufstellung schien der Bundestrainer allen beweisen zu wollen, dass er taktisch den rund zehn Millionen Besserwissern vor dem Fernseher haushoch überlegen ist. Wie schon gegen Italien hielt er dickköpfig an der Idee Dreierkette fest und sorgte durch Leon Goretzkas sehr offensive Rolle für ein Loch im defensiven Mittelfeld.

Parallel zu den unglücklichen Trainerentscheidungen kam noch das Versagen von zahlreichen gestandenen Akteuren. Die Bayern-Fans, die Jonathan Tah an künftiger Wirkungsstätte durch die Gegend irrlichtern sahen, dürften schon jetzt größte Sorgen vor kommender Saison haben. Und warum ein Leroy Sané derzeit mit dem Rekordmeister um noch mehr Kohle für eine Vertragsverlängerung pokert, erschließt sich nach einem weiteren ambitionslosen Auftritt auch nicht.

Dass Aleksandar Pavlović mit 21 Jahren noch Leistungsschwankungen zeigt, ist verständlich. Dass aber ein Führungsspieler wie Robin Gosens nach starker Saison in Florenz so schläfrig auf das Feld kommt und ein Serge Gnabry offenbar mehr mit seiner Frisur als mit dem Fußballspielen beschäftigt ist, ist beängstigend.

Deutschlands Leroy Sané und Aleksandar Pavlović reagieren nach der Niederlage.

Leroy Sané (l.) und Aleksandar Pavlović zeigten gegen Portugal keine gute Leistung. Die Bayern-Stars passten sich dem schwachen Spiel ihrer Kollegen an.

Einmal mehr strahlte lediglich Joshua Kimmich den unbedingten Siegeswillen aus, den es in K.o.-Spielen braucht. Die personellen Ausfälle im deutschen Kader konnten letztlich nicht mehr kompensiert werden. Während Portugal von der Ersatzbank frische Impulse brachte, verpufften alle fünf Optionen, die Nagelsmann zog, komplett.

So bleibt nach 22 Länderspielen des neuen DFB-Heilsbringers auf der Trainerbank auch die bittere Erkenntnis, dass sein Team gegen Top-Nationen doch schnell an seine Grenzen gerät. Bei der WM 2026 warten noch höhere Hürden. Wenn dann die Spieler auf dem Feld und ihr Chef an der Seitenlinie keine Top-Leistung zeigen, wird der Traum vom nächsten Titel wieder vorzeitig platzen.