„Kriminelle Qualität“Bei ihm soll Anfang angeblich geimpft worden sein: Kölner Arzt spricht Klartext

Dr. Jürgen Zastrow am 8. Mai 2021 in Chorweiler

HNO-Arzt Dr. Jürgen Zastrow koordinierte in der Pandemie die Impfungen für Hunderttausende Kölner. In seinem Impfzentrum in Deutz will sich Ex-Werder-Coach Markus Anfang geimpft haben lassen.

Der Impfpass-Skandal um Ex-Werder-Trainer Markus Anfang hat nicht nur bei den Fußball-Fans für großes Entsetzen gesorgt. EXPRESS.de sprach mit dem Kölner Arzt Dr. Jürgen Zastrow über den Fall.

von Anton Kostudis (kos)

Köln. Es ist ein Vorgang, der nicht nur bei den deutschen Fußball-Fans für große Bestürzung und Entsetzen sorgt: Der mittlerweile beim Zweitligisten Werder Bremen zurückgetretene Coach Markus Anfang (47) soll seinen Impfpass gefälscht haben.

Seinen Job als Chefcoach bei Werder Bremen ist Anfang seit vergangenem Freitag (19. November 2021) bereits los – womöglich wird er auch nie wieder einen neuen bekommen. EXPRESS.de sprach mit dem Kölner Impf-Arzt Dr. Jürgen Zastrow (61) über den Fall. Der Mediziner leitete das Impfzentrum in Köln-Deutz, in dem sich der Ex-FC-Trainer geimpft lassen haben will.

Mittlerweile ist aber klar: Im EDV-System der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sind Anfangs angebliche Impfungen in Deutz nicht auffindbar! Nach jüngsten Aussagen der Bremer Staatsanwaltschaft hat sich der Tatverdacht gegen den Ex-Köln-Trainer zudem erhärtet.

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Markus Anfang beim Spiel in Darmstadt

Markus Anfang, hier beim Zweitliga-Spiel seines SV Werder Bremen bei Darmstadt 98 am 17. Oktober 2021, ist nach dem Impfpass-Skandal als Trainer der Norddeutschen zurückgetreten.

Impfarzt über Markus Anfang: „Man sollte ihm dankbar sein“

HNO-Arzt Zastrow, der in den zurückliegenden Pandemie-Monaten für Hunderttausende Kölner die Corona-Impfungen mit koordinierte, macht der Skandal betroffen. Doch der Mediziner sagt auch: „Man sollte Markus Anfang dankbar sein!“

Denn der Kölner „Impf-Papst“ meint: „Ich finde es gut, dass sie mal einen bekannten Namen erwischt haben. Jetzt wird hoffentlich auch dem Letzten klar, dass es hier nicht um ein Kavaliersdelikt geht, sondern um eine Straftat.“ Anfangs Impfpass ist mittlerweile beschlagnahmt worden, nachdem dem Bremer Gesundheitsamt im November bei der Überprüfung des Dokuments Ungereimtheiten aufgefallen waren. Anfang hatte sein Zertifikat im Zuge der Kontaktverfolgung des corona-infizierten Werder-Profis Marco Friedl (23) bei der Behörde vorlegen müssen.

Zastrow selbst hat „glücklicherweise noch keine Erfahrungen mit gefälschten Impfpässen gemacht“. Der Mediziner erklärt: „Wenn wir so etwas feststellen, melden wir das. Dann ist es ein Fall für die Strafverfolgungsbehörden.“

Gefälschte Impfpässe: „Kein Kavaliersdelikt“

Was sich nach dem Wirbel um Markus Anfang derweil viele Menschen fragen: Wieso kommt überhaupt jemand auf die Idee, seinen Impfpass zu fälschen? Zastrow glaubt: „Den Leuten sind die strafrechtlichen Konsequenzen nicht klar. Viele betrachten das wohl eher wie Schwarzfahren. Aber seinen Impfpass zu fälschen, das hat eine ganz andere, kriminelle Qualität.“ Erst am 19. November hatte der Bundesrat dem im Bundestag verabschiedeten neuen Corona-Gesetz zugestimmt, welches unter anderem Gefängnisstrafen für Impfpass-Fälscher vorsieht.

Was den Kölner Mediziner jedoch viel wütender macht: „Natürlich ist das Betrug. Aber viel schlimmer ist, dass diese Leute die Gesundheit anderer Menschen gefährden.“

Kölner Impf-Arzt Dr. Jürgen Zastrow: „Lückenlose Testungen nicht möglich“ 

Das Argument vieler Impfgegner, dass Tests ausreichend seien, lässt Zastrow nämlich nicht gelten. „Das würde ja voraussetzen, dass die Testungen hundertprozentig zuverlässig sind. Das sind sie aber nicht. Ein Test kann negativ sein – aber fünf Stunden später positiv. Lückenlose Testungen sind schlichtweg nicht möglich.“ Der Arzt fordert daher: „Impfen plus testen!“

Dass sich nach wie vor viele Menschen nicht impfen lassen wollen, kann Zastrow derweil nicht verstehen. Er sagt: „Die Gesellschaft ist gespalten. Die Menschen, welche die Impfung verweigern, geraten zunehmend in die Defensive. Fakt ist aber: Impfverweigerer tragen eine Teilverantwortung daran, dass Tag für Tag Hunderte Menschen sterben. Das sind jeden Tag Hunderte Tote, die vermeidbar wären.“

Der Kölner Arzt will weiter gegen die Pandemie ankämpfen. „Was wir machen können und müssen, ist aufzuklären. Damit Leute nicht in die abstruse Lage kommen, die Impfung zu verweigern.“