Stefan Effenberg ist seit Jahren als Experte Dauergast im „Doppelpass“, blickt gewohnt kritisch auf das Geschehen in der Bundesliga. Darüber sprach der frühere Bayern-Kapitän auch im Interview mit EXPRESS.de
„Doppelpass“-ExperteEffenberg: Hier ist der FC „außergewöhnlich gut“
von Béla Csányi (bc)
Als Spieler war er selbst über Jahre immer wieder großes Thema im „Doppelpass“, inzwischen gehört Stefan Effenberg (57) beim Fußball-Talk von Sport1 als Experte zum Inventar.
Rund um den 30-jährigen „Doppelpass“-Geburtstag, bei dem der Sender auch noch einen Fan-Experten für die Jubiläums-Ausgabe am 7. September sucht, sprach Effenberg mit EXPRESS.de über seine Rolle in der Sendung, die Unterschiede zu früher und seine Erwartungen für die kommende Saison.
Effenberg: „Leider drückt sich der eine oder andere“
Stefan Effenberg, der „Doppelpass“ feiert sein 30-jähriges Bestehen, startete damals zu Ihren Spielerzeiten. Haben Sie damals auch schon reingeschaut?
Stefan Effenberg: Ehrlich gesagt sehr wenig. Die Sendung steigt seit 30 Jahren am Sonntagvormittag, wo wir in der Regel Training hatten. Dementsprechend konnte man da nicht wirklich reinschauen.
Damals gab es noch häufiger denkwürdige Streitgespräche. Mal mit Uli Hoeneß, mal mit Christoph Daum oder Rudi Assauer. Waren solche Geschichten dann auch Thema in der Kabine?
Effenberg: Auf jeden Fall. Der „Doppelpass“ hat viele große Geschichten geschrieben mit der Generation der Manager damals, ob es Uli war, ob Assauer oder Calmund. Da war immer viel Leben drin. Das haben wir schon mitgekriegt, was dann auch im „Doppelpass“ diskutiert wurde.
Seit Jahren sind Sie jetzt als Experte dabei, haben kürzlich auch Ihren Vertrag verlängert. Was macht den Job für Sie so reizvoll?
Effenberg: Vor allem das Team. Man muss sich immer wohlfühlen in einem Team. Darunter sind auch viele Leute, die man gar nicht sieht. Die, die hinter den Kulissen so viel machen und uns Dinge abnehmen, ob es die Regie ist oder in der Vorbereitung für die Sendung. Das macht für mich den „Doppelpass“ auch aus.
Gibt es Gäste, die Sie besonders gerne mit in der Runde haben, bei denen vorab klar ist, dass es eine gute Diskussion geben wird?
Effenberg: Ich habe sie alle gerne. Natürlich hat man da so ein paar, auf die man sich dann immer sehr freut, zu denen man auch eine enge Beziehung hat, das ist ja klar. Calli (Reiner Calmund, Anm. d. Red.) ist immer unterhaltsam. Es gibt viele aus der – bitte nicht falsch verstehen – etwas älteren Generation, die einfach auch immer den Nerv der Zuschauer mit ihren Aussagen treffen. Und da gehört Calli sicherlich dazu.
Wird heute weniger hitzig diskutiert als früher?
Effenberg: Das hängt ja immer von den Themen ab. Ich mag es, wenn Manager oder Sportdirektoren sich in einer sportlich schwierigen Situation dann auch stellen. Dann wird es natürlich immer eine interessante Sendung. Leider Gottes gibt es aber auch den einen oder anderen, ohne jetzt Namen zu nennen, der sich dann eher drückt. Und da bin ich kein Freund von.
Immer öfter sind dafür jetzt Schiedsrichter zu Gast in der Runde, oft sogar direkt am Tag nach Auftritten mit diskutablen Entscheidungen…
Effenberg: Ich finde das absolut richtig und wichtig. Das habe ich auch gefühlt jedem einzelnen Schiedsrichter nach der Sendung gesagt, dass sie transparent sein müssen, dass sie uns oder den Zuschauern auch die Situation erklären, dass sie auch mal Fehler eingestehen – die total menschlich sind. Wir bieten ihnen dafür eine Plattform, das sollten sie dann auch annehmen.
Kann so auch das Verständnis der Fans für den Schiri-Job zunehmen?
Effenberg: Das ist ganz, ganz wertvoll für unsere Zuschauer, dass die Schiedsrichter sich dort auch stellen und zeigen. Es sind ja nicht nur Experten, die vor dem Fernseher sitzen, sondern es gibt ja Fußballfans, die sich mit Regelfragen eher weniger befassen. Und wenn der Schiedsrichter Dinge auch mal im Detail erklärt, ist das auf jeden Fall ein ganz großer Mehrwert.
Wäre es zu Ihren aktiven Zeiten vorstellbar gewesen, dass die Schiedsrichter ausführlich über kritische Szenen vom Vortag sprechen?
Effenberg: Das ist insgesamt eine Entwicklung, auch weil es mit dem Video-Assistenten komplizierter geworden ist. Danach haben die Diskussionen um das „Wieso, Weshalb, Warum“ erst so richtig angefangen. Und wenn die Schiedsrichter-Gilde bereit ist, das selbst zu erklären, dann gibt es ja nichts Besseres. Dass wir teils sogar Schiedsrichter in der Sendung haben, die noch am Vortrag das Topspiel gepfiffen haben, ist enorm hilfreich.
Effenberg stärkt Bayern für Díaz-Transfer den Rücken
Florian König hat im Gespräch mit EXPRESS.de verraten, dass er Thomas Müller gerne mal als Gast in der Runde begrüßen würde. Würden Sie sich darüber auch freuen?
Effenberg: Er hat uns immer schon sehr gut unterhalten in den Interviews, die er gefühlt wöchentlich gegeben hat. Also hatten wir da auch schon immer etwas von Thomas Müller. Es wäre natürlich schön, wenn er kommt, aber allgemein finde ich, dass es schön wäre, wenn des Öfteren auch mal Spieler in unsere Runde kommen. Wir hatten mal Kevin Kampl oder Yussuf Poulsen in der Runde, aber das ist die Ausnahme. Ohne jetzt Thomas Müller zu nennen, würde ich mich insgesamt freuen, wenn Profis auch mal bereit sind, am Sonntag in dieser Runde teilzunehmen.
Der FC Bayern wiederum geht in seine erste Saison ohne Thomas Müller. Ist Luis Díaz dabei genau der richtige Neuzugang?
Effenberg: Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das Gesamtpaket passt. Du bekommst einen im positiven Sinne fertigen Spieler, der eine hohe Qualität hat, der es nachgewiesen hat, nicht nur in der Premier League, auch in der Nationalmannschaft. Er hat seine Qualitäten auch auf internationalem Niveau schon gezeigt.

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Stefan Effenberg hält sich im „Doppelpass“ mit kritischen Urteilen nicht zurück
Passt das Gesamtpaket auch mit Blick auf die Ablöse von 75 Millionen Euro?
Effenberg: Ich bin der Meinung, er ist im absolut besten Fußballalter. Und von daher macht dieser Transfer Sinn, weil sie ja etwas machen mussten. Und wenn du so einen Spieler kriegst, dann musst du zugreifen. Er wird direkt funktionieren, er braucht keine Anlaufzeit. Das passt. Da haben sie direkt mal ein, zwei Planstellen mit einem Transfer abgedeckt.
Auf welchen Positionen gibt es jetzt noch Handlungsbedarf?
Effenberg: Stand jetzt finde ich, ist der FC Bayern für die Bundesliga definitiv sehr gut aufgestellt. Ob das international reicht, das wird dann doch eine enge Geschichte.
Seit Pep Guardiola hat kein Bayern-Trainer mehr zwei volle Jahre durchgehalten. Wie stehen die Chancen von Vincent Kompany, die Durststrecke zu beenden?
Effenberg: Ich gehe davon aus, dass er das schaffen wird. Wenn man die letzten Jahre mal zurückschaut, ob es mit Nagelsmann war oder mit Tuchel, gab es bei Bayern eine große Fluktuation bei den Trainern. Entscheidend ist aber, dass du Kontinuität und Stabilität reinbringst.
Reicht dafür ein weiteres Jahr mit „nur“ der Meisterschaft als Titel?
Effenberg: Der Anspruch muss sein, Meister zu werden und den DFB-Pokal zu gewinnen, da setze ich ein Ausrufezeichen hinter. Und dann müssen sie sich international gut verkaufen.
Bei Bayer Leverkusen gingen viele große Namen. Droht ohne Alonso ein Absturz aus den Spitzenplätzen?
Effenberg: Sie haben den Kreativsten vorne in der Offensive verloren, dazu auch eine zentrale Säule mit Xhaka. Zusätzlich zu Alonso auch noch Tah und Frimpong. Das sind alles Spieler, die auf ihren Positionen den absoluten Unterschied ausgemacht haben. Und wenn man diese Substanz verliert, ist es schwer, das zu bestätigen, was sie in den vergangenen zwei Jahren erreicht haben. Für die internationalen Plätze sollte es aber trotzdem reichen.
Wer wird dann erster Bayern-Jäger?
Effenberg: Der ärgste Verfolger wird der BVB sein, wenn er es endlich schafft, die Qualität, die sie ja durchaus haben, konstant und auf Strecke zu zeigen. RB Leipzig hat diese Saison keine internationale Belastung, das kann ein Vorteil sein. Aber die Frage ist: Reicht nach Ende der Transfer-Phase überhaupt die Qualität, um ganz oben anzugreifen? Ich glaube, das ist die spannendste Frage, die wir in der neuen Saison haben.
Der 1. FC Köln ist mit neuem Trainer zurück in der Bundesliga. Wie stehen die Chancen auf den Klassenerhalt?
Effenberg: Wenn du aufsteigst, spielst du erstmal um den Klassenerhalt. Sie haben ein Pfund, das ist das Publikum, was natürlich versuchen wird, sie zu tragen, ob nun zu Hause oder auch auswärts. Da sind sie außergewöhnlich gut. Die Rechnung ist recht einfach: Wenn man noch den HSV, St. Pauli und Heidenheim dazu nimmt, gibt es einen Vierkampf um den Klassenerhalt.
Ihr Ex-Verein Borussia Mönchengladbach muss seit einigen Jahren wieder kleinere Brötchen backen.
Effenberg: Das ist die Realität. Sie melden ja kleine Ansprüche an, etwa letztes Jahr mit dem einstelligen Tabellenplatz. Dann haben sie sogar an den internationalen Rängen gekratzt und hatten es auch selbst in der Hand, aber dann zeigt sich eben, dass die Qualität nicht reicht, um diesen Schritt dann zu machen. Sie sind dann im Gegenteil sogar noch mal richtig abgerutscht.
Sehen Sie auf absehbare Zeit die Hoffnung auf einen Sprung nach oben?
Effenberg: Man hofft immer auf ein bisschen mehr, aber die Realität sieht leider Gottes anders aus. Und für mich ist Borussia Mönchengladbach auch im nächsten Jahr, da würde ich mich sogar festlegen, leider nur im Mittelfeld zu finden. Aber was willst du auch machen? Die Qualität ist nicht da, um große Brötchen zu backen oder irgendwelche größeren Ansprüche anzumelden.
Zum Abschluss ein langfristiger Ausblick: Wir starten in eine WM-Saison. Wie sehen Sie ein Jahr vor der Endrunde die Lage bei der deutschen Mannschaft?
Effenberg: Wenn man die Nations League heranzieht, hat man gesehen, wo sie hingehören. Es gab ein Final Four und wir sind Vierter geworden. Im eigenen Land finde ich das Abschneiden schon ernüchternd. Und das hat auch gezeigt, dass wir eben nicht in die Weltspitze gehören. Wir sind im Windschatten, aber ob das reicht, dafür ist es noch zu früh.
Ist es eine Qualitäts-Frage oder steht auch Julian Nagelsmann in der Pflicht, noch mehr aus der Mannschaft herauszuholen?
Effenberg: Realistisch betrachtet ist die Nationalmannschaft gut, aber mehr auch nicht. Es ist einfach nichts Besseres da. In der Nominierung macht Nagelsmann gar nicht so viel verkehrt. So ist der Ist-Zustand und dann muss man auch nicht träumen. Die Realität sieht so aus, dass die Mannschaft sich im internationalen Vergleich zwischen den Plätzen sechs und zehn bewegt. Das können wir uns schönreden, aber das wollen wir ja auch nicht.
Inzwischen wird auch wieder das Comeback von Manuel Neuer diskutiert. Zu Recht?
Effenberg: Erst mal weiß man nicht, was in einem Jahr ist. Da muss er auf diesem Niveau auch erst mal hinkommen. Ich würde von einer Rückholaktion aber auf jeden Fall abraten. Das kann nicht der Weg der Nationalmannschaft sein.