Kommentar zum Bochumer Becher-EklatHeimtückisch & kriminell: Sperrt diese Chaoten endlich aus!

Das Schiedsrichtergespann um Benjamin Cortus (r.) verlässt während des Spiels das Spielfeld, nachdem Schiedsrichterassistent Christian Gittelmann einen Becher an den Kopf bekommen hatte.

Hässliche Fan-Attacke: Das Schiedsrichtergespann um Benjamin Cortus (r.) verlässt während des Bundesliga-Spiels VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach am Freitagabend (18. März 2022) das Spielfeld, nachdem Schiedsrichterassistent Christian Gittelmann einen Becher an den Kopf bekommen hatte.

Der Becher-Wurf und Spielabbruch bei der Bundesliga-Partie VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach ist die nächste traurige Episode einer hässlichen Tradition, mit der endlich Schluss sein muss. Ein Kommentar.

von Anton Kostudis (kos)

Es wird vermutlich als der größte Skandal dieser Saison in die Bundesliga-Geschichte eingehen: Nach einem Bierbecher-Wurf auf Linienrichter Christian Gittelmann (39) wurde die Freitagabend-Partie des VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach nach 69 Minuten abgebrochen. Ein erschreckender und beschämender Vorfall, der jedoch alles andere als überraschend kam. Denn mittlerweile ist es in vielen Stadien traurige Realität geworden, dass immer wieder Wurfgeschosse von den Tribünen auf den Rasen fliegen. Unser Autor fordert in seinem Kommentar: Verbannt diese Chaoten endlich aus den Arenen!

Acht Partien mussten in der Bundesliga-Geschichte bisher abgebrochen werden – meist, weil das Wetter plötzlich verrücktspielte. Aufziehender Nebel oder einsetzender Stark-Regen waren in vier Fällen der Grund. Einmal, beim legendären Pfostenbruch vom Bökelberg, ging bei der Partie Gladbach gegen Bremen im April 1971 die linke Torstange entzwei.

In drei Fällen allerdings waren rücksichtslose Chaoten die Verursacher. Wie auch am Freitagabend, jenem traurigen 18. März 2022. Das Gastspiel von Borussia Mönchengladbach beim Aufsteiger VfL Bochum war nach 69 Minuten beendet, weil Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann von einem Bierbecher am Kopf getroffen wurde.

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Bittere Ironie: Wenige Stunden vor dem Spiel hatte der Gastgeber mit einem Clip dafür geworben, das Stadion-Bier doch bitte zu trinken und nicht zu werfen. Dennoch ereignete sich der schockierende Vorfall – und er kam alles andere als überraschend.

Becher-Würfe haben in der Bundesliga traurige Tradition

Warum? Weil derartige Fan-Attacken schon seit vielen Jahren an der Tagesordnung sind. Im November 1976 war die Begegnung des 1. FC Kaiserslautern gegen Fortuna Düsseldorf nach mehreren Flaschenwürfen von der Tribüne abgebrochen worden, Referee Rudolf Frickel (89) schickte die Teams in die Kabinen, weil er die Sicherheit der Spieler nicht mehr gewährleisten konnte.

Vor elf Jahren ereignete sich dann beim Spiel des FC St. Pauli gegen den FC Schalke 04 die nächste schockierende Attacke: Schiedsrichter-Assistent Thorsten Schiffner (46) wurde von einem geworfenen Bierbecher am Kopf getroffen. Auch damals erfolgte der Abbruch.

Nun gab es in Bochum die nächste beschämende Episode. Dabei ist es fast schon verwunderlich, dass seit dem Eklat auf St. Pauli elf Jahre vergangen sind, bis erneut ein Wurfgeschoss einen Menschen in einem Fußballstadion verletzt hat.

Denn mittlerweile ist es längst hässliche Gewohnheit geworden, dass bei Fußballspielen Gegenstände von den Rängen gen Spielfeld fliegen. Wochenende für Wochenende werden Profis zur Zielscheibe, meist, wenn das Auswärtsteam in einer Jubel-Traube einen Torerfolg feiert.

Unvergessen die Szene in der Hinrunde der laufenden Saison, als BVB-Youngster Jude Bellingham (18) beim Torjubel mit Teamkollege Erling Haaland (21) einen Bierbecher fing, den Leverkusener Chaoten auf die Dortmunder Profis geworfen hatten.

Fan-Attacken sind rücksichtslos und kriminell

Gegenstände – seien es leere oder volle Bierbecher, Tennis-Bälle, Feuerzeuge oder wie teils geschehen Pyrotechnik aus der Anonymität der Tribüne und aus großer Distanz auf Menschen zu werfen – ist nicht nur rücksichtslos und heimtückisch, sondern in erster Linie schlichtweg kriminell! Weil diese Voll-Chaoten es billigend in Kauf nehmen, Menschen ernster oder ernsthaft zu verletzen.

Jude Bellingham fängt einen Bierbecher, während er mit Erling Haaland jubelt

Denkwürdige Szene: Jude Bellingham (r.) fing im Bundesliga-Spiel bei Bayer Leverkusen am 11. September 2021 einen Bierbecher, den Fan-Chaoten von Bayer Leverkusen auf ihn und Teamkollege Erling Haaland geworfen hatten.

Genau das ist in der Vergangenheit schon mehrfach geschehen. So wurde im Dezember 2005 Hamburgs Alexander Laas (37) im Spiel beim 1. FC Köln von einem Trommelstock am Kopf getroffen, musste blutverschmiert vom Platz getragen werden. Nur mit Glück verlor er bei der Attacke nicht sein Augenlicht.

Im April 2000 warf ein Anhänger des SC Freiburg im Spiel gegen die Bayern einen Golfball auf FCB-Keeper Oliver Kahn (52), traf den Nationalkeeper am Kopf. Eine klaffende Wunde war das Resultat. Beide Partien wurden seinerzeit fortgesetzt. Wie so viele andere auch in der Vergangenheit, bei denen es zu ähnlich hässlichen Vorfällen kam.

Vermutlich, weil das gedankenlose und heimtückische Gebaren meist – und glücklicherweise ؘ– glimpflich ausgeht, weil sich auch der vermeintlich friedliche und faire Großteil der Kurven eben doch nicht entschlossen genug gegen die Täter stellt, und weil den Verantwortlichen im Hintergrund das sportliche Spektakel offenbar wichtiger als die Gesundheit der Beteiligten ist, sind Becher-Würfe nach wie vor an der Tagesordnung. Teile der Fan-Szene behaupten sogar, sie gehören zum Fußball schlichtweg hinzu. Was für eine schäbige Haltung! Und eine, welche das Wort nicht einmal verdient.

Becher-Eklat von Bochum: Verbannt diese Chaoten aus den Stadien!

Mit den niederträchtigen Attacken muss endlich Schluss sein. Verbannt diese Chaoten aus den Stadien! Wer künftig einen Becher oder etwas anderes wirft, gehört lebenslang ausgesperrt, vor Gericht gestellt sowie hart und empfindlich bestraft. Jeder Einzelne gehört identifiziert, jeder einzelne Fall muss noch konsequenter geahndet werden.

Und ja: Womöglich braucht es dafür noch mehr Polizei, noch mehr Kameras, noch mehr Ordnungspersonal, noch mehr Überwachung in den Stadien. Warum? Weil erwachsene Menschen sich immer wieder nicht im Griff haben, und weil es von den „Einzelnen“ und „schwarzen Schafen“ mehr gibt, als es sich die Klubs eben eingestehen wollen.

Emotionen gehören zum Fußball natürlich dazu, hitzige, aufgeheizte Stimmung und Rivalitäten natürlich auch – aber keine Straftaten und körperliche Attacken, legitimiert durch Vereinszugehörigkeit, Wut und verbitterten Hass. Und auch allen Fans sei gesagt: Jeder, der derart niederträchtige Aktionen seines Nebenmanns Woche für Woche mit einem Schulterzucken quittiert, macht sich mitschuldig.