Am Montag, 16. Juni 2025, gab es für viele Fußball-Fans nur ein Thema: Das Bundeskartellamt hat den Bundesligisten, organisiert in der DFL, Auflagen erteilt. Was bedeutet das aber konkret?
Das Kartellamt & 50+1FC-Vorstands-Kandidat Alvermann erklärt Auswirkungen für Köln und Bayer

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Dr. Jörg Alvermann beim Redaktionsgespräch mit EXPRESS.de am 12. Juni 2025 im Neven-Dumon-Haus in Köln.
Die Nachricht sorgte am Montag (16. Juni 2025) für viele Diskussionen und Sorgenfalten bei Fußballfans in ganz Deutschland. Das Bundeskartellamt hat der Deutschen Fußball Liga (DFL) nach gründlicher Prüfung auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Sportkartellrecht zwar bestätigt, dass es keine grundlegenden Bedenken gegen die 50+1-Regel gibt. Doch es gibt einen großen Haken!
Es heißt nämlich auch, dass die DFL konkrete Maßnahmen vornehmen sollte, um zukünftig eine rechtssichere Anwendung der Regel sicherzustellen. Was genau das bedeutet, fragte EXPRESS.de bei Kölns Vorstands-Kandidat Dr. Jörg Alvermann nach. Der 53-Jährige ist Fachanwalt für Streuerrecht und Sportrecht in der Kölner Kanzlei Streck, Mack, Schwedhelm. Er wurde unlängst vom Mitgliederrat mit Jörn Stobbe (59) und Ulf Sobek (53) für die FC-Vorstandswahlen im Herbst nominiert.
50+1-Ausnahmen: Wolfsburg und Leverkusen müssen sich bewegen
Wie beurteilen sie die Aussagen vom Kartellamt?
Dr. Jörg Alvermann: Die Bewertung kommt vor allem zu der Vorgabe, dass die DFL für einheitliche Wettbewerbsbedingungen sorgen und die 50+1-Regel diskriminierungsfrei und einheitlich anwenden muss. Die Bewertung ist aus meiner Sicht rechtlich zutreffend und entspricht der bisherigen Linie. Die gute Nachricht ist, 50+1 ist und bleibt zulässig. Allerdings gibt man der Liga einige Hausaufgaben auf den Weg, die für erheblichen Zündstoff sorgen werden. Vereinfacht gesagt: gleiches Recht für alle. Die bisher teils vereinbarten, teils tolerierten Ausnahmen werden zumindest mittelfristig nicht mehr zu halten sein.
Was bedeutet das für Klubs wie den 1. FC Köln?
Alvermann: Der FC bekennt sich klar für 50+1. Insoweit ist es eine gute Nachricht, dass das Bundeskartellamt die 50+1-Regel bestätigt und gleiches Recht für alle anwenden will. Ebenso positiv ist, dass die Mitbestimmung der Mitglieder – die beim FC in besonderem Maße ausgeprägt ist – vom Bundeskartellamt als Kriterium explizit hervorgehoben wird. Sollte der sich jetzt abzeichnende Streit mit den Werksklubs sowie Leipzig allerdings dazu führen, dass die 50+1-Regel kippt, stünden letztlich auch wir als Verlierer da. Denn dann wäre der Weg für Investoren auch für andere Klubs frei, der Wettbewerbsnachteil für den FC würde ungleich größer.
Was bedeutet das künftig für Klubs wie Wolfsburg und Leverkusen?
Alvermann: Die Bewertung des Bundeskartellamts ist eindeutig: Auf Dauer ist der „Bestandsschutz“ für die Werksklubs kartellrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen. Heißt: Auch hier müssen die Kapitalgesellschaften unter das Dach eines Muttervereins. Einen solchen Verein gibt es ja in beiden Fällen auch – allerdings müsste er zukünftig die Mehrheit der Stimmrechte in der Kapitalgesellschaft bekommen. Hierfür sieht das Bundeskartellamt eine gewisse Übergangsfrist als gerechtfertigt an.
Wie sieht es bei der TSG Hoffenheim aus?
Alvermann: Hoffenheim ist nicht mehr betroffen, da Dietmar Hopp seine Anteile an den Verein übertragen hat. Zu prüfen wäre noch, ob die Vereinsstrukturen hinreichend demokratisch sind – ähnlich wie in Leipzig.
Und wo liegt die Besonderheit bei RB Leipzig?
Alvermann: Der Verein RasenBallsport Leipzig e.V., der die Mehrheit der Stimmrechte an der RB Leipzig GmbH hält, muss sich in seiner Mitgliedschaft öffnen und damit eine Mitbestimmung der Fans ermöglichen. Bislang halten die Mitgliedschaft vielleicht 20 Personen, die dem Konzern nahestehen. Aufnahmeanträgen Dritter wird in der Regel nicht entsprochen. Dies konterkariert die Ziele und Werte von 50+1. Künftig muss jede Person, die das Vereinsziel der Förderung des Ballsports unterstützt, auch die Möglichkeit erhalten, als stimmberechtigtes ordentliches Mitglied aufgenommen zu werden.
Auch über Hannover 96 wird gesprochen, wie sieht es da aus?
Alvermann: Hannover ist der juristisch spannendste Fall. Auch hier liegt die Aufgabe nicht in der formalen Erfüllung von 50+1, sondern in der tatsächlichen Umsetzung. Es gab ja beim Investorendeal hinreichende Gründe zur Annahme, dass die Geschäftsführung der GmbH gegen Weisungen des Gesellschafters, also des Vereins, verstoßen hat. Offen gelegt wurde das Abstimmungsverhalten nicht. Hier ist aus meiner Sicht in erster Linie die DFL gefordert: Wenn der Verein dem Klub-Vertreter eine offene, veröffentlichte Weisung erteilt, muss dieser auch offen abstimmen und darf seine Stimmabgabe nicht geheim halten.
Was muss die DFL nun konkret machen?
Alvermann: Wichtig ist: Die Stellungnahme ist kein Urteil, sondern nur eine vorläufige rechtliche Bewertung. Die DFL hatte das Prüfverfahren seinerzeit selbst beantragt. Jetzt sind die DFL und die Klubs gefordert. Es müssen klare Standards in den Satzungen der DFL und der Klubs geschaffen werden. Dies muss man noch in diesem Jahr angehen. Sind die betroffenen Klubs nicht bereit, ihre Strukturen anzupassen, kommt es zum Schwur: Die DFL-Klubs können Satzungsverschärfungen, also zum Beispiel den Wegfall von Ausnahmen, offenes Stimmverhalten oder offene Mitgliedschaft, mit Zweidrittelmehrheit beschließen. Hier wird sich zeigen, wie ernst es den einzelnen Vereinen mit 50+1 ist.
Erwarten sie nach den Auflagen des Kartellamts mehr Chancengleichheit im deutschen Fußball?
Alvermann: Sofern die Vorgaben umgesetzt werden, würde dies ein Stück mehr Chancengleichheit verschaffen – aber eben nur ein Stück weit. Denn 50+1 verhindert auch in seiner derzeitigen Form nicht den Einstieg von Investoren. Aber die wichtige Botschaft wäre, dass der hinter einer Kapitalgesellschaft stehende Verein nicht nur formal, sondern auch tatsächlich das Sagen haben muss. Und dieser Verein muss für die Fans offen und basisdemokratisch ausgerichtet sein. Bereits dies wäre ein erheblicher Erfolg.
Sind weitere Konstrukte oder Wege, wie sie Leipzig und Hoffenheim gegangen sind, künftig an anderen Standorten ausgeschlossen?
Alvermann: Nur, wenn DFL und Klubs sich jetzt zusammenreißen und die Vorgaben auch tatsächlich umsetzen. Wenn die Anpassungen nicht durchgesetzt werden, ist 50+1 möglicherweise bald Geschichte. Damit wäre ein elementares Markenzeichen des deutschen Fußballs verloren. Dann wäre Investoren Tür und Tor endgültig geöffnet.
Werden mitgliedergeführte Vereine jetzt nicht erstmal gestärkt?
Alvermann: Dies ist aus meiner Sicht die erfreulichste Botschaft des Bundeskartellamts: Die Mehrheit der Stimmrechte beim Verein ist für das Gemeinwohl im Sport ein wichtiges und auch rechtlich tragfähiges Kriterium. Dies setzt aber voraus, dass der Verein den Fans offen steht und Mitgliederrechte auch durchgesetzt werden können. Die Stellungnahme zeigt daher auch, dass der FC mit seinem mitgliedergeführten Verein auf dem richtigen Weg ist. Der Kampf für 50+1 kann und muss fortgeführt werden.