Chef-Rolle beim FCThomas Kessler: „Fühle mich nicht als Frischling“

1. FC Köln: Thomas Kessler stellt sich am Geißbockheim den Fragen von EXPRESS.de.

Thomas Kessler (hier am 18. Mai 2022) leitet seit genau einem Jahr den Lizenz-Bereich des 1. FC Köln.

Thomas Kessler ist jetzt seit genau einem Jahr Leiter der „Lizenzspieler-Abteilung“ beim 1. FC Köln. Im ersten Teil des EXPRESS.de-Interviews spricht der Ex-Keeper über sein erstes spannendes Jahr in der Chef-Rolle.

von Jürgen Kemper (kem)Martin Zenge (mze)

Vom unfertigen Trainee in die Chef-Rolle! Vor genau einem Jahr wurde Thomas Kessler (36) beim 1. FC Köln mit dem Posten des „Leiter Lizenzspieler-Abteilung“ ins kalte Manager-Wasser geworfen. Obwohl er seine Ausbildung noch nicht beendet hatte, rückte er nach der Entlassung von Sportboss Horst Heldt (52) unverhofft ins erste Glied.

Im EXPRESS.de-Interview blickt „Kess“ zurück auf sein erfolgreiches erstes Jahr in der Chef-Rolle.

Vor einem Jahr waren Sie Trainee bei einem Fast-Absteiger, jetzt sind Sie Lizenzbereich-Leiter bei einem Europapokal-Teilnehmer. Haben Sie sich so den Start in die Karriere nach der Karriere vorgestellt?

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Thomas Kessler: Ich hätte mir durchaus vorstellen können das Traineeprogramm noch ein Jahr weiterzumachen, da es wirklich sehr lehrreich für mich war. Die angedachten zwei Jahre waren bewusst so gewählt, um viele interessante Einblicke zu erhalten und zu Beginn etwas aus der Fußballblase herauszukommen. In dem einem Jahr, in dem ich in der Verwaltung viele Abteilungen durchlaufen durfte, habe ich nicht nur sehr interessante Einblicke gewinnen dürfen, sondern hatte auch die Möglichkeit viele unserer Mitarbeiter intensiver kennenzulernen. Wenn man in einer leitenden Position in einem Fußballverein arbeitet, sollte man die zusammenhängenden Arbeitsprozesse in einem Club verstehen, um diese bestmöglich zu unterstützen und voranzubringen. Mir nach so kurzer Zeit eine Stelle in der sportlichen Führung anzubieten, war von den Verantwortlichen sicher ein Risiko. Ich bin sehr froh darüber, dass ich gemeinsam mit Jörg und Lukas das in uns gesteckte Vertrauen, mit einem ersten erfolgreichen Jahr, zurückzahlen konnte.

Wie lief das damals? Kam Jörg Jakobs da zu Ihnen und meinte: „Jetzt musst du ran“?

Kessler: Die Gespräche nach meinem Karriereende waren ja darauf ausgelegt, mich zu gegebener Zeit in die sportliche Führung einzubauen. Nach der Entlassung von Horst Heldt hat das Thema zugebenermaßen von heute auf morgen Fahrt aufgenommen. Viel Zeit zu überlegen hatte nicht. Ich habe mich mit meiner Frau beraten und so kam ich sehr schnell zu dem Ergebnis, dass ich, wenn ich helfen darf, helfen möchte. Es war wichtig, dass ich mit Jörg jemanden dabeihatte, der ein nachgewiesener Fachmann ist.

Steffen Baumgart hat mal gesagt, dass er Profi werden wollte, um dann mal Trainer zu werden. Passt das auch zu Ihnen?

Kessler: Ich wollte Profi werden, weil es seit meiner Kindheit mein Traum war, eines Tages in Müngersdorf im Tor zu stehen. Allerdings habe ich früh erkannt, dass ein Job im Management eines Fußballvereins, sehr reizvoll für mich ist. Mich haben Fragen rund um die Kaderzusammenstellung schon immer sehr gereizt. Daher habe ich während meiner Karriere auch Sportmanagement studiert und früh die ersten Gespräche mit Jörg Schmadtke geführt, wo mein Weg hinführen könnte. Am Ende habe ich das dann mit Alex Wehrle finalisiert.

Thomas Kessler: „Sehe den 1. FC Köln gut aufgestellt“

Zu welchen Erkenntnissen sind Sie 2017 gelangt, bei der Kaderzusammenstellung?

Kessler: 2017 ist für den Verein bitter gelaufen. Es waren viele unterschiedliche Faktoren, warum wir am Ende den bitteren Gang in Liga 2 hinnehmen mussten. Ein Faktor war mit Sicherheit, dass außergewöhnlich viele wichtige Leistungsträger direkt zu Beginn der Hinrunde verletzungsbedingt ausgefallen sind. Wir mussten leidvoll erleben, wie schnell es in der Bundesliga gehen kann, dass man in einen Negativstrudel kommen kann. Dies hatte in meinen Augen nichts mit der Kaderplanung zu tun. Diese Geschichte gehört zur negativen Vergangenheit unseres Klubs. Meine Herangehensweise ist es, dass man aus negativen Erfahrungen immer lernen sollte, um diese nicht zu wiederholen. Ich sehe uns für die kommende Spielzeit unabhängig davon gut aufgestellt.

Warum?

Kessler: Weil es auch in der kommenden Spielzeit nur um ein übergeordnetes Ziel geht. Wir wollen schnellstmöglich die 40 Punkte Marke knacken und die Klasse halten. Darüber hinaus haben wir jetzt die Chance uns über die Playoffs für die Gruppenphase der Conference League Gruppenphase zu qualifizieren. Ich erlebe dafür einen Verein, unsere Mitarbeiter und Spieler, die alles dafür tun werden, um diese Ziele gemeinsam zu erreichen. Dabei wird das Thema Erwartungsmanagement in Köln eine große Rolle spielen, da muss man sich nichts vormachen. Ich kenne unsere Stadt und unser begeisterungsfähiges Umfeld. Ich appelliere an alle, dass unser kommendes Jahr kein Selbstläufer wird. Wir brauchen in jeder Phase die gleiche Unterstützung wie in der abgelaufenen Saison. Für uns in der sportlichen Leitung geht es darum, einen seriösen Job zu machen. Bei allem um die Mannschaft herum, trotz der wirtschaftlich schwierigen Situation, an kleinen Stellschrauben zu drehen und den Klub stetig weiter zu professionalisieren. Wir müssen nachhaltig gute Entscheidungen treffen, die den 1. FC Köln auch in zukünftig gut dastehen lassen.

Hat sich Ihre Arbeit seit dem Antritt von Christian Keller verändert?

Kessler: Wie schon erwähnt, war die Zusammenarbeit mit Jörg Jakobs sehr gut. Es war bundesweit sicher mit einem Fragezeichen versehen, dass der Trainee mit dem Teilzeitangestellten aus der Sporthochschule zusammen die Geschicke eines Bundesligisten leitet. Der Unterschied mit Christian Keller ist, dass wir eine Vollzeit Geschäftsführungskraft haben, die natürlich auch noch mal andere Ansätze hat. Er verfügt über ein breites Spektrum von Expertise, die er in seine Vorstellungen einfließen lässt. Wir haben uns viel ausgetauscht in den letzten Wochen und ich merke, dass wir inhaltlich absolut auf einer Wellenlänge liegen. Ich freue mich sehr auf die zukünftige Zusammenarbeit.

Im Vergleich zum Spielerleben ist es jetzt ein anderes Pensum, oder?

Kessler: Die Work-Life-Balance ist jedenfalls deutlich verschoben. Ich will mich nicht beschweren. Ich bin total privilegiert, dass ich einen fantastischen Job in der schönsten Branche, die ich mir vorstellen kann, habe. Ich mache das mit sehr viel Herzblut, habe da total Spaß dran. Wir hatten jetzt eine sehr schöne Phase. Mir ist auch klar, dass es auch schwierigere Phasen geben wird, vielleicht auch in der kommenden Spielzeit schon. Aber am Ende ist das für mich eine Weiterführung meines Traums, seit über 20 Jahren Teil dieses Klubs zu sein.

Haben Sie die Fußball-Branche noch mal neu kennengelernt in dem Jahr jetzt?

Kessler: Man lernt sie natürlich anders kennen, mit anderen Facetten. Das Leben als Spieler ist ein komplett anderes. Du konzentrierst dich auf deine Mannschaft und die Spieltage am Wochenende. Das Themenfeld, was ich jetzt bediene, ist logischerweise deutlich größer. Früher war ein Doppeltrainingstag für mich absolut anstrengend – morgens um 8 Uhr aus dem Haus zu gehen und abends um 17 Uhr ausgepowert wieder zu Hause zu sein. Wenn ich jetzt um 17 Uhr nach Hause komme, fragt mich meine Frau, ob ich mir einen halben Tag frei genommen habe (lacht).

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Wo haben Sie mehr Verantwortung gespürt? Auf dem Platz oder wenn man jetzt Millionen hin und her schiebt?

Kessler: Auf dem Platz habe ich immer eine hohe Verantwortung gespürt. Allerdings ist die Verantwortung jetzt eine andere. Ich bin nicht mehr nur für mich und meine Mannschaftskollegen verantwortlich, sondern am Ende für Hunderte von Mitarbeitern und auch für 120.000 Mitglieder dieses Klubs. Daher bin ich sehr froh, dass ich um mich herum Mitstreiter habe, bei denen ich genau dasselbe Gefühl habe. Jeder will seinen Teil dazu beitragen, den Klub nachhaltig erfolgreich zu gestalten.

Spüren Sie als Frischling Akzeptanz-Probleme in der Branche?

Kessler: Ich habe vom ersten Tag keine Probleme gespürt. Ich trete Menschen grundsätzlich sehr respektvoll gegenüber, dasselbe erwarte ich dann auch. Allerdings ist es in meinem Job genau wie im normalen Leben. Man geht nicht aus jedem Gespräch mit demselben Fazit heraus. Das macht unser Leben doch aber auch spannend. Als Frischling fühle ich mich nach knapp 15 Jahren Bundesliga aber nicht.

Wenn Sie den Einzug nach Europa jetzt mit dem als Spieler damals vergleichen – war das emotional ähnlich oder inzwischen nüchterner?

Kessler: Es ist auf jeden Fall nüchterner, weil man direkt im Moment des Erreichens an den nächsten Schritt denkt. Wenn man als Spieler so etwas erreicht, dann ist man erst mal einfach nur glücklich und freut sich auf das, was kommt. Man liegt am Ende einer langen Saison am Strand und lässt das Erreichte Revue passieren. Aktuell ist der Strand mein Auto und mein Büro. Dort arbeite ich mit Hochdruck an der neuen Saison.

Lesen Sie in Teil II des großen EXPRESS.de-Interviews, was Thomas Kessler über die aktuellen Transfer-Planungen zu sagen hat.