Lukas Kwasniok hat bim 1. FC Köln frischen Wind reingebracht. Der neue Trainer versprüht Aufbruchstimmung und Vorfreude auf die kommenden Bundesliga-Saison. Im Interview mit EXPRESS.de öffnet er nun seine Seele.
FC-Trainer im InterviewKwasniok öffnet seine Seele: Strenge Kindheit, coole Sprüche & Ehe-Vertrag mit Kessler

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Lukas Kwasniok feierte mit dem 1. FC Köln beim Testsieg gegen Leicester einen erfolgreichen Abschluss des Trainingslagers.
Er soll mit dem 1. FC Köln in der anstehenden Bundesliga-Saison die „Mission Klassenerhalt“ bewältigen. Lukas Kwasniok hat den Trainerposten mit Elan und Enthusiasmus übernommen. Bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit weht ein ganz anderer Wind am Geißbockheim. Die erste Standortbestimmung, das Trainingslager in Bad Waltersdorf, ist rum. Zeit für eine erste Bestandsaufnahme.
Im großen Interview mit EXPRESS.de spricht Kwasniok über seine Kindheit, sein Markenzeichen und sein Verhältnis zu Sportdirektor Thomas Kessler.
Kwasniok: „Habe schon eine Achse im Blick“
Herr Kwasniok, wenn Sie Fan vom 1. FC Köln wären, wo würden Sie sich informieren? Eher in einem Fachjournal wie dem Kicker, einer gediegenen Tageszeitung? Oder dürfte es emotionaler sein, wie beim EXPRESS?
Lukas Kwasniok (schmunzelt): Gute Einstiegsfrage. Ich würde als FC-Fan wahrscheinlich alles aufsaugen, aber auch versuchen vor Ort zu sein, um mir ein eigenes Bild zu machen. So umfänglich wie möglich. Als Trainer finde ich genau diesen Aspekt am FC auch so interessant. Es gibt nicht nur viele unterschiedliche Medien, der Klub hat insgesamt so viele Facetten.
Waren Sie schon beim Hennes im Zoo?
Kwasniok: Nein, da war ich noch nicht. Auch noch nicht im Dom. Die Anfangszeit ist schon sehr intensiv. Zuletzt war meine Frau fünf Tage in Köln, wir waren aber nur einmal abends gemeinsam essen. Natürlich könnte man solche Dinge auch dazwischenschieben. Aber wenn ich so etwas plane, dann will ich mir auch Zeit nehmen und mich darauf einlassen. Die Tage am Geißbockheim sind lang, und trotzdem habe ich noch nicht mal alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüßen können – da sind mir die Menschen dann doch wichtiger. Und später ist dann Hennes dran.
Würden Sie im Dom eine Kerze aufstellen für den FC?
Kwasniok: Wie gesagt, ich möchte da nicht einfach nur zwei Minuten rein – ich möchte das wirken lassen. Dass ich eine Kerze anzünde, kann ich mir schon vorstellen.
Bei Ihrer Vorstellung haben Sie von ihrer verzweifelten Wohnungssuche in Köln gesprochen. Haben Sie mittlerweile etwas gefunden?
Kwasniok lacht: Ja, in der Nähe des Stadions. Ist zwar ein bisschen zu groß, aber umso schöner dafür. Ich freue mich drauf. Ich habe das mit der Wohnungssuche ein bisschen flapsig gesagt, seitdem kamen so viele Angebote rein, gefühlt wollten mir alle Kölner helfen, das ist schon besonders.
Wie sind denn Ihre ersten Eindrücke auf dem Platz? Es gibt einen größeren Umbruch mit vielen neuen Spielern, haben Sie ein gutes Gefühl?
Kwasniok: Ja, was ich sehe, gefällt mir. Im Trainingslager kamen ja nochmal vier Spieler dazu mit Martel, Thielmann, El Mala und Sebulonsen. Damit hat sich nochmal ganz viel verändert, weil Qualität dazugekommen ist. Die Jungs bringen eine neue Energie in die Mannschaft. Aber insgesamt kann ich es noch nicht abschließend bewerten. Wenn ein Trainer neu da ist und der Kader in Teilen neu zusammengestellt ist, braucht es immer eine gewisse Zeit. Ich kann mich an meine Anfänge in Paderborn erinnern. Die ersten drei Wochen wusste ich auch nicht, wo vorne und hinten ist. Und der Verein ist deutlich kleiner. Trotzdem hast du die gleichen Themen: Manche wollen den Verein verlassen, man sucht noch Verstärkungen, einige sind unzufrieden, die Jugendspieler wollen sich beweisen. Es ist immer sehr wild in den ersten Wochen. Aber im Trainingslager wurde das Bild klarer, ich habe schon eine Achse im Blick.
Sie haben immer einen lustigen Spruch parat, waren Sie als Kind auch schon so?
Kwasniok: Nein, gar nicht. Ich war sehr zurückhaltend.
Wieso?
Kwasniok: Ich würde sagen, dass ich eine sehr konsequente, eine sehr strenge Erziehung genossen habe. Ich bin damals in Polen im Kommunismus aufgewachsen. Lachen stand da jetzt nicht an allererster Stelle, hatte ich das Gefühl. Es war alles sehr klar strukturiert. Dann gab es eine Entwicklung in meinem Leben: Meine Eltern haben das Land verlassen, weil sie das Gefühl hatten, nicht mehr frei zu sein. Sie waren natürlich auch auf der Suche nach besseren Verdienstmöglichkeiten, die gab es in Polen so nicht. Da war ich sieben. Vier, fünf Jahre später gab es dann bei mir einen Hallo-Wach-Effekt, da habe ich mich verändert. Ich wusste auf einmal, was es bedeutet, frei zu sein. Und diese Freiheit möchte ich mir einfach nie nehmen lassen. Dazu gehört auch, dass ich sage, was ich denke.
Und wo kommen die ganzen lustigen Sprüche her?
Kwasniok: Ich liebe Zitate, sie pflastern meinen Weg, meinen Umgang mit den Spielern und mit vielen anderen Menschen. Ich finde es einfach gut, wenn man zu jeder Lebenssituation, egal ob positiv, negativ oder kompliziert, passende Worte findet.
Sie wirken abseits des Trainings sehr humorvoll und offen, auch den Fans gegenüber. Im Training sind Sie aber sehr streng – wie passt das zusammen?
Kwasniok: Das schließt sich für mich nicht aus. Für eine Mannschaft ist das anfangs aber durchaus schwer einzuordnen. Außerhalb des Platzes gibt es bei mir nicht viele Regeln, aber auf dem Platz gibt es kein Pardon. Die Zeit ist zu kostbar, als dass wir da dann rumeiern. Das funktioniert bei mir nicht. Ich will natürlich, dass wir miteinander lachen, wenn die Zeit es zulässt. Auf dem Platz kannst du aber auch lachen, wenn du intensiv trainierst. Das funktioniert. Ich vergleiche das manchmal mit der Schule: Da hat man Chemie gemocht, weil der Lehrer oder die Lehrerin cool war und begeistern konnte. So ist es im Fußball auch: Ich muss den Jungs das Gefühl geben, das ist das Schönste, was sie machen dürfen.
Wie sind die Voraussetzungen für junge Spieler? Kommen die auf Einsatzzeiten oder muss man als Trainer eines Aufsteigers erstmal auf gestandene Spieler setzen?
Kwasniok: Es steht und fällt ja nicht alles mit einem Spieler. Wenn ich das Gefühl habe, er ist reif, dann spielt er. Das wird sich zeigen. Bei mir geht es immer um Qualität: Wenn ein Spieler dazu beitragen kann, dass wir gewinnen, dann wird er Einsatzzeit bekommen.
Der Auftakt hat es in sich mit drei Auswärtspartien an den ersten vier Spieltagen. Macht man sich da schon Gedanken, wie man sich verhält, wenn man gleich unten drinsteht? Oder bleibt man als Trainer immer positiv?
Kwasniok: Ich bleibe dabei: Der Auftakt ist top für uns. Dreimal auswärts ist besser für einen Aufsteiger, als mit vielen Heimspielen zu beginnen. Und wie es laufen könnte, daran denke ich aktuell noch gar nicht. Wir entwickeln gerade täglich viel im Training, irgendwann kommt dann das Pokalspiel und dann gucken wir. Vorher haben wir noch einige Testspiele – da beurteile ich keine Ergebnisse. Ich will nur die Leistung und die Spielstruktur verbessern.
Setzen Sie bei der Arbeit auch auf psychologischen Beistand?
Kwasniok: Alles was hilft, ist bei mir zugelassen. Aber ich versuche das erstmal selbst zu lösen und mit gewissen Kniffen in die Köpfe der Spieler zu kommen. Das Entscheidende ist, das Mindset zu verändern. Wenn ich das Gefühl hätte, dass die Dinge sich nicht so entwickeln, wie wir uns das vorstellen, dann würde ich auch einer Zusammenarbeit mit Psychologen absolut offen gegenüber sein.
Sind Sie eigentlich auch ein gläubiger Mensch?
Kwasniok: Ich bin katholisch, aber nicht streng gläubig, aber es hat mich geprägt und sozialisiert. Ich glaube schon an etwas Größeres, an etwas Übersinnliches. Und ich bin der Überzeugung, dass aus Hoffnung Glaube entstehen kann. Siehe Leverkusen vorletzte Saison: Die haben immer gehofft, dass sie am Ende noch ein Tor machen und dann daran geglaubt im Verlauf der Saison. Solch ein Glaube kann einen durch eine ganze Spielzeit tragen.
Die Arbeit ist stressig, wobei schalten Sie persönlich ab?
Kwasniok: Ich empfinde die Arbeit nicht als Stress. Und für das, was ich am liebsten mache, bekomme ich auch noch ein gutes Gehalt. Ich habe bei der Arbeit nie das Gefühl: Hoffentlich ist es bald vorbei. Mich stresst auch kein Interview oder eine Ansprache vor der Mannschaft. Zuletzt saßen wir im Trainerteam bis nachts um halb eins zusammen, danach habe mir noch ein paar Videos angeschaut, um das Training vorzubereiten. Ich bin dann im Flow. Gleichzeitig ist das aber auch mein Problem (lacht). Andere machen Sport, für mich ist das nichts, da habe ich dann einfach keine Lust drauf. Wenn ich im Urlaub bin, lese ich mal ein Buch zum Entspannen.
Haben Sie schon ein Lieblingslied aus Köln?
Kwasniok lacht: Bei den Klüngelköpp habe ich vor dem Testspiel in Siegburg schon mitgewippt. Aber so weit bin ich noch nicht. Vom Hotel zum Trainingsgelände fahre ich immer noch mit Navi. Zu Beginn ist das noch zu viel. Das Wichtigste ist erstmal, dass wir als Mannschaft funktionieren. Dann werde ich mir Zeit nehmen, um die Menschen im und um den Verein herum kennenzulernen. Die sind alle Teil des Gesamterfolges. Wenn man sie mitnimmt, dann kann eine richtig gute Dynamik innerhalb des gesamten Vereins entstehen.
Und dann gibt es auch noch Karneval – verkleiden Sie sich gerne? Wenn ja, als was?
Kwasniok (lacht): An meiner Kreativität wird es nicht scheitern. Auf den Karneval lasse ich mich gerne ein. Ich war noch nie im Karneval in Köln – auf die Erfahrung freue ich mich. Aber ich habe gehört, das erste Ziel eines jeden Trainers ist es, erstmal bis dorthin zu kommen. Bei anderen Vereinen heißt es immer: ,Hoffentlich bekomme ich eine Winterjacke.‘ Und hier heißt es: ,Hoffentlich erlebe ich den Elften im Elften.‘ Aber davon gehe ich mal aus.
Im Herbst stehen die Vorstandswahlen an, am 27. September können die Mitglieder erstmals zwischen drei Teams wählen. Haben Sie sich schon mit den Kandidatinnen und Kandidaten beschäftigt?
Kwasniok: Um ehrlich zu sein, nein. Für mich spielt das aktuell nicht die entscheidende Rolle. Es hat in irgendeiner Form natürlich direkte und indirekte Auswirkungen auf den Sport. Ich bin nach den ersten Tagen aber erstmal happy, dass ich alle Namen der Spieler und der engsten Mitarbeiter kann. In Sachen Vorstandswahl bin ich auch viel zu kurz im Verein, um das beurteilen zu können.
Von den Teams hat sich auch noch keins bei Ihnen persönlich vorgestellt?
Kwasniok: Nein, die neuen Teams nicht, aber der amtierende Vorstand hat natürlich mit mir gesprochen.
Wie gut passt es zwischen Ihnen und Kessler – oft lernt man sich erst richtig kennen, wenn man mal eine Krise bewältigen muss. Gibt es da schon ein Versprechen, dass man da gemeinsam durchgeht?
Kwasniok: Das ist unsere klare Ambition. Manche schwören sich vor dem Traualtar ewige Treue – in guten und schlechten Zeiten, und dann lassen sie sich schon nach acht Wochen scheiden. Wir standen jetzt nicht vor dem Traualtar, haben nur einen Vertrag geschlossen und saßen dabei im Büro. Aber der Vertrag ist schon mit dieser Absicht unterzeichnet worden, dass man in guten und in schlechten Zeiten gemeinsam für eine Sache kämpft. Auch wenn wir mal unterschiedlicher Meinung sind, wollen wir im Sinne des Vereins Entscheidungen treffen. Da muss man auch mal die eigenen Interessen hintenanstellen. Für mich ist das die Kunst, um erfolgreich zu sein.
Wie haben Sie Kessler bisher kennengelernt?
Kwasniok: Als sehr verbindlichen Menschen. Das ist in dieser Branche ein absolutes Faustpfand: Verbindlichkeit. Und deswegen freue ich mich. Ich verzichte trotzdem gerne auf kritische Phasen. Und bin gleichzeitig Realist genug, um zu wissen, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass es auch mal ein bisschen schwieriger werden könnte.