Von „vorsichtig kritischen Tönen“ bis „sinnfreier Rhetorik“: Bei der vorerst letzten Ausgabe von „Hart aber fair“ zeigte sich die Gästerunde von Friedrich Merz' bisheriger Außenpolitik unbeeindruckt. SPD-Politiker Ralf Stegner geriet nach seiner Baku-Reise auch im ARD-Studio in die Kritik.
„Machen Sie da eine Kegeltour?“Talk-Gäste gehen wegen Geheim-Treffen mit Russen auf SPD-Mann los

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„Hart aber fair“ am Montagabend: Moderator Louis Klamroth (stehend) begrüßte seine Gäste (von links nach rechts) Sophie von der Tann, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Roderich Kiesewetter, Ralf Stegner, Michael Lüders und Jörg Wimalasena.
„Israel macht uns allergrößte Sorgen“, betonte Bundeskanzler Friedrich Merz Anfang Mai im ARD-Fernsehen und schickte seinen Außenminister Johann Wadephul nach Israel. Wie die vorherige Außenministerin Annalena Baerbock habe der „klar gesagt, 'Deutschland steht an der Seite Israels' und vorsichtig kritische Töne angeschlagen“, erklärte ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann am Montagabend bei Louis Klamroths „Hart aber fair“ zum Thema „Putin, Trump, eine Welt in Unruhe: Wohin führt Merz Deutschland?“ über diesen Besuch. „Solche Mahnungen kennen wir (....), sie sind verhallt.“
Dass sich Wadephul für das US-Modell aussprach, die Verteilung von Hilfsgütern unter anderem in die Hände von privaten Sicherheitsfirmen zu legen, bewertete sie kritisch: „Dieser Plan ermöglicht eine Zwangsvertreibung. Er sorgt nicht dafür, dass Menschen versorgt werden können“, zitierte sie Experten: „Da steht jetzt schon der Vorwurf im Raum, dass Israel Aushungern als Kriegsverbrechen betreibt.“
„Hart aber fair“: Kritik an SPD-Mann Stegner
Dabei hatte Merz im Vorfeld Israel zwar das Recht zugestanden, sich gegen den brutalen Angriff der Hamas-Terroristen vom 7. Oktober 2023 und alles, was danach gefolgt sei, zu verteidigen. Die humanitäre Hilfe im Gazastreifen müsse jedoch geleistet werden, hatte er betont.
„Im Wesentlichen ist es sinnfreie Rhetorik“, schimpfte BSW-Politiker Michael Lüders im ARD-Talk. Klare Worte und politische Ansagen von Deutschland und der EU seien notwendig, unter anderem solle Deutschland Waffenlieferungen an Israel einstellen.
Als hochgerüstetes Land sei Israel nicht auf Waffen oder Komponenten angewiesen, widersprach Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im Europaparlament. Vielmehr stünde es Deutschland „gut zu Gesicht“, mit Israel über die Zweistaatenlösung zu sprechen. Zwar sei sie „Lichtjahre entfernt“, man müsse sie jedoch „unter Freunden“ weiter thematisieren.
Ralf Stegner: Nicht warten bis „Sankt Nimmerlein“
Dass eine „zu verhandelnde Zweistaatenlösung“ im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD eingefordert wird, beeindruckte Roderich Kiesewetter (CDU-Bundestagsabgeordneter und Oberst a.D.) wenig. Weder in Gaza noch im Westjordanland gebe es legitimierte Autoritäten und keine Hauptstadt. Es sei klüger darüber zu sprechen, wie palästinensische Flüchtlinge als Staatsbürger in Syrien, Jordanien und im Libanon integriert werden könnten.
„Wir spielen nicht mit dem Zirkel auf der Weltkarte rum und sagen, als Deutsche machen wir das so“, empörte sich SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Vielmehr müsse man mithelfen, dass die Palästinenser eine demokratische Vertretung hätten, materielle und ökonomisch Hilfe leisten und die UN-Friedenslösungen absichern. „Zu warten, bis andere arabische Staaten tätig werden, hieße warten bis Sankt Nimmerlein“, warnte er.

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FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann lobte in der Sendung „Hart aber fair“ die Entscheidung Wolodymyr Selenskyjs, sich in Istanbul mit Wladimir Putin zu treffen.
Noch schärfere Worte fand BSW-Politiker Lüders: „Das ist die Fantasie eines Ahnungslosen!“, wetterte er, „Palästinenser sind ein Teil Palästinas, und es ist nicht die Aufgabe der Nachbarstaaten, die Großisraelfantasien der Regierung Netanjahus zu befrieden.“ Mit diesem „atemberaubenden Flachsinn“ würden Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Kiesewetter Deutschland in eine schwierige Position bringen. Der globale Süden würde diese Politik ablehnen. Deutschlands Ruf sei dort „schlechter als das Image der USA nach dem Irakkrieg 2003“.
„Was für eine Hybris muss man haben, das zu glauben?“
Gegen sein angekratztes Image kämpfte auch Stegner bei „Hart aber fair“. Denn sein umstrittenes Treffen mit führenden politischen Vertretern Russlands wie Viktor Subkow, dem ehemaligen russischen Ministerpräsidenten und Aufsichtsratschef von Gazprom, in Aserbaidschan sorgte in der Runde erneut für Wortgefechte.
„Was bezwecken Sie damit?“, hinterfragte Strack-Zimmermann die Reise zwischen 13. und 14. April. „Glauben Sie ernsthaft, dass irgendeiner in Moskau an ihrer (...) Meinung interessiert ist? Was für eine Hybris muss man haben, das zu glauben?“
Stegner platzte der Kragen: „Ich glaube nicht, dass ich zum Weltfrieden beitrage“, entgegnete er Strack-Zimmermann. Die FDP-Politikerin konterte: „Was machen Sie dann, eine Kegeltour?“ Man müsse mit Menschen sprechen, deren Werte man nicht teilt, argumentierte Stegner. „Es ist wichtig herauszufinden, was die andere Seite denkt.“
Von der Tann wurde nun hellhörig: „Haben die denn etwas gesagt, was anders war als das, was wir aus Nachrichten und Propagandameldungen wissen?“ Kiesewetter setzte eins drauf: „Ist es Ihnen gelungen, Herr Stegner, den Russen zu vermitteln, dass die freie Bündniswahl der Ukraine gehört“, erklärte er, „Ist es Ihnen gelungen, Russland zu überzeugen, das Existenzrecht all seiner Nachbarn anzuerkennen?“
Stegner fühlte sich offenbar in die Enge getrieben: „Sie sind kein Staatsanwalt, ich bin nicht angeklagt“, konterte er. Dass ihm der CDU-Politiker dann auch noch unterstellte, mit dem Treffen ein Sicherheitsrisiko eingegangen zu sein, damit ein „Einfallstor für russische Narrative“, so Kiesewetter, zu schaffen und „Schattendiplomatie“ zu betreiben, regte den SPD-Mann erst recht auf.
Immerhin vom „Welt“-Korrespondenten Jörg Wimalasena erhielt er Rückendeckung; „Solche Kanäle zu nutzen, (...) so was muss möglich sein“, erklärte der Journalist. „Irgendwann muss man mit denen reden.“
„Das Entscheidende ist, dass Deutschland wieder mitwirkt.“
Geredet werden könnte schon am kommenden Donnerstag in Istanbul. Er werde ihn erwarten - mit diesen Worten hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Einladung Wladimir Putins zu Friedensgesprächen angenommen. Ein „geschickter Zug“ sei das, lobte Strack-Zimmermann und fügte hinzu: „Die Frage ist nicht, ob gesprochen wird, sondern wer“ spreche. Die Teilnahme Putins werde in letzter Minute entschieden werden und US-Präsident Trump habe ebenfalls sein Kommen in Aussicht gestellt.
Dass Bundeskanzler Merz dabei sein sollte, wäre laut Journalist Wimalasena zwar „sinnvoll“. Er stellte aber infrage, ob er der richtige Mediator wäre und „ob die außenpolitischen Signale, die er sendet, dafür geeignet sind“. Etwa mit der Aussage, dass der Weg in die NATO unumkehrbar sei. „Wenn das die Position ist, ist es schwierig, einen Platz am Tisch zu finden“, gab Wimalasena zu bedenken. Auch für die Forderung eines 30-tägigen Waffenstillstands hätte er „nicht wirklich“ Druckmittel in der Hand, denn Sanktionen oder weitere Waffenlieferungen beeindruckten Putin nicht.
Dass Putin auf Vorbedingungen eingeht, darauf dürfte man sich nicht verlassen, erklärte Kiesewetter. „Das Entscheidende ist, dass Deutschland wieder mitwirkt“, betonte er und bezog sich dabei auf den Besuch von Bundeskanzler Merz mit Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Großbritannien und Polen in Kiew. Zudem müsse man alles, „was nötig und völkerrechtlich zulässig ist, der Ukraine zur Verfügung stellen“, interpretierte er Merz' Versprechen: „Whatever it takes.“
Es war die vorerst letzte Ausgabe von „Hart aber fair“. In den kommenden Wochen übernimmt Sandra Maischberger mit ihrer Talkshow „Maischberger“ zu einer späteren Uhrzeit den Sendeplatz. (tsch)