Naturtalent, Weltmeisterin, Superstar: Franziska van Almsick feierte als Schwimmerin gigantische Erfolge. Nun rekapituliert sie ihre Karriere in einer Doku-Serie. Im Interview verrät die 47-Jährige, wie sie heute auf die junge Franzi und ihr ambivalentes Verhältnis zu den Medien blickt.
Franziska van Almsick„Es gibt nichts, was ich bereue“

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„Dieses Authentische - ich hoffe, dass ich mir das bis heute erhalten konnte“: Franziska van Almsick erzählt in einer neuen Doku-Reihe von ihrer beeindruckenden Karriere. (Bild: SWR/ARD/Marc Rehbeck)
Aktualisiert31.08.2025, 09:30
Es gab eine Zeit, in der sie das ganze Land verzückte: Franziska van Almsick war - und ist bis heute - einer der größten Superstars des deutschen Sports. Als blutjunge Schwimmerin geriet sie zur Ikone des wiedervereinigten Deutschlands: Olympia-Silber mit gerade 14 Jahren, mehrere Weltrekorde, Europa- und Weltmeisterschaftstriumphe. Allein der Olympiasieg blieb der gebürtigen Ost-Berlinerin, die während ihrer gesamten Laufbahn ein ambivalentes Verhältnis zu den Medien pflegte, verwehrt. Sie wurde umjubelt, wenn sie siegte, und niedergeschrieben, als es nicht so lief. Wenn nun eine ARD-Doku ihre beeindruckende Karriere rekapituliert, erzählt sie auch die von Hochs und Tiefs geprägte Geschichte einer Heranwachsenden im Lichte der Öffentlichkeit. Weil sie im Dreiteiler „Being Franziska van Almsick“ (ab Donnerstag, 4. September in der ARD Mediathek, ab Dienstag, 9. September, im Ersten) selbst mitwirkte, kam die heute in Heidelberg lebende 47-Jährige dank eindrücklicher Archivaufnahmen und emotionaler Erinnerungen der jungen Franzi wieder überaus nah.
teleschau: Frau van Almsick, nach langer Zeit sind Sie für die Doku vor der Kamera noch einmal in ein Schwimmbecken gesprungen. Haben Sie lange überlegt, ob Sie das tun sollen?
Franziska van Almsick: Nein, ich habe sofort zugesagt. Dahingehend bin ich entspannter geworden. Wir haben abends eine Halle gemietet, es war spät und dunkel draußen. Es machte viel Spaß und ist toll geworden - das hätte ja auch anders sein können (lacht). Mir war gar nicht klar, wie schön das im Nachhinein werden würde, es sind richtige Beauty-Shots.
teleschau: Vor allem aber sieht man, wie Sie selbst auf Ihre Karriere blicken, begleitet von faszinierendem Archivmaterial. Wie herausfordernd war diese Rückschau?

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Im Doku-Dreiteiler „Being Franziska van Almsick“ erzählt die Sportikone ihre Geschichte vor allem selbst. (Bild: SWR)
van Almsick: Ich habe mich total gefreut, als die Anfrage kam. Ein erster Gedanke war gleich: Super, im Archiv der ARD müssen noch so viele schöne alte Aufnahmen sein, das wird bestimmt gut. Es gibt ja die Dokus über Michael Schumacher und Jan Ullrich, da haben beide Protagonisten nicht reden können. Mir gefiel die Idee sehr, mich mit reinzunehmen und die Dinge noch einmal zu reflektieren.
teleschau: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie die junge Franzi in alten Aufnahmen sehen?
van Almsick: Ich finde mein jüngeres Ich relativ entspannt, das sieht man auch in der Doku. Ich war sehr reflektiert, ganz ruhig und gelassen. Darüber bin ich froh. Denn oft heißt es ja, dass man solche Formate macht, um Dinge aufzuarbeiten. Aber genau das war bei mir nicht nötig. Beim Anschauen habe ich vielmehr gemerkt, wie sehr ich heute in der Lage bin, mit Abstand und Ruhe auf meine eigene Geschichte zu blicken. Diese Reflektiertheit hat sich über die Jahre entwickelt, und sie hat mir geholfen, alles einzuordnen, ohne es neu bewerten zu müssen.
teleschau: Das heißt, Sie waren und sind mit Ihrer Laufbahn im Reinen?
van Almsick: Ich war und bin fein damit. Meine Karriere habe ich selbstbestimmt beendet, und ich habe sie nicht unglücklich beendet. Ich habe zwar nicht erreicht, was ich wollte - aber es war Zeit, zu gehen. Es gibt nichts, was ich bereue. Nichts, das ich irgendwie hätte anders machen können oder sollen.
„Es war schon ganz schön viel“

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„Ich habe den Medien ja auch viel zu verdanken“, beschreibt Franziska van Almsick ihr Verhältnis zur Presse: „Wir hatten nicht nur schlechte Zeiten.“ (Bild: Thomas Lohnes/Getty Images)
teleschau: Dabei wurde Ihnen als junger Leistungssportlerin damals enorm viel zugemutet, wie die Doku nochmals rekapituliert ...
van Almsick: Das Einzige, das ich beim Ansehen der Aufnahmen dachte: Es war schon ganz schön viel. Man sieht das ja aus einer anderen Perspektive, wenn man drinsteckt. Nun habe ich mal von oben draufgeschaut und gesehen, was die 14-, 15- und 16-jährige Franzi so gemacht hat. Ich habe zwei Kinder im ähnlichen Alter, der eine ist drüber hinaus, der andere ist 12. Wenn sie so ein Pensum hätten, wüsste ich nicht, ob ich das als Mutter gut fände. Das hat mich schon ein bisschen überrascht und war mir ehrlich gesagt nicht so bewusst.
teleschau: Die „kleine Maus“, wie Sie Ihr junges Ich in der Doku nennen, musste früh lernen, mit dem Stress und Druck umzugehen - auch mit dem der Medien. War diese Unbedarftheit damals rückblickend eigentlich ein Vorteil?
van Almsick: Absolut. Und das hat es am Ende ja auch ausgemacht: Dieses Authentische - ich hoffe, dass ich mir das bis heute erhalten konnte. So zu sein, wie man ist. Ich habe nicht versucht, jemand zu sein, weil ich bekannt oder berühmt werden wollte. Sondern ich war so wie ich war. Alles was ich wollte, war Olympiasiegerin werden. Und ich glaube, man hat das gemerkt. Das hat lange funktioniert.
teleschau: Ab wann dann nicht mehr?

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Noch einmal vor der Kamera ins Schwimmbecken: „Meine Karriere habe ich selbstbestimmt beendet, und ich habe sie nicht unglücklich beendet“, erklärt Franziska van Almsick heute. (Bild: SWR)
van Almsick: Irgendwann, mit 17 oder 18, wenn man sich ohnehin fragt, wer man ist, wurde es zunehmend schwieriger. Wenn du dann zum ersten Mal Gegenwind bekommst, weil du dich vielleicht in einer Erklärung so ausgedrückt hast, dass man es falsch verstehen könnte. Das führte dann dazu, dass ich nicht mehr einfach so alles rausposaunte, sondern lieber erst mal darüber nachdachte, was ich sage.
teleschau: Gab es einen besonderen Moment, in dem Ihnen das offenbar wurde - oder in dem Sie vom Management zurückgepfiffen wurden?
van Almsick: Nee, das Management hat da nie etwas gesagt. Das war ich selbst. Vor allem nach der ganzen Nummer um Hitler und die Geschichte ...
teleschau: Sie spielen auf ein Interview an, in dem Sie 1995 über das „Phänomen“ Hitler sprachen ...
van Almsick: Geschichte war immer mein Lieblingsfach in der Schule, ich interessierte mich wahnsinnig für die deutsche Geschichte, schon in jungen Jahren. Ich habe damals versucht, etwas zu erklären, das man - glaube ich - mit Absicht falsch verstanden hat. Die Schlagzeilen waren natürlich totaler Schwachsinn, an den Haaren herbeigezogen. Es war ein brisantes Thema. Und mich hat es geärgert, dass wir Europameisterschaften in Wien hatten, und es nicht ums Schwimmen ging, sondern um diese Interviewaussage. Es störte mich in meinem sportlichen Ablauf.

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„Es war schon ganz schön viel“, weiß Franziska Almsick heute, wenn sie ihre atemlose Karriere als Teenagerin betrachtet. (Bild: SWR)
teleschau: Welche Konsequenzen zogen Sie?
van Almsick: Danach fing ich an, immer wenn ich etwas sagte, lange zu antworten. Um das zu erklären, was ich gerade erklärte. Das war wahrscheinlich ein Selbstschutz.
„Ich habe den Medien ja auch viel zu verdanken“
teleschau: In den Folgejahren gab es immer wieder fragwürdige Schlagzeilen über Sie in der Presse. Trotzdem waren Sie auch nach Ihrem Karriereende weiter in den Medien präsent. Sie hätten Ihre medialen Auftritte ja auch vollständig beenden können, oder?
van Almsick: Ich habe den Medien ja auch viel zu verdanken. Wir hatten nicht nur schlechte Zeiten. Und das, was ich erreicht habe - auch medial -, die Persönlichkeit, die ich werden konnte, basiert auf einem Geben und Nehmen. So wie immer im Leben. Ich wundere mich immer, dass es so viele Leute gibt, die mehr nehmen als sie geben.

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Beim Anschauen der alten Aufahmen habe sie gemerkt, „wie sehr ich heute in der Lage bin, mit Abstand und Ruhe auf meine eigene Geschichte zu blicken“, so Franziska van Almsick. (Bild: SWR)
teleschau: Das bedeutet, dass Sie sich auch mit den Medien versöhnt haben?
van Almsick: Es gibt überhaupt keinen Grund, jetzt noch Groll zu hegen. Oder nichts mehr in den Medien zu machen. Das waren damals die Umstände und ich hoffe, alle haben daraus gelernt.
teleschau: Hat man aus Ihrer Geschichte Lehren gezogen - vor allem im Umgang mit sehr jungen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen?
van Almsick: Ich glaube schon. Mir ist kein Fall bewusst, der zumindest in den deutschen Medien bei Sportlern und jungen Menschen noch einmal so reingeschlagen hat, wie damals bei mir.
teleschau: Was haben Sie durch Ihre Erfahrungen als medial sehr präsenter Superstar auch hinsichtlich Ihres Privatlebens gelernt?
van Almsick: Ich glaube, ich habe meinen persönlichen Weg gefunden. Ich habe mich aus der Öffentlichkeit ein Stück weit zurückgezogen und halte mein Privatleben total raus. Keiner weiß, wie meine Kinder aussehen. Ich erwähne meine Kinder gern, weil ich natürlich eine stolze Mutter bin. Trotzdem versuche ich, ein normales, zurückgezogenes Leben zu führen.
teleschau: Andererseits nimmt man Sie an anderer Stelle weiterhin als sehr aktive Persönlichkeit wahr, gerade wenn es ums Schwimmen bei Kindern geht ...
van Almsick: Ich habe tolle Charity-Projekte, sitze im Aufsichtsrat der Deutschen Sporthilfe, habe meine eigene Stiftung. Übers Schwimmenlernen bei Kindern rede ich gern, weil das wahnsinnig wichtig ist. Über dieses Thema müssen wir reden. Und wenn ich den Mund aufmache, hören mir mehr Leute zu, als wenn das andere wichtige Menschen machen, die dahingehend auch viel zu sagen haben. Ich versuche an der richtigen Stelle mit den Medien in Kontakt zu treten. Aber ich will nicht über Klatsch und Tratsch reden, oder über Dinge, mit denen ich nichts zu tun habe. (tsch)