Kölner Schauspielerin erhält HörbuchpreisWas Camilla Renschke mit „Gilgi“ verbindet

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Camilla Renschke bekommt nächste Woche den Deutschen Hörbuchpreis verliehen. Bei unserem Interview im Kölner Savoy Hotel war sie schon ganz aufgeregt...

Köln – Statt des Wiedersehens ein wunderbares Wiederhören: Schauspielerin Camilla Renschke (39), die im Frühjahr 2019 nach 22 Jahren Tochter-Leben den alten Bremen-„Tatort“ (mit Sabine Postel und Oliver Mommsen) verabschiedete, wird Dienstag in Köln mit dem begehrten Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet.

Damit wird auch eine Stimme hochgelobt, die in NRW fast jeder kennt – denn sie ist das Kennzeichen des WDR-Senders 1Live. Viele Gründe für ein langes Interview.

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Camilla und Reporter Horst Stellmacher.

Dienstag bekommen Sie den Deutschen Hörbuchpreis für „Gilgi – eine von uns“. Lampenfieber?
Camilla Renschke:
Lampenfieber ist gar kein Ausdruck. Da fiebert ein ganzes Lampenlager und lässt mir keine Ruhe. Dass ich den Preis bekomme, ist wirklich verrückt. Ich habe es noch nicht ganz realisiert und hoffe, ich überstehe den großen Abend!

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Haben Sie zu Hause schon einen Platz freigeräumt?Er wird einen besonders schönen Platz in meinem Arbeitszimmer bekommen, da wo man ihn nicht übersehen kann. Es ist immerhin der erste große Preis meines Lebens. Ich freue mich total, es fühlt sich toll an, dass meine Arbeit so wertgeschätzt wird.

Worum geht es in „Gilgi“?Irmgard Keun beschreibt 1931 das Leben einer 21-Jährigen zu Beginn der 30er Jahre in Köln, also in einer Zeit, in der die Nazis immer mehr Einfluss bekamen. Es ist faszinierend, mit ihr in jener Zeit durch diese Stadt – die auch meine Stadt ist – zu gehen. Leider ist vieles von dem, was sie beschreibt, nicht mehr vorhanden. Ein Teil meines Anspruches ist es, diesen Alltag im Rheinland und die Stimmung in dieser Zeit bewusst zu machen. Man soll das Gefühl dafür kriegen, wie es wirklich war – als Mahnung für die Gegenwart.

Im Buch wird Kölsch gesprochen. Ein Problem?Ich bin geborene Kölnerin, meine Familie kommt aus der Eifel. Das Rheinische ist also da, ich bin mit dem Tonfall groß geworden, und bei besonderen Fragen habe ich meine Mutter zu Rate gezogen, die weiß immer, wie es ausgesprochen wird. Im Buch spielen übrigens die Gassenhauer von damals eine große Rolle, wie z. B. der Willi-Ostermann-Hit »Die Mösch«. Ich habe mich entschieden, alle diese Lieder zu singen, damit der Hörer eine Melodie dazu bekommt.

Hörbuch-Einlesen ist ein einsamer Job. Was reizt Sie dran?Ich konnte sehr früh lesen, lange vor der Schule. Da ich als Kind öfter keine Lust auf Kommunikation hatte, saß ich unterm Tisch und habe anderen Kindern aus dem Lexikon vorgelesen. Ein tolles Gefühl, wenn man so trockene Texte vorliest und die anderen davon gefesselt sind. Das hat sich bis heute gehalten – ich könnte die Wikipedia-Enzyklopädie vorlesen und hätte Spaß dran.

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Im „Tatort“(hier mit Sabine Postel) spielte Camilla Renschke 22 Jahre mit. Dabei ist sie erst (fast) 40.

Ihr Schauspielerinnen-Leben wurde bestimmt durch Ihre Rolle als Tochter von Kommissarin Inga Lürsen im Bremer „Tatort“. Haben Sie erwartet, dass es so lange geht?Hätte mir damals jemand geweissagt, dass ich die Rolle über so lange Zeit behalte – über mein Jungsein, Erwachsenwerden, Erwachsensein, die Schwangerschaft und dann noch über viele Jahre Mutterschaft hinaus – ich hätte denjenigen für bekloppt erklärt.

Wie sind Sie eigentlich zur Schauspielerei gekommen?Durch meine Mutter, die während meiner Kindheit am Schauspielhaus in Bochum arbeitete. Wenn da Kinder für eine Inszenierung gesucht wurden, war es üblich, erst am Theater danach zu fragen. Als ich acht war, wurden „drei Straßenkinder“ für das Bert-Brecht-Stück „Die Gewehre der Frau Carrar“ gesucht. Ich traute mich erst nicht, weil ich sehr schüchtern und zurückhaltend war, ließ mich dann aber doch von meiner Freundin überreden. Da habe ich Blut geleckt.

War Schauspielerin Ihr Traum?Nein, ich war Theaterkind, die Bühne hatte für mich keinen übermäßigen Zauber. Ich fand damals Bühnenbildnerin oder Kostümschneiderin viel cooler. Dann merkte ich aber schnell, wie toll es ist, nach der Vorstellung mit Applaus verabschiedet zu werden – was allerdings nur passierte, wenn am nächsten Tag schulfrei war. Ansonsten mussten wir nach unserem Auftritt gleich nach Hause.

Auch wer Sie nie im „Tatort“ gesehen oder ein Hörbuch von Ihnen gehört hat, wird Sie kennen – als Station-Voice von 1LIVE. Sie kündigen neue Shows, Konzerte oder Partys an und die neuen Songs in der Rotation. Ist die Musik, die 1LIVE prägt, auch Ihre Musik?Ich finde sie gut, habe da keine Berührungsängste. Allerdings war mein Musikgeschmack schon immer etwas anders als der aktuelle. Am liebsten höre ich Swing-Jazz und den alten Blues. Das liegt daran, dass mein großes Hobby der Swing-Tanz ist.

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Camilla auf dem roten Teppich. Beim Radosender 1Live ist sie die Station Voice.

Ein etwas ungewöhnliches Hobby…… aber mit einer wunderschönen, weltweiten Szene. Man kann jedes Wochenende irgendwo in Europa zu Workshop-Festivals fahren, es sind immer liebevolle Veranstaltungen mit tollen Menschen. Ich bin auch in diesem Sommer unter anderem in Schweden, in Frankreich und Dänemark unterwegs. Übrigens mit dem Zug! Das dauert nach Skandinavien zwar sehr lange, macht mir aber immer sehr viel Spaß, man sieht was vom Land und – es ist umweltfreundlich!

Am 15. März 2020 werden Sie 40. Ein Alter, das Sie ins Grübeln bringt?Nein. Je älter ich werde, desto mehr stelle ich fest, dass Alter nur eine Zahl ist. Als ich 20 war, kam mir 40 weit weg vor, Leute mit 40 waren für mich relativ alt. Jetzt bin ich 40, und die 20 Jahre dazwischen waren ein Wimpernschlag. Es ist schön, mit dem Alter zu merken, wie wenig man vorher wusste. Ich werde in 20 Jahren noch viel mehr wissen, dann wird mir bewusst, wie wenig ich jetzt – mit 40 – wusste.

Camilla liest am 17. März live in Köln

Camilla Renschke wurde am 15. März 1980 in Köln geboren. 1988 ergatterte sie ihre erste Theaterrolle, 1997 ihre erste TV-Rolle in „Bella Block“. 22 Jahre (!) war sie beim „Tatort“ Bremen als Tochter von Kommissarin Inga Lürsen (Sabine Postel) zu sehen.

1998 folgte ihr erster Kinofilm „Kai Rabe gegen die Vatikankiller“. Seit 2007 ist sie die sogenannte Station-Voice vom WDR-Radiosender 1LIVE. In diesem Jahr bekommt sie den Deutschen Hörbuchpreis.

Am 17. März liest sie in der Kulturkirche Nippes in Köln aus Katya Apekinas Debütroman „Je tiefer das Wasser“. Camilla Renschke lebt in Köln-Ehrenfeld und hat einen zwölfjährigen Sohn.