10 Prozent auf (fast) alles!Wieso Bahnfahren immer noch zu teuer ist

Köln – Bahntickets im Fernverkehr sind seit 2020 ca. zehn Prozent günstiger. In der Regel sind die Tickets dennoch viel zu teuer. Eine kommentierende Analyse.

Bahnfahren ist seit Beginn des Jahres günstiger geworden. Der Mehrwertsteuersatz wurde von 19 auf sieben Prozent angepasst. Warum? Um die im Vergleich zu Flugtickets eh schon deutlich günstigeren Fahrkarten noch günstiger zu machen. Und nebenbei dem bundeseigenen Unternehmen einen Vorteil gegenüber Fernbus-Anbietern wie Flixbus zu verschaffen. 

Deutsche Bahn rechnet mit einem Plus von fünf Millionen Fahrgästen

Ein nett gemeinter Zug der Bundesregierung, um weitere ca. fünf Millionen Menschen zum Bahnfahren zu bewegen. Klingt viel, zumal sich die Frage stellt, in welchen Zügen sie untergebracht werden sollen. Züge sind bei der Bahn bekanntlich ein rares Gut... Insofern wird die Maßnahme mehr oder weniger wirkungslos auf dem Abstellgleis enden und die Mobilitätsaufgaben der Zukunft nicht lösen. 

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Denn die Bahn muss nicht nur zu einem ernsthaften Konkurrenten für den innerdeutschen Flugverkehr heranwachsen. Sondern zudem den Wettbewerb mit Fernbussen und privaten Pkw aufnehmen.

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In allen Bereichen fällt sie derzeit durch, da nützt es auch nichts, dass die günstigste Variante von A nach B zu kommen, im stark begrenzten SuperSparpreis theoretisch nur 13,40 € (mit BahnCard) kostet.

Mobilität der Zukunft: Bundesregierung nur mit zaghaften Bemühungen  

Verlässlichkeit, Komfort und vor allem Reisezeit: Um den Verkehr von der Luft auf die Schiene zu bekommen, reichen zaghafte Bemühungen nicht aus. Auch weil der (zu) starke, aber von der EU gewünschte Wettbewerb unter den Airlines auch die erhöhte Luftverkehrssteuer kompensieren wird. Es wirkt so, als wäre die Bahn, die eh schon oftmals unter überfüllten Zügen leidet, auf Jahre hinweg abgekoppelt. 

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Deutsche Bahn im Wettbewerb mit Auto nur für Alleinreisende interessant

Fast noch schlimmer ist die Situation im Wettbewerb mit Auto und Bus. Um den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen, muss Bahnfahren (vor allem für Gruppen von zwei bis fünf Erwachsenen) noch deutlich günstiger werden, um als Alternative wahrgenommen zu werden.  

FAQ zu den Ticketpreisen der Bahn

Welche Tickets werden günstiger?

Die zehn Prozent Fahrpreissenkung betrifft alle Fahrten im Fernverkehr. Explizit gilt sie auch für Sparpreise, Super Sparpreise und Zusatzkarten (z.B. für Fahrräder).

Gilt die Preissenkung auch im ÖPNV?

Nein! Im Nahverkehr sind die Preise zum Fahrplanwechsel in Deutschland um durchschnittlich 1,7 Prozent gestiegen. Die Fahrpreiserhöhungen der KVB in Köln liegen durchschnittlich bei 2,5 Prozent.

Wird die BahnCard auch günstiger?

Jein. Die BahnCard 100 wird um zehn Prozent günstiger. Die BahnCard 50 und 25 bleiben jedoch stabil, sie sind nicht Teil des Mehrwertsteuer-Paketes der Bundesregierung.

Für wen gilt die niedrigere Mehrwertsteuer?

Sie gilt für alle Anbieter im Schienen-Fernverkehr. Also quasi nur für die Deutsche Bahn, die zu 99 Prozent den Fernverkehr dominiert. Fernbusse sind - obwohl sie auch ein umweltfreundlicheres Reisen ermöglichen - interessanterweise vom Mehrwertsteuerpaket ausgenommen. Der Anbieter Flixbus klagt deswegen sogar gegen die Mehrwertsteuersenkung.

Wie ergibt sich die Preissenkung?

Folgendes Rechenbeispiel: Ein 100-€-Ticket wurde bislang mit 19 Prozent also 19 € besteuert. In der Summe 119 €. Bei einem Mehrwertsteuersatz in Höhe von sieben Prozent wären dies 107 €. Die Differenz beträgt zwölf Euro, dies sind fast jene zehn Prozent von 119 €. Generell: Eine um zwölf Prozentpunkte gesenkte Mehrwertsteuer ergibt eine Reduzierung des Fahrpreises in Höhe von zehn Prozent.

Was zahlen Bundeswehrsoldaten für ein Ticket?

Seit Anfang Januar können die gut 180.000 Soldaten kostenfrei mit der Deutschen Bahn fahren. Allerdings müssen sie eine Uniform tragen und den Truppenausweis dabei haben. Die Deutsche Bahn erhält dafür ca. vier Millionen € pro Jahr. 

TIckets und Preise: Deutsche Bahn in der Regel zu teuer

Denn so lange eine Bahnfahrt von zum Beispiel Köln nach Bad Kissingen und zurück trotz BahnCard25 pro Person 90-120 € kostet, die Autofahrt für alle Insassen zusammen auf der 340-Kilometer-Strecke aber bei ca. 60 € liegt, wird immer das Auto das bevorzugte Fortbewegungsmittel sein. Unabhängig von beim Auto hinzuzurechnenden Versicherungs- und Verschleißkosten. 

Preispolitik: Deutsche Bahn zwingt Familien, die Bahn zu meiden

Etwas überspitzt: Während die Bahn bei Alleinreisenden preislich einigermaßen Wettbewerbsfähig ist, zwingt sie Familien, die mit beiden Elternteilen reisen, die Bahn zu meiden. Da nützen auch die attraktiven Fahrkarten für Kinder nichts.

ÖPNV hat ähnliche Probleme wie die Deutsche Bahn  

Ähnlich ist die Situation übrigens im ÖPNV, der preislich bei weitem nicht attraktiv genug ist. Dass ein Einzelticket zum Beispiel im günstigsten Fall für die Strecke von Köln Hbf nach Bad Honnef am Rhein 10,71 € kostet, die Strecke mit dem IC via Bonn nur 8,45 € (mit BC25), ist dem unnötigen Verbot der Anwendbarkeit einer BahnCard in Zügen des ÖPNV zuzuschreiben.

Bittere Erkenntnis: ÖPNV wird ab Preisstufe 3 unattraktiv   

Die BahnCard für den ÖPNV heißt übrigens Monatsticket, welches für kurze Strecken im VRS attraktiv sein kann, aber spätestens in Preisstufe 3 unattraktiv wird. 

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Apropos Monatsticket: Das kostet (Preisstufe 5 im VRS) für die erwähnte Strecke regulär 280 €, bei einem Jahres-Abo reduziert sich der Preis auf 235,80 €. In beiden Fällen gewinnt jedoch die Erkenntnis: Auto zu fahren, ist leider in der Regel günstiger...