Mit besonderen AutosNeuer Lieferdienst erobert NRW, sein Versprechen hat's in sich

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Ein Fahrer liefert einem Kunden seine Lebensmittel.

von Piet van Riesenbeck (pvr)

Neuss – Auf den Straßen in NRW begegnet man immer öfter einem alten Bekannten aus längst vergangenen Tagen: dem Milchmann. Doch der neue Milchmann kommt heutzutage in einem roten E-Flitzer daher – und hat außer Milch ein ganzes Supermarkt-Sortiment an Board.

2018 hat die Firma Picnic in Viersen am Niederrhein ihr erstes Liefergebiet eröffnet. Seitdem sind zehn weitere Städte hinzugekommen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in den Niederlanden liefert Lebensmittel bis an die eigene Haustür.

Picnic liefert Lebensmittel an die Haustür

„Keine Liefergebühr, geringer Mindestbestellwert, kleines Zeitfenster” lautet das Versprechen, mit dem Mitgründer Frederic Knaudt den deutschen Markt erobern will. So will sich das Unternehmen von den anderen Lieferdiensten etablierter Supermärkte abheben.

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Rewe und an einigen Stellen auch Edeka bieten bereits einen Lieferservice an. Darüber hinaus gibt es verschiedene Anbieter, die Kunden regelmäßig frische Gemüsekisten oder Getränke bis an die Haustür liefern. So richtig durchgesetzt hat sich das Konzept bisher jedoch nicht.

Picnic will das ändern. Der Trick: Die roten E-Flitzer orientieren sich an einer altbewährten Strategie. Anstatt jede Bestellung einzeln auszufahren, fährt der Lieferwagen einmal täglich in jede Ecke der Stadt. In diesem Zeitraum können Anwohner sich beliefern lassen. Wie beim Milchmann eben.

So soll nebenbei der Verkehr in den Städten reduziert werden. „Zwei Drittel der Deutschen fahren mit dem Auto zum Supermarkt”, erklärt Frederic Knaudt. „Dabei legen sie jährlich 900 Kilometer zurück”. Das entspricht einer Fahrt von Köln nach Hamburg und zurück/einer Fahrt von Köln nach Wien.

Deutsche verbringen 20 Arbeitstage im Supermarkt

Die Fahrzeuge des Liefer-Dienstes fahren zwar auch, aber durch das Milchmann-Prinzip sind sie laut Unternehmen effizienter unterwegs. Außerdem stoßen die Elektroautos beim Fahren kein CO2 und andere Schadstoffe aus.

„Zudem schmeißen wir kein Essen weg“, erklärt Frederic Knaudt das Konzept weiter. Es werde nur genau das eingekauft, was der Kunde auch bestellt. Das ist ein Vorteil, in einem Markt, in dem Kunden mehr und mehr auf nachhaltige Produkte achten wollen, wie eine Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) kürzlich feststellte.

Außerdem spare der Kunde Zeit. Der 32-Jährige behauptet: „Der Deutsche verbringt im Schnitt 20 Arbeitstage im Jahr mit dem Einkauf von Lebensmitteln.“

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Das ist summa summarum ein ganzer Monat an der Aldi-Kasse. Warum soll man sich da nicht die Lebensmittel liefern lassen? Die Idee ist naheliegend. „Die Menschen bestellen Kleidung online, sie suchen Reisen online, sie kaufen Möbel online“, zählt Knaudt auf.

Nur für Lebensmittel fahren die allermeisten Deutschen noch zu Rewe, Aldi und Co. Gerade einmal ein Prozent der Lebensmittel wird online bestellt. Das wollen Knaudt und seine Kollegen ändern.

Lebensmittel liefern lassen: Bequem und ökologisch?

„Wir glauben, dass man einen Marktanteil von 20-30 Prozent erreichen kann“, so die Vision des Gründers. Ist das die Zukunft des Einkaufens in Deutschland? Ökologisch und bequem zugleich?

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Auch Nachhaltigkeitsexpertin Indra Enterlein glaubt an das Potenzial des digitalen Lebensmittelhandels: „Der Bedarf an Lebensmitteldiensten dieser Art wird laut Weltwirtschaftsforum bis 2030 um 78 Prozent steigen.“

Die Diplom-Biologin tritt allerdings auch auf die Bremse: „Die Ökobilanz hängt natürlich vom Strommix ab.“ Elektroautos, die mit Kohlestrom fahren, verlagern die Emissionen lediglich. Das haben auch Picnic-Gründer Knaudt und seine Mitstreiter erkannt.

Der 32-Jährige räumt ein: „Wir versuchen natürlich, an allen Standorten Ökostrom zu beziehen, an einigen Stellen ist dies aber leider noch nicht möglich.“ Außerdem kommt es mal wieder auch auf den Konsumenten an.

Expertin: Lieferservice nur mit Öko-Strom nachhaltig

„Wer den Dienst nur zusätzlich nutzt und trotzdem noch in den Supermarkt fährt, produziert zusätzlichen Verkehr“, erklärt Expertin Enterlein.

Auch wenn die meisten Kunden den Lebensmittel-Lieferdienst, wie Knaudt angibt, für ganze Wocheneinkäufe nutzen, kann dieser Aspekt bisher nicht ermittelt werden.

„Es haben mir auch schon Fahrer erzählt, dass Sie Kunden direkt über einem Supermarkt beliefert haben”, gibt der Picnic-Chef zu. In dem Fall wäre es natürlich nachhaltiger, seine Milch einfach selbst zu holen.

Picnic will noch 2020 in Köln liefern

Derweil schreitet die Expansion des Lieferdienstes in NRW weiter voran. Nach Karneval beginnt die Belieferung von Kunden in Düsseldorf. Danach folgt die Dom-Stadt.

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„Köln ist auf unserer Expansions-Liste weit oben auf der Liste“, erläutert Gründer Knaudt die weiteren Pläne: „Dort wollen wir noch in diesem Jahr liefern. Danach sei Bonn an der Reihe, die Heimatstadt von Frederic Knaudt.